Hintergrund Die Krux mit der Sprache

Rassistische und diskriminierende Produktnamen und -werbung sind immer wieder Thema – Unternehmen gehen damit unterschiedlich um. Eine Herausforderung ist es für alle.

Montag, 30. März 2020 - Hersteller
Marvin Oppong
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Die „Mohren Brauerei“ aus Dornbirn (Vorarlberg, Österreich), nutzt als Logo die Silhouette einer schwarzen Person mit stereotypisch überzeichneten, wulstigen, wahlweise auch farblich hervorgehobenen Lippen und affenartiger Kopfform. Sie vertreibt Biere mit dem Wort „Mohren“. Verkauft wird das Ganze im „Mohrenlädele“. Dazu muss man allerdings wissen: Das M-Wort geht zurück auf das griechische moros, übersetzt töricht, einfältig, dumm und auch gottlos. Es geht auf das lateinische Wort maurus zurück, welches schwarz, dunkel beziehungsweise afrikanisch bedeutet. Die Brauerei beruft sich auf Tradition, das sei „Kulturgut“. Den Vorwurf des Rassismus weist man „auf das Entschiedenste zurück“.

Die Kölner Firma Sarotti hat vor einigen Jahren ihren Sarotti-Mohr umbenannt – in „Magier der Sinne“. Schwarze Menschen hatten sich daran gestört, mit einer schwarzen Figur ausgerechnet für Schokolade zu werben. Auch das Café Niederegger in Lübeck änderte 2017 nach Rassismusvorwürfen den Namen seiner „Mohrenkopftorte“ in „Othellotorte“. Othello ist allerdings in der gleichnamigen Tragödie von Shakespeare ein dunkelhäutiger Feldherr. Die Wikana Keks und Nahrungsmittel GmbH aus Wittenberg vertreibt einen Schokoladen-Keks mit dem Namen „Othello-Keks“.

Alexander Lasch, Professor für germanistische Linguistik und Sprachgeschichte an der TU Dresden nennt das in einem Blogbeitrag „versteckt‘ bzw. verdeckt rassistisch“. Es handle sich um „einen verkleideten Alltagsrassismus, der viel über eine (Sprach-)Gesellschaft und ihre (Sprach-)Geschichte verrät.“

Die Hannoveraner Kaffee-Marke Machwitz nutzt ein Logo, auf dem drei klischeehafte schwarze Figuren mit knallroten Lippen zu sehen sind. 2017 kritisierte der Afrikanische Dachverband Norddeutschland die drei Figuren als „entwürdigende Karikatur von Afrikanern“. Ein dunkelhäutiger Dozent der TU Braunschweig warf dem Unternehmen die Verunglimpfung schwarzer Menschen vor. Die Firma berief sich ebenfalls auf „Tradition“.

Die Deutsche Welle hatte in ihrer Kantine vor einigen Jahren „Schweinekotelette ‚Zigeuner Art‘“ im Angebot. Auf Amazon findet man die „Schlemmersauce Zigeuner“ von Knorr im 6er-Pack oder die „Werder Zigeuner Sauce“. Laut Stellungnahme des Zentralrats Deutscher Sinti & Roma ist der Begriff „eine von Klischees überlagerte Fremdbezeichnung der Mehrheitsgesellschaft, die von den meisten Angehörigen der Minderheit als diskriminierend abgelehnt wird“. In der Umgangssprache werde „der ‚Zigeuner‘ immer noch als Schimpfwort benutzt“.

Hersteller und Händler von Lebensmitteln können das Thema diskriminierungsfreie Sprache nicht mehr ignorieren. Kundinnen und Kunden praktizieren heutzutage bewussten Konsum. Die Definition von Corporate Social Responsibility im Grünbuch der Europäischen Kommission, die sich als allgemeine Leitlinie herausgebildet hat, beinhaltet, dass Unternehmen „auf freiwilliger Basis soziale Belange“ berücksichtigen. Und noch ein Argument spricht für Sensibilität beim Thema Sprache: Begriffe wie das „Z-Schnitzel“ machen sich Menschen, Minderheit und deren Kulturgut zu eigen, sie degradieren Menschen zu Nahrungsmitteln.

Dennoch kommt es immer wieder zu Problemen mit Bezeichnungen. Ist das Rassismus, Torheit oder Nachlässigkeit? In den Marketingabteilungen von Unternehmen arbeiten am Ende auch nur Menschen, die ein Abbild der Gesellschaft bilden. Und in dieser sind rassistische Klischees, ist diskriminiere Sprache immer noch weit verbreitet. Es mangelt insofern an Sensibilität und an dem Willen, sich mit der Thematik ernsthaft auseinanderzusetzen. Zudem scheinen viele Unternehmen keinen Masterplan für das Thema zu haben.

