Round Table Thüringen Mittelstand braucht Unterstützung

Wohin geht die Reise von verpackten Lebensmitteln? Sind unverpackte Produkte in Anbetracht des kontinuierlich steigenden Aufkommens an Verpackungsabfällen zukunftsfähig? Wie reagieren Mittelständler auf die Herausforderungen?

Dienstag, 24. März 2020 - Hersteller
Silvia Schulz, Reiner Mihr
Artikelbild Mittelstand braucht Unterstützung
Bildquelle: Torsten Biel

Diese und andere Fragen diskutierten die mittelständischen Lebensmittelhersteller in einer Gesprächsrunde im thüringischen Schmalkalden. Dabei: Ekkehard Heilemann, Geschäftsführer „EWU Thüringer Wurst und Spezialitäten GmbH“, Andreas Steffen, Geschäftsführer „Viba Sweets GmbH“ und Fritjof Hahn, Geschäftsführer „Ablig Feinfrost GmbH“ in Heichelheim. Sie sind sich einig, Verpackung ist unverzichtbar, unverpackt ist keine Lösung. Aber insbesondere für die Mittelständler in der Nahrungsmittelbranche werden Lösungen von den Verpackungsherstellern gefordert.

In den vergangenen Jahren hat die Zahl der Unverpackt-Läden zugenommen und Unverpackt-Stationen gibt es nicht mehr allein im Bio-Markt. Immer mehr Supermärkte integrieren Regalgondeln mit Schüttbehältern voller loser Lebensmittel in ihrem Markt.
Ekkehard Heilemann: Das stimmt. Es gibt Verbraucher, die unverpackte Lebensmittel kaufen. Aber welcher Kunde möchte seinen kompletten Wochenendeinkauf im Unverpackt-Laden machen und die dafür dann notwendigen Behältnisse mitbringen?
Fritjof Hahn: Oder jedes Mal neue Behälter kaufen, wenn er sie vergessen hat.
Andreas Steffen: Das ist nur ein Aspekt. Hinzu kommt, dass es bei vielen Waren derzeit noch gar nicht möglich ist, sie lose zu verkaufen. Das fängt beim Platz im Markt an und hört bei hygienischen Anforderungen auf.

Sie als Hersteller denken also gar nicht darüber nach, dem Handel Produkte lose anzubieten?
Steffen: Aber sicher. Wir von Viba sind ja in der komfortablen Situation, den Verkauf von losen Waren in unseren eigenen Shops zu testen. Ein Beispiel gefällig?

Aber gerne doch.
Steffen: Die Viba Minis bieten wir lose und im Beutel an. Lose sind sie günstiger und dennoch greifen Kunden viel lieber auf die abgepackten im Beutel zurück. Obwohl damit mehr Verpackung anfällt.
Hahn: Seit einiger Zeit bieten wir wieder unser Hexen-Eis an. Hier fehlen erstens die Möglichkeiten zum Selbstzapfen und zweitens, wer will im Supermarkt schon loses Eis – und damit zum Sofortverzehr – haben? Das gilt nicht nur für Eis sondern meines Erachtens für Tiefkühlkost prinzipiell. Auch bei Molkereierzeugnissen wird es schwer, sie lose zu verkaufen. Eine Milchtankstelle ist gut, aber Joghurt zum Zapfen aus dem Automat? Mit Früchten für die Frau, mit Schokolade für die Kids und für den Mann mit...? Und nicht vergessen: Hygiene hat bei Lebensmitteln immer absolute Priorität.

Halten wir fest. Unverpackt-Läden sind – aus heutiger Sicht- trendy, stark standortabhängig und sie sind keine umfassende Lösung in der Verpackungsfrage. Die bleibt. Was tun Sie konkret?
Hahn: Das Thema Verpackung treibt uns natürlich um. Dabei haben wir Mittelständler es schwerer als die Großen der Branche.

