Coppenrath & Wiese Interview Aber bitte mit Sahne!

Genussorientiert und Tortenfans: Peter Schmidt, Geschäftsführer bei Coppenrath & Wiese, sowie Marketingleiterin Dorothee Reiering-Böggemann über Expansion, das Markengeschäft, die Aufgaben eines Marktführers und den Harddiscount.

Montag, 26. Juni 2017 - Sortimente
Susanne Klopsch
Artikelbild Aber bitte mit Sahne!
Marketingleiterin Dorothee Reiering-Böggemann ist seit 12 Jahren bei Coppenrath & Wiese und hat insgesamt 22 Jahre Erfahrung im Marketing von Lebensmitteln.
Bildquelle: Carsten Hoppen

Herr Schmidt, Sie sind vor rund anderthalb Jahren nach 27 Jahren bei Dr. Oetker zu Coppenrath & Wiese gewechselt: Was hat Sie dazu bewogen, was hat Sie an dieser Aufgabe besonders gereizt?
Peter Schmidt: Dazu bewogen hat mich die Bitte von Herrn Oetker, diese Tätigkeit zu übernehmen. Da konnte ich ja gar nicht Nein sagen (lacht). Was mich aber wirklich gereizt hat, war die Chance, noch einmal etwas Neues zu machen. Die Chance, ein Unternehmen mit einer teilweise ähnlichen, aber teilweise auch ganz unterschiedlichen Kultur und einem anderen Geschäftsmodell kennenzulernen. Das war sehr spannend. Und ist es noch. Ich lerne jeden Tag dazu!

Zur Person

Peter Schmidt arbeitete vor dem Wechsel zu Coppenrath & Wiese 27 Jahre für Dr. Oetker, zuletzt als Hauptabteilungsleiter Internationales Controlling der Dr. August Oetker Nahrungsmittel KG. Als Sortimentsbereichsleiter war er zudem gesamtverantwortlich für den Bereich Frischeprodukte der Nahrungsmittel KG in Deutschland.

Wie sieht Ihre Bilanz aus nach gut anderthalb Jahren? Was funktioniert gut, wo sehen Sie noch Optimierungsbedarf? Wie profitiert das Unternehmen Coppenrath & Wiese?
Mein Fazit ist ganz klar: Die Zusammenarbeit zwischen den Unternehmen funktioniert hervorragend. Wir profitieren sehr stark von der Vertriebsstärke von Dr. Oetker bei der internationalen Expansion. Dr. Oetker gibt uns jedoch einen großen Freiraum. Wir haben unsere Selbstständigkeit weitestgehend bewahrt und arbeiten operativ vollkommen selbstständig. Wir entwickeln unsere Marke im deutschen Markt eigenständig weiter. Das ist durchaus eine Win-Win-Situation für beide Unternehmen.

Was bedeutet das konkret?
Wir haben im Wesentlichen drei wichtige Pflöcke gesetzt. Entscheidend ist, dass wir mit Coppenrath & Wiese wieder auf einem Wachstumskurs sind. Das war in der Vergangenheit nicht immer der Fall. Daneben werden die Ressourcen für dieses Wachstum geschaffen, das heißt, wir investieren. Zum dritten ziehen wir die Verwaltung an einem Standort, nämlich hier in Mettingen, zusammen. Der Standort in Osnabrück-Atter wird zu einem reinen Logistikstandort um- und ausgebaut. Damit schaffen wir die Ressourcen und verbessern die Kommunikation, um die zunehmende Komplexität der Abläufe durch den Wachstumskurs bewältigen zu können. Ich denke, wir sind jetzt sehr gut aufgestellt.

Wie sieht der Wachstumskurs denn in Zahlen aus?
2016 ist für uns wirklich gut gelaufen. Wir haben zum ersten Mal die Marke von 400 Mio. Euro Nettoumsatz geknackt. Das Wachstum insgesamt liegt bei rund 3 Prozent. Das ist angesichts des Verfalls des britischen Pfundes ein wirklich gutes Ergebnis. Laut Nielsen haben wir im deutschen Markt mit unseren TK-Torten, Kuchen, Desserts und den Brötchen um 5 Prozent zugelegt. Das ist das Vierfache des Marktsegments. Wir haben unsere Marktposition insgesamt gefestigt und in fast allen Bereichen sogar ausgebaut.

