Nanotechnologie Die Macht der Zwerge

Alle reden drüber, aber kaum jemand weiß, was dahinter steckt: Nanotechnologie. Insbesondere, wenn es um Lebensmittel geht, polarisiert das Thema.

Sonntag, 05. Juni 2011 - Hersteller
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Nanomaterialien gelten als Zukunftstechnologie schlechthin, der Markt ist milliardenschwer. Sie haben – fast unbemerkt – schon in fast alle Bereiche des täglichen Lebens Einzug gehalten: Es gibt nanobeschichtete Oberflächen, die Schmutz abweisen, ebenso Küchengeräte mit antimikrobieller Beschichtung. Mit Silberpartikeln in Nanogröße modifizierte Textilien verhindern, dass der Träger beim Sport nach Schweiß riecht und Nanopartikel in Kosmetika wirken als UV-Filter. Lacke mit Nanotechnologie sind kratz- und abriebfester als solche ohne. Nanopartikel in Lebensmitteln und Lebensmittelverpackungen sorgen dafür, dass Wurst länger frisch aussieht und Käse länger schmeckt. Spätestens hier beginnen die kleinen Teilchen zu polarisieren, insbesondere dann, wenn es um ihren Einsatz in Lebensmitteln selber geht. Von unerforschten und unkalkulierbaren Gesundheitsrisiken ist die Rede. Die Konsumenten sind verunsichert, der Handel neigt zu angsterfüllter Ablehnung. Kein Wunder, denn viele Menschen können nicht einmal zuordnen, was Nanotechnologie eigentlich ist. In einer aktuellen Befragung des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR) wusste nur jeder Zweite, wo ihm der Begriff „Nanotechnologie" schon einmal begegnet ist.G

rundsätzlich ist „Nano" erst einmal nichts weiter als eine Größenangabe: Ein Nanometer (nm) ist der milliardste Teil eines Meters. Nanoteilchen haben Größen von näherungsweise 1 nm bis 100 nm. Körnchen aus dem Salzstreuer sind im Vergleich zu Nano-Teilchen also riesige Klumpen. Eine Eigenschaft macht diese Winzlinge so besonders: Durch ihre extreme Verkleinerung bei gleichbleibendem Volumen wird ihre Gesamtoberfläche riesig. Und dadurch sind sie bei physikalischen und chemischen Reaktionen wesentlich reaktionsfreudiger als größere Partikel des gleichen Stoffs. Unlösliche Vitamine wie das Koenzym Q10 sind beispielsweise in Nanogröße doch wasserlöslich. Die Nanotechnologie erforscht die Prozesse rund um die Teilchenzwerge und entwickelt darauf basierend neue Produkte: Neue Eigenschaften eröffnen neue Möglichkeiten, und darin liegt das Potenzial der Nanotechnologie - technologisch wie auch wirtschaftlich. Doch genau das ist auch der Stein des Anstoßes. Gehen sie möglicherweise im menschlichen Körper munter neue Verbindungen ein, die ungewollt sind? Das ist bisher kaum erforscht. Man kann jedoch nicht sagen: „Die Nanotechnologie per se ist risikobehaftet", sondern man muss dies sauber für jeden Stoff, für jede Anwendung, für jede Produktkette aufdröseln. Abhilfe schaffen würde hier ein Produktregister, das Nanoprodukte erfasst, sobald sie das Labor verlassen. Denn der Hersteller eines Produkts weiß, dass es auf Nanostoffen basiert. Der Händler wahrscheinlich schon nicht mehr, der Käufer ganz sicher nicht. Ein solches Produktregister würde für Transparenz sorgen und auf Unwissenheit basierende Überreaktionen vermeiden.

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Aus dem Labor auf den Teller: Handel und Verbraucher lehnen Nanotechnologie in Lebensmitteln ab.