Warum?
Hahn: Wir sind darauf angewiesen, was uns die Verpackungsproduzenten anbieten. Wir haben keine eigenen Forschungsabteilungen und wir haben auch nicht das Geld, Firmen mit der Forschung zu beauftragen. Verpackung ist heute ein High tec-Produkt. Interessant und wahrscheinlich auch hilfreich wäre, wenn es zum Thema Verpackung ein branchenübergreifendes Forum geben würde. Ähnlich wie die Firmenbesichtigungen innerhalb des Thüringer Netzwerks. Hier lernen wir voneinander und der Erfahrungsaustausch ist die billigste Investition.
Heilemann: Ich denke, jede Branche hat spezielle Bedürfnisse. Soll heißen, die Produkte und damit die Verpackungen sind zu unterschiedlich. Fürs Netzwerken ist es prima, aber zum Thema Verpackung nicht zielführend. Für viele Produkte ist Glas die sicherste Verpackung. Und sie hat einen hohen Recyclinggrad. Glas ist für unsere Produkte bestens geeignet. Genauso wie Dosen und sie sind ressourcenschonend. Doch Glas bietet sich nicht für jedes Produkt an.
Hahn: Stimmt. Ich habe hier ein Beispiel, das ist mehr als 40 Jahre alt. Es ist eine Verpackung für (fast) alle Tiefkühlwaren und recycelbar. Nur der Aufkleber war produktspezifisch. Das Ganze liegt schon lang zurück und stammt aus der DDR. Doch bei dem, was heute alles auf dem Etikett stehen muss – leider unvorstellbar.

Was ist zu tun? Wo sehen Sie Ansatzpunkte?
Steffen: Wie bereits erwähnt, Verpackung ist ein vielschichtiges Thema. Wichtig ist, sich mit der Verpackungsindustrie auszutauschen: Was ist machbar, was machen andere, was entspricht den hygienischen Vorschriften und ähnliche Fragen gehören auf unsere Agenda.
Heilemann: Richtig. Wir werden uns demnächst auch mit unseren Verpackungsmittelherstellern an einen Tisch setzen, denn wir sind dichter dran am Kunden als die Verpackungshersteller. Überspitzt gesagt, wir werden vom Handel getrieben und wir müssen die Verpackungshersteller treiben. Auch wenn wir auf sie angewiesen sind.
Hahn: Wir dürfen auch nicht vergessen, Verpackung ist eine Generationsfrage. Die Jungen wollen heute von uns wissen, was wir machen. Für uns kommen dabei nur nationale Verpackungsmittelhersteller infrage. Nur das ist ökologisch sinnvoll.
Steffen: „Und Verpackung ist differenziert zu betrachten. Nehmen wir Pralinen. Die stehen bei der Generation Greta nicht auf dem Einkaufszettel. Aber dennoch muss es unser Ziel sein, Verpackung einzusparen und sie einhundert Prozent recycelbar zu machen – bevor Pralinen für diese Generation relevant werden.“

Verpackung ist nicht eindimensional. Verbraucher, Handel, Hersteller und Staat haben Anforderungen an sie. Gibt es bei der Vielfalt und damit Unterschiedlichkeit auch Gemeinsamkeiten?
Steffen: „Wichtig und richtig wäre es, wenn die Dachverbände für Verpackung und Lebensmittel sich zusammensetzen, um ‘miteinander‘ vorzudenken, denn wie sagt es die junge Generation so schön, wir haben nur diese eine Erde, deshalb gilt es, sich für eine zukunftsfähige, enkeltaugliche, offene Gesellschaft einzusetzen. Dazu gehört auch die Verpackung. Wobei die Lösungen in Bezug auf die Verpackungen bezahlbar sein müssen.“
Hahn: „Ich finde, es gibt nicht die eine Lösung. Viele kleine Mosaiksteinchen setzen sich zu einem großen Ganzen zusammen. Deshalb können zum Beispiel Kartoffeln in Papiertüten auch zum Gelingen beitragen. Jeder Einzelne kann seinen Beitrag leisten und die Zusammenarbeit innerhalb der Branche, im Netzwerk und übergreifend ist nicht nur wichtig sondern unverzichtbar.“

Bei aller Einigkeit der teilnehmenden Firmenvertreter – viele Fragen stellen sich nicht nur den drei Diskutanten: Was ist mit dem Megatrend Convenience? Der braucht zweifelsfrei eine Verpackung und forciert den Verpackungsabfall. Sind hier recycelbare und nachwachsende Rohstoffe wirklich eine nachhaltige Lösung? Was passiert, wenn sich die „bessere“ Verpackung auf den Preis auswirkt? Ist der Verbraucher bereit, dafür zu bezahlen? Ist das Thema Verpackung auch Ideologie? Ist der „Generation Greta“ klar, dass sie das Richtige in Sachen Verpackung fordert, es aber aktuell die Elterngeneration im Supermarkt bezahlen muss?