Aromenindustrie Natürliche Alternativen

Der Trend „Frei von“ stellt Hersteller von Zusatzstoffen wie Aromen und Farben vor neue Herausforderungen. Sie fordern eine stärkere Aufklärung der Verbraucher.

Mittwoch, 01. September 2010 - Hersteller
Bettina Röttig

Erdbeergeschmack ist ein Paradebeispiel für die Aromenindustrie. Immer wieder wird auf die beliebte Frucht zurückgegriffen, wenn es darum geht, die Unverzichtbarkeit von Aromen in Lebensmitteln und Getränken zu verdeutlichen. „Solange der Konsument auch im Winter Joghurt mit Erdbeergeschmack nachfragt, kann auf den Einsatz von Aromen nicht verzichtet werden“, betont Christoph Beck, Vice President Marketing BtB Europe der Rudolph Wild GmbH. Zu knapp ist die verfügbare Menge der Früchte.

Aromen sind grundsätzlich relevant für alle Produktkategorien in den Segmenten Süßwaren, Getränke, Milcherzeugnisse, herzhafte Produkte, Backwaren und Snacks. Sie leisten ebenso wie Farbstoffe einen wichtigen Beitrag, da sie die jederzeitige Verfügbarkeit von bestimmten Lebensmitteln und deren gleichbleibende Qualität sicherstellen, betont die Zulieferindustrie unisono. Dass in absehbarer Zukunft die Nachfrage nach Aromen und Farbstoffen einbricht, ist demnach unwahrscheinlich. Dennoch ist „Frei von“ auch für die Hersteller dieser Zusatzstoffe zu einem essenziellen Thema geworden. Immer häufiger kommen Produkte in die Regale des Handels, die mit dem Aspekt „ohne Aromen und Farbstoffe“ werben. Damit stellt der Trend zum Clean Labelling auch Produzenten von Aromen und Farbstoffen vor neue Heraus-Forderungen. Alternative Konzepte und Produktlösungen sind gefragt, aber auch eine stärkere Aufklärung der Verbraucher.

„Produkte, die komplett auf Aromen und Farben verzichten möchten, benötigen einen sehr hohen Anteil an geschmacks- und farbgebenden Inhaltsstoffen aus den namensgebenden Quellen. Dies ist durchaus möglich. Im gesamten Spektrum gesehen, bilden diese Varianten jedoch eine Minderheit“, erklärt Beck das wesentliche Problem der Produktentwickler. Das K.-o.-Kriterium ist hierbei der hohe Endverbraucherpreis. Die Erdbeere ist nur ein Beispiel für die naturgegebene Knappheit vieler Ressourcen. Würde man die Gesamtfläche der Erde für den Anbau von Erdbeeren nutzen, könnte der weltweite Bedarf gerade einmal zu 20 Prozent gedeckt werden, weiß man beim Fruchtsaftkonzentrat- und Aromen-Hersteller Döhler. Die Vanille ist ein weiteres Beispiel. Wollte man den Bedarf an Vanille nur aus natürlicher Vanille decken, würde die Weltproduktion an Schoten gerade den Bedarf der Bundesrepublik Deutschland decken, informiert der Deutsche Verband der Aromenindustrie (DVAI). Ohne den Einsatz von Aromen würde es bestimmte Lebensmittel nicht geben.

„Der Trend Clean Labelling bedeutet jedoch nicht generellen Verzicht auf Aromen und Farbstoffe, sondern oft die Änderung bestehender Rezepturen mit Blick auf natürliche Inhaltsstoffe“, erklärt Christoph Beck. Wild, nach eigenen Angaben weltweit ein führender Hersteller von natürlichen Ingredienzen für die Nahrungsmittelindustrie, verzeichnet eine wachsende Nachfrage von Lebensmittel- und Getränkeherstellern nach natürlichen Produktlösungen. Auch für die Aromenhersteller Van Hees und Döhler ist der Trend „Frei von“ deutlich spürbar. Auch sie haben Konzepte auf der Basis natürlicher Ingredienzen entwickelt.


Beispiel für Alternativen sind genannte FTNF-Aromen (From the Named Fruit), die ausschließlich über schonende Extraktion aus der namensgebenden Frucht gewonnen werden. Doch mit dem Austausch einer Komponente ist es nicht getan. „Rezepturen müssen immer als Ganzes betrachtet werden. Dreht man an einer Schraube, müssen auch die übrigen nachjustiert werden“, heißt es bei Döhler.