Der Tag in Fakten
  • 900.000 Eier werden verarbeitet
  • 3,3 Mio Brötchen werden gefertigt
  • 260.000 Torten verlassen die Produktionslinie
  • 80.000l Sahne werden benötigt
  • 110.000 Desserts verlassen die Bänder

Und wie lief 2017 bisher?
Das Jahr hat unsere Erwartungen erfüllt. Das für uns so wichtige Ostergeschäft ist gut gelaufen. Nach Nielsen haben wir bis April, verglichen mit der Vorjahresperiode, ein Umsatzplus von 3 Prozent erwirtschaftet, während der TK-Backwarenmarkt um 1 Prozent schrumpfte. Wir setzten 7,3 Prozent mehr Packungen ab, gegenüber einem Minus des Gesamtmarktes von 1,8 Prozent. Vor allem unsere Kuchen waren ein Renner: 17,8 Prozent mehr Packungen als im Vorjahreszeitraum wurden im LEH verkauft. Sehr zufrieden sind wir auch mit den Brötchen: gut 9 Prozent mehr Umsatz und Absatz verzeichnet Nielsen. Und nicht zu vergessen die Strudel: Insgesamt wurden 5 Prozent mehr Packungen abgesetzt – gegenüber gut 33 Prozent Plus bei unseren Strudeln.


Reichen denn die Produktionskapazitäten für das angestrebte Wachstum?
Ich habe es ja schon angesprochen: Unser Investitionsprogramm läuft. In den nächsten zwei Jahren fließen 60 bis 80 Mio. Euro in den Ausbau der Produktionskapazitäten. Wir fokussieren auf unsere strategischen Kernsortimente: Die Sahnetorten und Kuchen sind quasi unser Basisgeschäft, Wachstumssortimente sind darüber hinaus Blechkuchen, Desserts und nicht zu vergessen die Brötchen.

Wird die Marke Coppenrath & Wiese dank Dr. Oetker auch international aktiver?
Das ist in der Tat ein ganz wichtiger Aspekt. Über die Vertriebsnetze von Dr. Oekter und über die Marke Dr. Oetker werden wir unser Geschäft im nicht-deutschsprachigen Markt internationalisieren. Allerdings nicht unter unseren eigenen Marke: Wir fertigen die Produkte für Dr. Oetker.

Mehr Export

Der Einstieg von Dr. Oetker bei Coppenrath & Wiese soll auchder Internationalisierung des Geschäfts dienen. Derzeit liegt die Exportquote bei 28 Prozent. Ein wichtiger europäischer Handelspartner ist England. Angesichts des kommenden Brexits aber durchaus ein Risiko. „Der englische Markt ist für uns eine strategische Wachstumskomponente“, sagt Peter Schmidt. „Wir werden also unser Geschäft dort fortsetzen.“ Natürlich schmälerte der Verfall des Pfundes zunächst die Wertschöpfung: „Es ist uns aber gelungen, mit dem britichen Handel Lösungen zu finden, die eine nachhaltige Weiterentwicklung des Geschäfts ermöglichen. Englische Verbraucher und Handelspartner wollen unsere Produkte.“

Wo sehen Sie das Unternehmen in den nächsten Jahren?
Während in den Jahren vor dem Einstieg von Dr. Oekter der Fokus ganz klar auf Konsolidierung lag, wollen wir jetzt weiteres Wachstum. Wir setzen auf unsere Kernkompetenz, auf herausragende Produktqualität und herausragenden Genuss. Wir werden in die Weiterentwicklung der Marke massiv investieren und gehen davon aus, dass wir in den nächsten vier Jahren etwa 20 Prozent Umsatzwachstum schaffen können. Voraussichtlich ab Mitte 2018 werden uns die neuen Produktionskapazitäten zur Verfügung stehen, daher wird das Wachstum sicherlich stärker in der zweiten Hälfte dieser Vier-Jahres-Periode stattfinden.

