Rexam Rolle vorwärts

Jahrelang war sie out – fast verschwunden aus dem deutschen LEH. Doch die Getränkedose kehrt zurück. Ein Besuch beim Hersteller Rexam in Berlin.

Dienstag, 07. September 2010 - Hersteller
Susanne Klopsch

Am Anfang steht eine dicke Rolle. Eine 11 t schwere Rolle aus Aluminium, der so genannte Coil. In sieben Produktionsschritten werden aus diesem etwa 500.000 Getränkedosen. Rund 1,6 Mrd. Dosen (0,33 sowie 0,5 l) laufen jährlich bei der Rexam Beverage Can Berlin GmbH vom Band. Wieder, muss man hinzu fügen. Denn es waren schon mal erheblich weniger. Damit dies nicht wieder passiert, setzen Dosenhersteller wie Rexam oder Ball Packaging Europe zum einen auf die Nische, zum anderen auf Fakten, um einen Imagewandel der Dose einzuleiten und die Konsumenten wiederzugewinnen. Und auf die Bundesregierung: Die überprüft, wie im Gesetz vorgeschrieben, 2010 die Verpackungsverordnung. Die Hersteller erhoffen sich eine Neubewertung des Faktors „ökologisch vorteilhaft“.

Die Bundesbürger sind nicht von Natur aus Dosenmuffel. Im Gegenteil: 8. Mrd. Dosen wurden vor 2003 hier zu Lande abgesetzt. Bis ein Herr Trittin als Bundesumweltminister die politische Bühne betrat. Mit ihm 2003 das Pfand auf Einweggebinde. Es sollte u.a. die Mehrwegquote stützen (was eindeutig nicht gelang) und die Umweltverschmutzung durch in die Landschaft entsorgte Flaschen und Dosen beheben (was eindeutig gelang). Im Volksmund hieß das Ganze Dosenpfand. Sachlich nicht korrekt, sprachlich aber griffig. Und in der Wirkung verheerend. Getränkedosen waren als Umweltsünder stigmatisiert, wurden fast komplett ausgelistet. Allein in Tankstellen oder an Kiosken begegnete der Verbraucher noch diesem Gebinde. 2006 das Tief: Der Absatz sank auf 260 Mio. In den drei deutschen Produktionsstätten waren Kurzarbeit und Entlassungen angesagt. Die Produzenten überlebten nur dank des Exports.

Auch der Berliner Hersteller Rexam. Wurden 2002 noch 1,5 Mrd. Dosen produziert, waren es ein Jahr später 821 Mio. Mitarbeiter wurden entlassen. Inzwischen wird wieder eingestellt in Berlin-Marienfelde. Und es werden mehr Dosen produziert: 1,6 Mrd. im vergangenen Jahr. Von denen immer mehr im Inland verkauft werden: Denn die Dose erobert sich langsam wieder Regalfläche im Lebensmittel-Einzelhandel (LEH) zurück. „Bei Rewe oder Markant haben wir bei Bier inzwischen wieder einen Marktanteil von etwa 10 Prozent“, sagt Welf Jung, Verkauf und Marketing Direktor in Berlin. Insgesamt stieg der Absatz von in Dosen abgefüllten Getränken in Deutschland im vergangenen Jahr um etwa 12 Prozent.

Für Rexam hat sich auch ausgezahlt, dass 2006 das Unternehmen 30 Mio. Euro investierte und auf die Produktion von Dosen aus Aluminium umgestellt hat. Ein begehrter Rohstoff, der überall auf der Welt gesammelt und recycelt wird. Und das ganz ohne Qualitätsverlust für das neu geschaffene Behältnis, wie Welf Jung betont. „Dabei wird zudem nur 5 Prozent der für die Neugewinnung des Aluminiums gebrauchten Energie benötigt“, rechnet er vor. Hersteller scheuen sich nun nicht mehr, Begriffe wie Nachhaltigkeit oder Ökologie in einem Atemzug mit dem Wort Getränkedose zu nennen. Jung untermauert dies mit Fakten: Brachte die 0,5-l-Alu-Dose 1995 noch 20,5 g auf die Waage, waren es 2009 nur noch 16 g. Die Recyclingrate liegt bei mehr als 92 Prozent.

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  1. Von der Rolle Eine elf Tonnen schwere Rolle aus Aluminium steht am Anfang der Dosen-Produktion bei Rexam in Berlin-Marienfelde.
  2. Ausgestanzt Rund 500.000 flache so genannte Ronden oder Näpfe stanzt die Napfpresse aus einer Alu-Rolle. Höhe gewinnen die künftigen Dosen dann im Trimmer.
  3. Saubermachen bitte Schmiermittel hilft beim Strecken. Das muss allerdings wieder abgewaschen werden.
  4. Saubermann Glänzend gereinigt und im Ofen getrocknet geht es weiter.
  5. Farbe bekennen Lackieren und Bedrucken der bislang namenlosen Dose.
  6. Formvollendet Jetzt hat die Dose ihre endgültige Form: Im Necker bzw. Flanger hat sie zuvor ihre charakteristische Halsform bekommen.

