Round Table Sachsen Konzentration im Handel schwächt die Marke

Schwierige Rohstoff-Beschaffung, Kostensteigerungen, Preiskampf, Mitarbeiter-Rekrutierung – Sorgen und Probleme wie überall. Aber sächsische Unternehmen haben es oft schwerer, in nationale Listungen zu kommen, als westdeutsche Hersteller. Woran das liegt, diskutierten drei Vertreter der sächsischen Ernährungsbranche im Gespräch mit der LP.

Montag, 05. November 2018 - Hersteller
Reiner Mihr
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Bildquelle: Santiago Engelhardt

Wer im harten Wettbewerb der deutschen Ernährungsbranche überlebt, hat seinen Platz im Markt gefunden. Das gilt auch und gerade für die Wurzener Nahrungsmittel GmbH mit Geschäftsführer Stefan Kuhl, für die C. F. Rolle GmbH Mühle mit Geschäftsführer Thomas Rolle und die Friweika eG mit Marko Wunderlich, ihrem Vorstand.

Teilnehmer
  • Thomas Rolle von der Rolle- Mühle (v. l.)
  • Stefan Kuhl von der Wurzener Nahrungsmittel GmbH
  • Marko Wunderlich von Friweika Kartoffelverarbeitung
  • Reiner Mihr, Chefredakteur der Lebensmittel Praxis.
  • Silvia Schulz, LP-Mitarbeiterin in den fünf jungen deutschen Bundesländern.

Wie laufen die Geschäfte? Was beschäftigt Sie gerade besonders?
Stefan Kuhl: Das Geschäft geht gut. Wir wachsen zweistellig. Das Hauptabsatzgebiet unserer Produkte sind die neuen Länder. Einige Artikel sind auch deutschlandweit gelistet. Aber es gibt auch Probleme. Verpackung wird immer teurer, der Mindestlohn steigt, und dann ist da noch der Preiskampf und Wettbewerb im Handel. Auch der Rohstoffmarkt wird komplizierter.

Marko Wunderlich: Da stimme ich zu. Wir haben es mit latenten Preissteigerungen in allen Bereichen zu tun. Doch die Preiserhöhungen können und werden nicht eins zu eins weitergegeben. Eine weitere große Aufgabe ist die Mitarbeiter-Rekrutierung. Das wird immer schwieriger. Heute müssen sich Unternehmen beim Mitarbeiter „bewerben“ und nicht der Mitarbeiter beim Unternehmen. 2002 hatten wir 200 Mitarbeiter, heute sind es 400. Unsere Firma ist natürlich für die marktstarken Handelsunternehmen ein kleiner Partner, aber ein etablierter. Wir investieren daher verstärkt in Technik. Unser Projekt 2020 sieht neue technologische Prozesse vor. Überaus anspruchsvoll sind die steigenden Anforderungen aus den Zertifizierungen. Auch dass Ernährung für den Konsumenten zur Religion geworden ist, müssen wir bei der Produktion und Vermarktung berücksichtigen.

Thomas Rolle: Wir als nicht ganz so klassische Mühle sind der Spezialist für Spezialitäten. Das macht uns aus. Urgetreide, Gelbweizen, Champagnerroggen sind angesagte Produkte, die nicht jeder hat. Das können wir aber nur anbieten, weil wir mit der Landwirtschaft eng zusammen arbeiten und das so gemeinsam initiiert haben. Wir bieten zunächst mal konventionelle Produkte an, die meist in der Region verbleiben. Unsere Bio-Produkte werden aber über die regionale Grenze hinaus vertrieben, und unsere Spezialitäten finden auch deutschlandweit Absatz. Wir bieten zum Beispiel den Original Dresdner Stollen in Bio-Qualität an. Zudem haben wir den Verband der Erzgebirgischen Stollenbäcker ins Leben gerufen. Dieses einzigartige Produkt, das sich vom Dresdner Stollen auch in der Konsistenz unterscheidet, vertreiben wir – neben den Bäckern – als Einziger weltweit.

Kleiner Exkurs: Wo sehen Sie die Zukunft der handwerklichen Bäcker?
Rolle: Sie sind die Nische in der Nische. Wenn sie Qualität liefern, und auf echtes Handwerk setzen, haben sie eine goldene Zukunft. Zudem bin ich überzeugt davon, dass die Macht der Handelskonzerne nicht nur im Backgeschäft in 10 bis 15 Jahren sinken wird.