Komplexer wird es vor allem dann, wenn der Wunsch nach Natürlichkeit kombiniert wird mit weiteren Anforderungen. Beispiel: Kalorien- und zuckerreduzierte Lebensmittel. „Da Zucker einer der maßgeblichen Geschmacksträger ist, würde das Endprodukt bei Verzicht auf Zucker einen faden, unerwünschten Geschmack erhalten. Natürliche Aromen können dieses Defizit zu einem gewissen Teil auffangen und für ein rundes Geschmacksprofil sorgen“, erklärt Beck. Das Unternehmen Döhler aus Darmstadt hat eigens eine „Sweet Flavour Technology“ auf der Basis natürlicher Aromen entwickelt, die den metallischen Nachgeschmack überdecken, der zum Teil durch künstliche Süßungen entstehen kann. Darüber hinaus arbeiten sowohl Wild als auch Döhler an der Kombination von weniger Zucker mit dem natürlichen Süßstoff Stevia, der bisher nur in Frankreich für die Lebensmittelproduktion zugelassen ist. Auch für die Natriumreduktion in Fertigprodukten hat die Industrie Lösungen mit funktionalen, natürlichen Aromen geschaffen.

Es ist besonders das Halbwissen der Verbraucher, das Herstellern von Zusatzstoffen zu schaffen macht. Auch Farbstoffe werden mit E-Nummern gekennzeichnet und somit als künstlich und damit negativ wahrgenommen. Zum Teil zu Unrecht, denn auch natürliche Farbstoffe tragen E-Nummern. „Festzustellen ist sicherlich, dass Aromen oftmals negativ belegt sind“, so die Erfahrung des DVAI. „Dies liegt meist am mangelnden Wissen über Aromen. Die Aromenindustrie unterliegt weitreichenden gesetzlichen Auflagen, die garantieren, dass Aromen gesundheitlich unbedenklich sind.“ „Wer sich genauer mit der Beschaffenheit von Lebensmittelzusatzstoffen befasst, wird erkennen, dass beispielsweise hinter der europäischen Standardisierungsnummer E300 hochwertige Ascorbinsäure steht, die essenziell für unsere Ernährung benötigt wird“, verdeutlicht Robert Becht, Leiter Marketing Van Hees. „Umfassendes Informieren ist eine ganz wichtige Maßnahme zur Vermeidung vorschneller Aburteilungen“, bringt er das Dilemma seines Industriezweieges auf den Punkt.

Allgemein ist es für die Aromenindustrie jedoch schwierig, diese Aufgabe zu übernehmen, da sie als Zulieferindustrie in der Regel keinen direkten Kontakt zum Verbraucher hat, heißt es beim Aromenproduzenten Silesia. Informationen sollten sowohl von Herstellern als auch von Fachinstitutionen wie Gesundheitsämtern oder Verbraucherverbänden den Verbrauchern stärker vermittelt werden, fordert Becht. Die Rolle des Informationsvermittlers übernimmt auch der Deutsche Verband der Aromenindustrie. Mit der Informationsbroschüre „Auf den Geschmack kommen“ hat der Verband einen ersten Schritt in Richtung Aufklärung getan. Die Broschüre veranschaulicht in verständlicher Weise, was Aromen sind, welche Arten von Aromen es gibt und wie sie hergestellt werden. Die Broschüre steht auf der Webseite des DVAI zur Verfügung.

{tab=Fakten zu Aromastoffen}

Rund 15 Prozent aller in Deutschland verzehrten Lebensmittel sind aromatisiert. Somit verzehrt jeder Bundesbürger pro Jahr 137 kg aromatisierte Lebensmittel. Umgerechnet ergibt sich daraus ein Aroma-Verzehr von 137 g pro Jahr.

70 Prozent dieser Aromen sind natürliche, 28 Prozent naturidentisch und 2 Prozent künstlich.

In der Natur kennt man etwa 4.000 verschiedene Aromastoffe, die sich letztendlich in natürlichen Aromen (Extrakten aus Pflanzen) wiederfinden. Die Industrie arbeitet selbst nur mit etwa 2.700 verschiedenen Aromastoffen.

Homepage des DVAI: www.aromenhaus.de