Eine Studie des EHI Retail Institutes von 2009 brachte der Dose im Bereich Handling für den Einzelhandel Bestnoten. Die hohe Recyclingrate der Alu-Dose verringert im Gegenzug die CO2-Emissionen über den gesamten Lebenszyklus des Gebindes. Fakten, die seit drei Jahren auch immer wieder öffentlich z.B. in Anzeigen transportiert werden und einen Imagewandel auch beim Verbraucher bewirken sollen. Fakten, von denen Jung hofft, dass sie zu einer ökologischen Neubewertung der Getränkedose führen, in eine Korrektur der Verpackungsverordnung münden, „weg vom Dogma mit Glas als Benchmark“. Denn man dürfe nicht einfach die Verpackungen miteinander vergleichen: „Es müssen die Produkte verglichen werden. Und da schneidet die Alu-Dose sehr viel besser ab als Glas. Aus 1 kg Aluminium können 60 Alu-Getränkedosen für 30 l Bier hergestellt werden. Das verbraucht 6,4 Megajoule Primärenergie pro l. Aus 1 kg Glas kann man nur 3 Flaschen für 1,5 l Bier machen, das sind 8 Megajoule je l.“

Doch es ist ein mühsamer Weg zurück in den Handel. Der jedoch durch den Umstand erleichtert wird, dass die wenigsten Verbraucher einen Unterschied machen wollen (oder auch können) zwischen Mehrweg und Einweg. Die deutschen Dosenhersteller sind allerdings Realisten: Eine Rückkehr zu alten Absatzzahlen halten sie hier zu Lande nicht wirklich für möglich. Sie konzentrieren sich daher darauf, die Dose als das Convenience-Gebinde schlechthin zu positionieren. Modern, leicht, geradezu ideal für Bier-Sixpacks oder nicht-alkoholische Getränke für den Unterwegs-Verzehr. „Für regionale Brauer ist Mehrweg sehr gut, national gesehen ist die Dose ökologischer“, ist Jung überzeugt.

Doch zurück zum Anfang, zurück zum Coil. Der Elf-Tonner aus Aluminium steht wie gesagt in Berlin am Beginn der Dosenproduktion. Und sieht aus wie eine gigantische Papierrolle. Ein Abwickler gibt das millimeterdünne Aluminium in eine Napfpresse. Sie stanzt pro Minute etwa 1.000 Ronden aus, die Näpfe. Die sind flach. Erst im Bodymaker gewinnen sie langsam an Höhe, der Trimmer schneidet die Dose auf die korrekte Höhe. Das überschüssige Material wird gesammelt und recycelt. Das beim Strecken eingesetzte Schmiermittel wird in einer großen Waschmaschine entfernt. Nach dem Trocknen in einem Ofen geht es zum Innen- (hängt davon ab, was in die Dose abgefüllt wird) und Außenlackieren.

Im Dekorierer bekommt die Dose das bis zu sechs Farben umfassende Dekor. Für die charakteristische Halsform sorgt der Necker bzw. Flanger. Mit zum Prozess gehört die durchgehende Qualitätskontrolle. Die leeren Dosen (befüllt werden sie erst beim Kunden bzw. Abfüller) werden palettiert und kommen, wenn sie nicht direkt zum Kunden transportiert werden, ins Rexam-Lager. Das hat inzwischen seine Kapazitätsgrenze erreicht. Und da die Berliner vom weiteren Vormarsch der Dose hier zu Lande überzeugt sind, haben sie ein neues 12.000 qm Lager gebaut. Rexam in Berlin ist gerüstet für das Comeback der Dose.

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Das 1983 errichtete Werk zur Herstellung von Getränkedosen gehört seit 1999 zu Rexam (England) und firmiert als Rexam Beverage Can Berlin GmbH.

2006 wurde auf die Herstellung von Dosen aus Aluminium umgestellt (vorher Weißblech).

Sieben Tage produzieren fünf Crews im Drei-Schicht-System auf drei Linien Dosen (etwa 1,6 Mrd. pro Jahr: zwei Drittel davon mit 0,5 l Inhalt).

Für die Herstellung von 1.000 Dosen (0,33 l) werden 60 l Wasser, etwa 17 kWh Strom, 21 kWh Gas verbraucht sowie etwa 40 g Farbe und insgesamt gut 220 g Lack.

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Welf Jung, Marketing Director