Interview Stefan Jensen - Campari „Der Handel könnte mehr Geld verdienen, wenn ..."

Stefan Jensen, Managing Director Business Unit Central Europe bei Campari, spricht im LP-Interview über Marketing in Deutschland, Wachstum, steigende Preise, Out of Stocks und die Zusammenarbeit mit dem Handel.

Mittwoch, 20. April 2011 - Hersteller
Tobias Dünnebacke, Reiner Mihr
Artikelbild „Der Handel könnte mehr Geld verdienen, wenn ..."
Bildquelle: Hangen

Campari Deutschland hat sich schon lange von einem Mono-Marken-Anbieter zu einem Anbieter einer breiten Marken-Palette im Spirituosenregal entwickelt. Auch Wein und Softdrinks sind im Programm der Gruppe. Dabei haben die Marketing-Strategen in der Dependance in Oberhaching bei München neben dem handwerklichen Geschick auch das Glück einer Marktentwicklung, die dem eigenen Programm entgegenkommt.

Herr Jensen, im Gegensatz zu deutschen Erzeugnissen wachsen Import-Spirituosen wie beispielsweise italienische Aperitifs. Sie profitieren mit Marken wie Campari oder Aperol von dieser Entwicklung. Machen Sie sich mit diesen beiden Marken nicht selbst Konkurrenz?
Stefan Jensen: Nein. Aperol verbreitet das Aperitif-Segment insgesamt und wächst laut Marktforschung vornehmlich u.a. zulasten von Wein, Bier- und Biermischgetränken. Dies schafft erheblichen Mehrwert im LEH, da die Margen bei Spirituosen höher sind. Es ist aus unserer Sicht besonders erfreulich, dass Aperol eben nicht zulasten des Klassikers Campari wächst, denn der hat sich ja mit einem Absatzzuwachs von 5 Prozent ebenfalls gut entwickelt. Aperitifs haben sich in den vergangenen Jahren generell außerordentlich positiv entwickelt. 2010 stieg der Verkauf beispielsweise im Lebensmittel-Einzelhandel und Drogeriemärkten um 23 Prozent. Die Entwicklung unserer wachstumsstärksten Aperitif-Marke Aperol liegt im dreistelligen Bereich.

Nutzt der Handel die Chancen, die das Spirituosenregal bietet, ausreichend?
80 Prozent unseres Geschäfts machen wir im Lebensmittel-Einzelhandel. Der Handel könnte wahrscheinlich weit mehr Geld verdienen, wenn er sich mehr mit Spirituosenkategorien und –marken sowie deren Entwicklung beschäftigen würde. Warum sollte es z. B. in der Kleinfläche nicht mehr als zwei Facings für ein derzeit sehr erfolgreiches Produkt geben? Langfristige Out-of-Stock-Situationen schaden nicht nur uns, sondern auch dem Händler. Erfahrungsgemäß dauert es aber sehr lange, bis ein bestehendes Planogramm einmal geändert wird. Wir wünschen uns von Seiten des LEH mehr Bereitschaft für Category Management. Wir bieten unsere Unterstützung an.

Wie ist das auffällige Wachstum von Aperol zu erklären?
Die Marke polarisiert kaum, ist leicht und unkompliziert zuzubereiten und bei Frauen und Männern, Jung und Alt, gleichermaßen beliebt. Es darf auch nicht vergessen werden, dass sie im vergangenen Jahr die am stärksten beworbene Einzelmarke der Spirituosen-Branche war. Ein großer Trend ist „Aperol Spritz". Dieser Drink ist die Säule des Erfolgs und Teil unserer Marketing-Kampagne. Wir erreichen damit junge wie auch ältere Konsumenten.

Wann ist der Zenit erreicht? Ein dreistelliges Wachstum kann es schließlich nicht auf Dauer geben.
Wir sehen noch erhebliches Wachstumspotenzial. Die Marke hat sich vor etwa 3 Jahren vom Süden (Bayern, Baden-Württemberg) gen Norden stetig weiter entwickelt und hat gerade außerhalb der Metropolen noch lange nicht ihren Zenit erreicht.

Anfang des Jahres wurde das Campari-Portfolio auch um vier Likör-Marken erweitert. Warum setzt Campari gerade auf diesen in Deutschland stagnierenden Markt?
Die neuen Akquisitionen Carolans, Irish Mist und Frangelico sind Ergänzungsmarken, die das Portfolio abrunden. Sie spielen noch nicht in der Top-Liga, aber das kann sich noch ändern. Wir sind in Deutschland ja in diesem Bereich bereits seit 2009 mit der sehr erfolgreichen Marke Licor 43 präsent (35 Prozent Absatzwachstum 2010). Großes Potenzial sehen wir bei dem Haselnusslikör Frangelico aus dem Piemont. Die wichtigste Erweiterung unseres Portfolios ist aber Disaronno Originale, Italiens führende Likör-Marke. Das ist ein schöner Zugewinn, eine ikonische Marke, für die es einiges zu tun gibt.