Warum das denn?
Rolle: Weil der Verbraucher dann auch seine Lebensmittel – wie in anderen Ländern und wie heute schon viele andere Produkte – online einkaufen wird.

Lassen wir mal so stehen. Was macht Ihre Unternehmen eigentlich besonders?
Wunderlich: Wir sind regional verwurzelt, und die Organisation als Genossenschaft macht unsere Stärke aus. Unsere Produkte überzeugen in Qualität und durch kurze Wege. Als Firma stellen wir uns auf die Bedürfnisse unserer Kunden ein. Das ist ein echter Wettbewerbsvorteil besonders auch im B-to-B-Geschäft.

Kuhl: Der Regional-Aspekt ist entscheidend. Vor ein paar Jahren dachte ich noch, Bio macht den Unterschied. Doch heute weiß ich, es ist die Regionalität. Unsere Kernkompetenz ist unsere Flexibilität. Als mittelständisches Unternehmen versuchen wir schneller zu reagieren als die Großen der Branche.

Rolle: Wie bereits ausführlich erklärt, wir sind der Spezialist für Spezialitäten.


Wie definieren Sie Regionalität?
Rolle: Jeder versteht unter der Region etwas anderes. Die sächsische Regierung wollte ein Zeichen einführen. Der Plan ist aber gescheitert.

Wunderlich: Regionalität darf sich nicht nur auf den Rohstoff beziehen. Für uns ist Region mehr als das Bundesland. Die angrenzenden gehören für uns zur Region.

Kuhl: Wir betrachten Ostdeutschland als unsere Region.

Auf welche Produkte legen Sie den Fokus?
Kuhl: Snacks sind bei uns das Schwergewicht. Die Flips sind immer noch der Hit. Daher wollen wir auch unsere Kompetenz im wachsenden Snackmarkt ausbauen. Dann folgen Haferflocken. Porridge ist derzeit angesagt, und daher haben wir auch Porridgeflocken im Angebot. Das ist für Ostdeutsche – für Westdeutsche sicher auch – recht lustig, Haferbrei wird jetzt modern….

Wunderlich: Unser Geschäft ist stark von saisonalen Schwankungen geprägt, beispielsweise Weihnachten mit Knödel- und Kloßteig. Insgesamt sind es die frischen Produkte, die dem Konsumenten Zeitersparnis bringen. Hier liegt nach wie vor Potenzial. Im Markengeschäft sind wir regional, im „Osten“ erfolgreich, bei einigen Produkten auch national. Darüber hinaus sind wir Handelsmarkenproduzent.

Rolle: In der Region sind wir der Versorger für die Bäcker. Wir haben das beste Mehl weit und breit. Es ist handwerklich hergestellt, zeichnet sich durch Qualität aus und erzählt eine Geschichte. Die Spezialitäten werden wir weiter ausbauen. Dazu zählen die Erzgebirgsstollen und das Urgetreide. Damit bedienen wir die Kundenbedürfnisse, und unsere Dachmarke hilft uns dabei. Ausbaufähig ist auch das Gelbweizenmehl, wer das einmal verwendet hat, wird kein anderes Mehl mehr nehmen.

Gehen Sie mit Ihren Firmen auch andere Vermarktungs- und Absatzwege als den Lebensmittelhandel?
Kuhl: Wir bei Wurzener haben drei Standbeine: das Marken-, das Handelsmarken- und das Industriegeschäft. Unser wichtigster Partner ist der LEH. Unser Ziel ist es, noch mehr regionale Bio-Produkte herzustellen. Denn auch der Reform- und Bio-Handel sind potenzielle Kunden. Zudem betreiben wir seit zehn Jahren einen Onlineshop.

Wunderlich: Wir haben es bereits vor vielen Jahren auch mit einem eigenen Onlineshop versucht, aber frische Produkte alleine zu vertreiben, ist schwierig. Daher bieten wir sie über eine Plattform an. Zudem ist es schwierig, die Kartoffel als Monoprodukt zu vertreiben. Die Kartoffel allein ist einfach zu wenig sexy. Unser Kerngeschäft ist der LEH, aber auch Gastronomie und Hotellerie werden von uns bedient. Und auch wenn der Pro-Kopf-Verbrauch an Kartoffeln inklusive verarbeiteter Produkte auf 50 Kilogramm zurückgegangen ist, verzeichnen wir eine Absatzsteigerung.