Um zu wachsen, müssen Sie Absatzimpulse im TK-Markt geben: Was planen Sie?
Als Category-Leader bei TK-Backwaren sind wir verpflichtet, dem Markt und dem Handel Impulse zu geben. Das geht über neue, innovative Produkte, wie etwa die Windbeutel-Kirsch-Torte, die es in dieser Form noch nicht gegeben hat. Wir schauen uns für die Sortimentspolitik aber auch die demografische Entwicklung an, sehen, dass die Zahl der Ein- und Zweipersonenhaushalte kontinuierlich zunimmt. Unsere Ranges „Lust auf Kuchen“ und „Torten-Träume“ decken den Trend zu kleineren Kuchen ab. Bei unserer Blechkuchen-Range sind die Kuchenstücke einzeln entnehmbar. Für jüngere Kunden setzen wir mit den Desserts Impulse. Wir blicken aber auch ins Ausland: In England etwa ist Cheesecake sehr beliebt. Diesen Trend beobachten wir sehr genau.

Die Produktentwicklung ist eine wesentliche Säule für den Erfolg des Unternehmens: Was hat sich nach dem Wechsel unter das Oetker-Dach geändert?
Die Kompetenz für die Herstellung von TK-Backwaren liegt hier im Haus. Wir entwickeln unsere Produkte weiterhin selbstständig. Das heißt aber nicht, dass wir auf der Hand liegende Synergien nicht nutzen würden. Die Paula-Flecken-Torte ist in Kooperation mit Dr. Oetker entstanden. Insofern hat es jetzt schon erste Synergien gegeben, die sich auch im Markt positiv bewährt haben. Wenn es ein Win-win gibt für beide Seiten, ist das doch gut. Dorothee Reiering-Böggemann: Wir können Verwender der anderen Marke an die Tiefkühltruhe heranführen, und die andere Marke bekommt eine zusätzliche Visibilität in der Truhe. Es profitieren wirklich beide Seiten.

Noch mehr Fakten
  • Umsatz 2016: 400 Mio. Mio. Euro
  • Umsatzziel der Geschäftsführung: 20 Prozent Umsatzwachstum bis 2021
  • Mitarbeiter 2016: 2.350
  • Marktanteil der Marke bei TK-Backwaren 2016: 47,8 Prozent (Nielsen)
  • Marktanteil der Markentorten: 77,3 Prozent
  • Marktanteil Brötchen (Marke): 67 Prozent
  • Weizenbrötchen, Mandel-Bienenstick-Torte, Dinkelbrötchen: die Top-3-Produkte nach Umsatz (2016)
  • Erfolgreichste Neueinführungen der letzten drei Jahre: Feinste Sahne Erdbeer- Pannacotta, Lust auf Kuchen – Erdbeer-Frischkäse sowie Cafeteria fein & sahnig

Was kann denn Dr. Oetker von Coppenrath & Wiese lernen?
Schmidt: Das Lernen war ein wichtiges Argument für die Akquisition . Denn wir sind von der Marktbearbeitung breiter aufgestellt, bieten auch Handelsmarken an. Um es klar zu sagen: Wir sind ein Markenartikler durch und durch, aber wir schließen eben die Produktion von Handelsmarken nicht ganz so kategorisch aus, wie es Dr. Oetker tut. Unsere Strategie wurde und wird bei Oetker sehr interessiert beobachtet.

Wie profitiert der deutsche Handel?
Er profitiert davon, dass Coppenrath & Wiese in der Lage ist, seine Wachstumsstrategie fortzusetzen und in Produkte und gemeinsame Wertschöpfung mit ihm zu investieren.