Ein spektakulärer Schritt war 2009 die Akquisition der weltweit führenden Kentucky-Bourbon-Marke Wild Turkey für 433 Mio. Euro durch die Campari-Gruppe. Ist auch für den deutschen Markt geplant, die Marke aufzubauen?
Im Whisky-Segment gibt es natürlich viel Konkurrenz. Wir müssen auch nicht unbedingt zu jeder Zeit überall vertreten sein. Für Deutschland steht Wild Turkey bis jetzt nicht im Fokus unserer Bemühungen im LEH.

Mit Skyy und Russian Standard haben Sie auch zwei Premium-Wodka-Marken im Portfolio. Wodka ist ein preisaggressives Segment, in dem der Handel mit seinen eigenen Marken der Industrie Anteile streitig macht. Wie bewerten Sie dieses Umfeld?
Bei Wodka ist der Handelsmarken-Anteil in der Tat sehr hoch. Allerdings muss man hier zwischen unterschiedlichen Konsumenten und Konsumanlässen unterscheiden. Im Preiseinstiegsbereich geht es unserer Überzeugung nach eher um Wirkungstrinken, wobei für einen besonderen sozialen Anlass zu Marken-Wodka gegriffen wird. Wodka spricht vor allem auch die jüngeren Konsumenten an, welche die Spirituose als Basis für eine Vielzahl von Longdrinks und Cocktails nutzen. Russian Standard zeigt mit einem Wachstum von 21 Prozent (Absatz) und 18 Prozent Umsatz – zusammen mit dem US-amerikanischen Wodka Skyy (+110 Prozent Umsatzsteigerung) die beste Performance im vergangenen Jahr laut Nielsen. In diesem Segment ist also nach wie vor Spielraum, auch und vor allem für Markenprodukte.

Stichwort Cocktails: Einzelne Drinks haben immer eine entscheidende Rolle bei der Vermarktung gespielt, wie beispielsweise Spritz (Aperol) oder Blanco 43 (Licor 43). Auf den neuesten Trend der vorgemixten Cocktails haben Sie noch nicht reagiert. Warum nicht?
Wir glauben ein wichtiger Aspekt für den stilvollen Spirituosen-Genuss und das Mixen ist die Zubereitung, d. h. das eigene Mixen. Dies gilt sowohl für viele Verbraucher als auch für einen großen Teil der Gastronomie. Deshalb sind diese Arten von Fertigmixes bei den Barkeepern der meinungsbildenden Top-Gastronomie/Bars in der Regel wenig beliebt. Ob sich Ready-To-Serve-Mixes langfristig durchsetzen, muss erst noch abgewartet werden.

Missernten, Spekulationen und der weltweit steigende Verbrauch führen zu extrem volatilen Rohstoffmärkten. Welche Auswirkungen hat das auf die Preise?
Wir sind besonders betroffen von den steigenden Preisen bei Glas, Zucker und Energie. Das sind große Kostenblöcke, die unweigerlich zu Preiserhöhungen führen. Die Preiserhöhungen gehen aber vom Mutterkonzern aus, da wir hier in Deutschland ja nicht produzieren. Worüber ich aber sehr froh bin, ist, dass es sich bei uns nicht vordergründig um ein Volumengeschäft, sondern eher um ein Wertgeschäft handelt. Zentral ist die Premium-Positionierung und die zeigt sich unter anderem auch durch einen Flaschenpreis von mehr als 10 Euro. Derzeit ist eine Preiserhöhung für einen Großteil der Marken im Gange. Umso wichtiger ist es deshalb, den Bekanntheitsgrad, die Aktualität und den emotionalen Mehrwert für unsere Marken weiter zu steigern. Deshalb investieren wir mehr als jeder andere Spirituosenanbieter in klassische Werbung. Nur dieser Weg schafft Begehrlichkeit und Preis-Akzeptanz beim Konsumenten. Wir sind damit gut gefahren und werden diese Strategie konsequent weiter verfolgen.

{tab=Die Campari-Gruppe}

Gegründet wurde das Unternehmen 1862 in Mailand von Gaspare Campari, dem Erfinder des gleichnamigen Aperitifs.

Lange assoziierte man das Unternehmen mit diesem Spirituosen-Klassiker. Mittlerweile produziert und vertreibt Campari eine Vielzahl Spirituosen, Weine und nichtalkoholische Getränke in mehr als 190 Länder.

Für 2010 meldete das Unternehmen einen Umsatz von 1,16 Mrd. Euro (+ 15 Prozent) und einen Gewinn vor Steuern und Zinsen (Ebit), der mit 273 Mio. Euro knapp 14 Prozent über dem Vorjahr lag.

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„Wir schaffen Begehrlichkeit und Preis-Akzeptanz." Stefan Jensen, Managing Director Business Unit Central Europe