Rolle: Unsere Abnehmer sind – wie gesagt – das Bäckerhandwerk, der Bio-LEH und der klassische LEH. Zudem haben wir einen eigenen Onlineshop. Der ist klein, aber wichtig, auch als Informations-quelle.


Welche Rolle spielt die Marke?
Kuhl: Wir sind im Markengeschäft und Handelsmarkengeschäft tätig. Die Marke ist wichtig, um Trends zu setzen. Doch mit der Konzentration im Handel wird die Position der Marke leider nicht leichter. Damit der Anteil des Markengeschäfts ausgebaut werden kann, haben wir unser Werbekonzept auf die neuen Bundesländer zugeschnitten.

Wunderlich: Den Markennamen Friweika gibt es erst seit 1990. Wir müssen die Marke mehr etablieren, und das nicht nur bei Kunden, sondern auch bei den eigenen Mitarbeitern. Denn wenn die sich wohlfühlen und sich mit dem Unternehmen verbunden fühlen, erzählen sie in ihrem Umfeld auch gut und gerne über die Firma.

Rolle: Unsere Dachmarke „Landgemacht“ hat dem Absatz gut getan und bringt mehr Aufmerksamkeit.

Hat man es heute als ostdeutscher Hersteller schwer oder ist es schwieriger als für andere Firmen?
Rolle: Es ist sicher schwierig, aber speziell uns fehlt der Vergleich und wir sind weniger betroffen...

Kuhl: Als Firma aus den neuen Bundesländern muss man etwas „Besonderes“ bieten. Als Wurzener in westdeutsche Regale zu kommen, ist immer noch schwierig.

Wunderlich: Der LEH probiert ostdeutsche Produkte sehr selten national aus. Warum eigentlich? Was ist an der Region in Mecklenburg, in Brandenburg oder Sachsen so anders als im Saarland, Hessen, NRW? Aber der Einkauf im Lebensmittel-Einzelhandel bewertet das oft anders. Möglicherweise liegt die Ursache auch darin begründet, dass die Handelsunternehmen oftmals ihre Zentralen nicht in den neuen Bundesländern haben.

Interessante Erklärung und bedenkenswert. Wo sehen Sie Ihre Firmen in fünf Jahren?
Rolle: Ich persönlich ziehe mich so langsam aus dem operativen Geschäft zurück. Zwei Kinder sind bereits in der Firma tätig. Die sechste Generation ist für die Übernahme bereit. Unsere Produkte sind Rohstoffe mit Gesicht und Geschichte und werden sich weiter behaupten. Zunehmen wird die Nachfrage nach Dienstleistungen, wie etwa Erbsenmahlen. Hier sind Wachstumschancen, die wir bedienen.

Wunderlich: Die Manufakturarbeit wird wichtiger. Handwerkliche Arbeit und Spezialitäten, da liegt unser Potenzial. Diese Herausforderung nehmen wir an und werden sie mit Leben erfüllen.

Kuhl: Die historischen Mühlentürme bei Wurzener symbolisieren das heimliche Wahrzeichen der Stadt Wurzen und unserer Marke. Das ist gut so, und so soll es weiterhin bleiben. Daneben müssen wir unsere Kostenführerschaft als Handelsmarkenhersteller weiter ausbauen, um weiter gefragt zu sein.

Wo sehen Sie für Ihr Unternehmen die größten Hindernisse für die nächsten Jahre?
Wunderlich: Zertifizierungen sind ein Problem. Sie bedeuten einen enormen Zeitaufwand, den kleinere Firmen nicht leisten können. Mittlerweile hat sich schon eine ganze Zertifizierungs-Industrie entwickelt, denn die Partner verlangen Zertifizierungen. Zudem fehlt eine Schiedsstelle für Abweichungen. Und eine große Frage ist: Was passiert ab 2019 in England? Der Brexit wird auch für uns ein großes Thema.

Rolle: Man könnte es „Mittelstandsvernichtungsprogramm“ nennen, was sich in den letzten Jahren entwickelt hat. Es gibt zu viele Vorschriften, wovon einige fraglich sind. Für die großen Firmen stellen sie kein Problem dar, aber für kleine Betriebe und Mittelständler schon. Hier muss etwas geschehen.