Ein weiterer Punkt ist mangelnde Diversität in Unternehmen. Wenn man eigene Diskriminierungserfahrungen hat, ist man für das Thema sensibilisierter. Und die größtenteils weißen Belegschaften von Unternehmen hierzulande haben eben in der Breite keine rassistischen Diskriminierungserfahrungen gemacht.

Problematische Produktnamen können sich negativ auf Ruf und Reputation eines Unternehmens auswirken und das Vertrauen der Verbraucher in eine Marke negativ beeinflussen. Anders als früher können sich Konsumenten heute über das Internet nicht nur viel einfacher informieren, sondern auch austauschen und Gegner oder Betroffene sich zusammenschließen, Shitstorms können zu Produktboykotts führen. Selbst auf die Stimmung unter den Mitarbeitern und deren Zufriedenheit kann sich dies auswirken.

Sprachliche Dimension beachten
Vermeiden lässt sich derartiges, in dem schon vor der Schaffung eines Produktnamens die sprachliche Dimension mitbedacht wird. Indem qualifizierte Experten hierfür mit ins Boot geholt werden und indem der Stand der Wissenschaft sowie der von Debatten zu bestimmten Begriffen berücksichtigt wird. Und indem Betroffenen(verbänden) Gehör geschenkt wird. Eine weitere Möglichkeit sind Schulungen für die Mitarbeiter in diskriminierungsfreier Sprache und in Sachen interkultureller Kompetenz.

Bei Rewe will man „Mitarbeitern unabhängig von Herkunft, Geschlecht, Alter, sexueller Orientierung, Religion oder Behinderung einen diskriminierungsfreien Arbeitsplatz“ gewährleisten. Die Förderung der Vielfalt im Unternehmen sei „ein wichtiger Faktor für den Unternehmenserfolg“. Suchte man Anfang Oktober im Online-Shop auf rewe.de nach dem Wort „Neger“ – im folgenden N-Wort – bekam man tatsächlich Treffer angezeigt, und zwar ausgerechnet Schaumküsse, die in früheren Zeiten noch rassistisch als „Negerkuss“ bezeichnet wurden. Auf Nachfrage erklärte Rewe auf Twitter: „Wir nehmen sie sehr ernst und prüfen sie derzeit. Da wir ein multikulturelles Unternehmen sind, möchten wir uns an dieser Stelle ganz klar positionieren: Diskriminierung, Fremdenfeindlichkeit und Rassismus finden bei uns keine Toleranz.“

In Schweden hat der Ombudsmann für Diskriminierungsfragen laut einem Bericht der Süddeutschen Zeitung aus dem Jahr 2004 entscheiden, dass eine Konditorei, die eine Süßigkeit mit dem Namen „Negerbollen“ verkaufte, was übersetzt „Negerball“ bedeutet, eine Strafe von bis zu 200.000 Kronen (rund 20.000 Euro) zahlen müsse, wenn ein Schwarzer sich dadurch beleidigt fühlen und die Besitzer anzeigen würde.

Einen eher unorthodoxen Umgang mit dem Thema pflegt das Unternehmen True Fruits aus Bonn. So warb das Start-up 2017 unter anderem mit dem Slogan: „Noch mehr Flaschen aus dem Ausland“, was als Kritik an der Flüchtlingspolitik gewertet wurde. Nach einem Shitstorm hieß es sogar: „Ja, wir sind diskriminierend.“ und „Ihr werdet bei uns also immer wieder auf diese Art der Kommunikation stoßen, die dumme Menschen falsch verstehen könnten.“

Nicht nur Eigennutz
Wie man auch dazu stehen mag: Lebensmittelhändler und -hersteller sollten nicht nur aus reinem Eigennutz auf diskriminierungsfreie Sprache achten. Während Gleichstellung und Diversität von der Wirtschaft längst als Werte an sich erkannt wurden, besteht bei diesem Thema streckenweise noch Nachholbedarf. Man muss dafür – bildlich ausgedrückt – weder in den sauren Apfel beißen noch eine Saure-Gurken-Zeit anbrechen, sondern das ist in einer aufgeklärten, globalisierten und multiethnischen Gesellschaft höchstens eines: Erste Sahne.