Schneekoppe Der Berg ruft wieder

Die Traditionsmarke Schneekoppe wird reaktiviert. Unter der Positionierung „gesunde Ernährung“ werden neue Sortimentsansätze und vertriebliche Wege verfolgt. Aktuell wird eine Range mit Energie-Drinks und -Riegeln mit Testimonial Michael Schumacher gelauncht.

Montag, 06. September 2010 - Hersteller
Dieter Druck

Schneeeekoppe – das legendäre Echo verhallte Anfang der 90er Jahre. Ein visuelles und hörbares Markenzeichen, das seiner Zeit vor allem Diabetiker und Reformkost-Jünger mobilisierte. Dann wurde es still – über mehr als ein Jahrzehnt setzte die Marke Staub an und schrieb lange Zeit rote Zahlen.

Dann, 2007, der Einstieg zu gleichen Anteilen der Unternehmer Gerald Wagener und Christoph Pauly (Pauly Biskuit AG / Dessau), die von der OTG in Seevetal die kompletten Marken- und Vertriebsrechte übernahmen. Pauly stieg aus familiären Gründen nach drei Monaten aus. Von 2007 bis 2009 war Wagener Alleingesellschafter. Seit Dezember 2009 ist Pfeiffer & Langen über die Tochter Delvena mit im Boot.

„Nach der Übernahme haben wir uns das Ganze in aller Ruhe angeschaut“, sagt heute Hendrik Oevel, Vorsitzender der Geschäftsführung (CEO). Das mit der Ruhe ist schwer zu glauben, wenn man den agilen Manager und bekennenden Schneekoppe-Enthusiasten vor Augen hat. Der ehemalige Heristo und Pauly-Mann (Pauly Snacks / Friedrichsdorf), der nach eigener Aussage den direkten Draht zum Unternehmer braucht und sich mit trägen Entscheidungswegen in Konzerngefügen schwer tut.

Zu Beginn war man noch in Seevetal angesiedelt. Aber seit April vergangenen Jahres wurde auch vom Standort her mit dem Umzug nach Buchholz i.d. Nordheide der Neuanfang dokumentiert. 2007 schrieb das Unternehmen nach eigenen Angaben erstmals wieder eine „schwarze Null“. Zahlen werden aber nicht genannt. Der Umsatz dürfte schätzungsweise knapp unter 40 Mio. Euro liegen.

Oevel hat ein neues, 19-köpfiges Team auf die Beine gestellt, das dabei ist, „die Marke zu entstauben“ und gleich mehrere vertriebliche und Sortiments-Ansätze verfolgt. „Es wurde in der Vergangenheit zu sehr auf den Aspekt Diät/Diabetes fokussiert. Produkte mit differenzierendem Zusatznutzen fehlten und deshalb partizipierte die Marke bislang kaum am Trend der gesunden Ernährung.

Zudem wurde wenig kommuniziert“, so die rückblickende Grobanalyse. Auf der Haben-Seite stehen eine gestützte hohe Markenbekanntheit von 97 Prozent, marktführende Stellung bei diätetischen Produkten sowie eine nahezu vollflächige Distribution im klassischen LEH und Drogeriemärkten nebst starker PoS-Präsenz über den Schneekoppe-Markenblock.

In Österreich, der Markt wird von Buchholz aus verantwortet, aber mit eigenständiger Geschäftsführung und Team vor Ort bearbeitet, wurde der Schritt in Richtung gesunde Ernährung für Schneekoppe früher vollzogen. Dort sei die Marke z.B. Marktführer im Segment Müsli und Fruchtschnitten.
Im Zuge des 2007 eingeleiteten Markenrelaunchs wurden u.a. das Logo geändert und Sub-Marken eliminiert. „Unser Fokus liegt einzig und allein auf Schneekoppe.“ Eine Ausnahme bildet die mitübernommene Marke Veelmann, die als Mini-Range mit vier Artikeln vorerst weitergeführt wird.

Die weiteren Prämissen: kein Discount und keine Private Label. Mit „Gletscherkrone“ von Aldi Nord habe man nichts zu tun, auch wenn auf Internetseiten öfters Schneekoppe als Absender genannt werde, betont Oevel. „Wir reden hier in der Regel nicht über handelsmarkenrelevante Volumina und sind uns der Nische bewusst, in der wir uns bewegen. Den Massenmarkt wollen und können wir gar nicht bedienen.“

{tab=Zur Person}

Name Hendrik Oevel

Job Vorsitzender der Geschäftsführung Schneekoppe

Geboren 1967 in Soest/Westfalen

Ausbildung Industrie-kaufmann

Karriere u.a. Area Manager Export bei Bahlsen, Leiter Vertrieb bei der Pauly GmbH, Friedrichsdorf; Geschäftsführer Miller ConSup Gesellschaft für Import und Export mbH, Hamburg (Heristo AG)

Hobbies Marathon, Windsurfen, Skifahren

{tab=Bildergalerie}

Hendrik Oevel,
Vorsitzender der Geschäftsführung Schneekoppe GmbH.


Auf vier Beinen soll die Marke künftig stehen. „Wir streben nach dem langfristigen und nachhaltigen Erfolg“, heißt es in Buchholz. Basis dafür sind die Sortiments-Säulen:

Inzwischen ist das Sortiment entkernt und bewegt sich bei rund 120 Artikeln. „Vor dem Hintergrund, dass in absehbarer Zeit auf Grund eines neuen EU-Rechts die Diätverordnung und damit das klassische Diabetiker-Sortiment kippen werden, werden wir hier noch schlanker.“ Die Top 20-Artikel werden gemäß den neuen Bestimmungen weitergeführt, z.B. als kalorienreduzierter Fruchtaufstrich. Dies bedeutet nicht das abrupte Ende des vom Konsumenten gelernten Schneekoppe-Blocks. Es wird auch von der Gesetzgebung einen Übergangszeitraum geben. Aber bereits jetzt wird die Zuordnung der abverkaufstärksten Produkte in die entsprechenden Warengruppen angegangen, verbunden mit dem Ziel, neue, jüngere Verwender zu erreichen.

Über 50 und stark weiblich ausgerichtet sind Merkmale der angestammten Käuferschar. 30 bis 50 Jahre, männlich und sportaffin ist die Kernzielgruppe der neuen Range „Start Energie“ unter Schneekoppe. Sie vereint Cerealien- und Fruchtriegel, Energie-Drinks und so genannte Shots. Mit Michael Schumacher wurde noch vor seiner Rückkehr in die Formel 1 ein prominentes Testimonial gewonnen. Sie sind positioniert als natürlich-gesunde und energieliefernde Produkte.

„Frei von Taurin, natürliches Koffein (Guarana), auf Fruchtsaftbasis, mit Antioxidantien (sekundäre Pflanzenstoffe), Fruchtsüße und kein Geschmack nach Gummibärchen“ nennt Oevel als wesentliche Merkmale. Damit drücke Schneekoppe z.B. keine Me-Too-Getränke in den Markt, sondern biete Alternativen, u.a für Taurin-Verweigerer. Die Auslieferung an die Handelspartner ist vor knapp einem Monat gestartet. Im Impulsbereich hat man schon eine dreimonatige Exklusiv-Listung bei Aral erreicht.

Ansonsten will Oevel mit der Range auf volle distributive Breite gehen, sprich LEH, Convenience-Kanäle, Drogeriemärkte, Fitness-Studios, Sportgeschäfte etc. Unterstützt wird die Einführung aktuell über eine nationale Aktion mit der Bild-Zeitung. Zwar ist Rot die Signalfarbe der Range, doch im damit verbunden Gewinnspiel gibt es den zu Schumi passenden Wagen, einen silberfarbenen Mercedes Benz SL AMG. Ansonsten setzt der CEO den verkaufsfördernden Schwerpunkt auf den PoS. „Auch hier ist Österreich im gewissen Maße Vorbild. Wir wollen am PoS aktiver werden.“ Talon-Durchgänge werden derzeit forciert und auch über Zweitplatzierungen soll der Abverkauf stimuliert werden.

Dass die gesunde Positionierung mit Zusatznutzen funktioniert, zeigt die Linie „Glutenfrei“ (Suppen, Gebäcke etc.). Vor anderthalb Jahren kam sie in den Handel, wurde auf Anhieb Nr. 2 hinter Marktführer Dr. Schär, zählt heute 25 Artikel und wird noch um sechs weitere ausgebaut. Und mit „laktosefrei“ wollen die Buchholzener noch in diesem Jahr, geplant ist das 4. Quartal, ein neues Fass aufmachen. Der Fokus soll auf Süßwaren gerichtet sein. Mehr will Oevel noch nicht preisgeben.

Mit Apotheken soll in naher Zukunft ein weiterer Kanal als eigenständiger Vertriebsbereich erschlossen werden. „Wir werden in diesen Kanal investieren“, unterstreicht der CEO. Geplant ist ein Start mit fünf bis acht Exklusiv-Produkten, die mit dem LEH-Sortiment nichts gemein haben. Der Ansatz geht in Richtung Proteinnahrung und Abnehmen. Darüber hinaus ist eine Kooperation mit Sportgeschäften angelaufen.

Und welche Rolle spielt Mitgesellschafter Delvena (Biozentrale) bzw. Pfeifer & Langen? „Eine Ausweitung des Engagements in naher Zukunft ist nicht geplant.“ Synergien bestünden im Vertriebsbereich insbesondere in der Zentrallagerlogistik. „Sonst haben wir weiter nichts mit einander zu tun“ versichert Oevel. Auch mit Bio, kommen sich beide nicht ins Gehege. „Natürlich gesund ist unsere festgeschriebene Position. Seit über 80 Jahren sind wir ein Synonym für gesunde Ernährung. Bio ist kein Thema. Ein zweifelhaftes Bio-Siegel würde uns im Verbraucher-Vertrauen abwerten“, lautet die Erklärung.

Ein weiteres Expansionsfeld bietet das Lizenzgeschäft, das früher mal stärker dastand. Kuchenmeister und Plange KG (Diamant-Mehl) nutzen heute die Lizenz. Weitere sollen dazu kommen. Auch Lizenzen für den Bereich Frische, z.B. Mopro, seien denkbar.
Das Potenzial ist gegeben. Die vielfältigen Ansätze beweisen es. Aber es wird auch einige Zeit ins Land gehen, bis der Ruf Schneeekoppe wieder voll erhallt.