Das Thema Gesundheit steht bei Verbrauchern hoch im Kurs: Vegan, laktosefrei oder weniger Zucker, weniger Fett sind nur einige Stichworte. usw.. Coppenrath & Wiese plant eine neue Fertigungslinie u. a. für Sahneprodukte: Wie passt das zusammen?
Reiering-Böggemann: Wir beschäftigen uns natürlich auch mit diesen Trends und analysieren das ganz genau. Aber die Marke Coppenrath & Wiese steht vor allem für echten Genuss. Da will der Verbraucher keine Abstriche. Wenn auf einer Torte zum Beispiel steht „weniger Zucker“ oder „weniger Fett“, dann assoziiert der Verbraucher auch sofort ein Defizit im Geschmack oder im Genuss. Torte wird ja nicht jeden Tag gegessen. Wenn, dann will der Verbraucher auch Genuss. Von uns also ein klares Bekenntnis zum Genuss und zur Torte. Bei veganen oder laktosefreien Produkten sprechen wir über Nischenmärkte, die wir nicht bedienen. Schmidt: Wir haben im Grunde zwei Kriterien: Die Produkte müssen vom Genussfaktor zu uns passen, und sie müssen nachhaltiges Potenzial für die Wertschöpfung haben. Wenn die Nischen zu klein sind, dann sind wir nicht der Richtige, um diese Produkte zu fertigen. Reiering-Böggemann: Wir greifen diese Trends so auf, dass sie uns zu passen: Zum Beispiel mit den Superfoods Blaubeeren, die wir in unseren Blechkuchen und Desserts verwenden. Oder mit den Landbrötchen mit Mais und Karotten, die auf den Gesundheitstrend einzahlen.

Duo an der Spitze

Andreas Wallmeier und Peter Schmidt sind Geschäftsführer von Coppenrath & Wiese. Schmidt verantwortet die Bereiche Vertrieb und Marketing, Finanzen und Verwaltung sowie die Produktentwicklung. Wallmeier ist u. a. verantwortlich für Produktion & Technik, Supply Chain, IT, Personalmanagement sowie Qualitätswesen.

TK-Brötchen boomen im LEH hierzulande: Welches Potenzial sehen Sie, welche Pläne haben Sie?
Schmidt: Inzwischen sind die TK-Brötchen unser zweitwichtigstes Sortiment mit einem kontinuierlichen Wachstum. Wir fertigen täglich im Durchschnitt 3,3 Mio. Brötchen – gegessen werden in Deutschland aber 80 Mio. Täglich wohlgemerkt. Das verdeutlicht das grundsätzliche Potenzial. Die Wiederkaufrate unserer Brötchen liegt bei 66 Prozent, mit steigendem Anteil, auch die Käuferreichweite steigt kontinuierlich. Derzeit verkaufen wir TK-Brötchen aber nur in Deutschland. In Mettingen entsteht derzeit eine neue Produktionshalle, dort sind zwei Linien für Brötchen vorgesehen und eine für Blechkuchen. Letztere haben eine für uns überraschende, sehr gute Marktentwicklung, sodass wir aufstocken wollen.

Der Handel baut die Ranges mit Premium-Handelsmarken kontinuierlich aus: Was bedeutet dies für Ihr Geschäft?
Wir sind Markenhersteller durch und durch. Und wir sind durchaus selbstbewusst genug, zu sagen, dass die Marke Coppenrath & Wiese in Bezug auf Qualität, Genuss, Historie so positiv aufgeladen ist, dass wir uns keine großen Sorgen machen in Bezug auf Handelsmarken. Aber wir müssen natürlich am Ball bleiben, müssen innovativ sein. Wie ich schon sagte: Coppenrath & Wiese produziert auch Handelsmarken. Das spielt aber für uns eine absolut untergeordnete Rolle.

Online

Auch wenn das Fernsehen das Leitmedium für die Massenansprache bleibt: „Im Zuge der Digitalisierung gehört der Bereich Online und Social Media für uns zu Kundenansprache fest dazu“, sagt Dorothee Reiering- Böggemann (Leiterin Marketing), „wir können im digitalen Bereich vieles besser aussteuern.“ Die Facebook-Seite des Unternehmens hat 265.000 Fans. Reiering- Böggemann schätzt den aktiven Kontakt mit dem Konsumenten via Facebook: „Vor zwei Jahren etwa haben wir die Nutzer über ein Dessertrezept samt Namen abstimmen lassen, das Produkt hat sich dann auch wirklich gut verkauft.“ Zudem werden Nutzer online nach Namen für ein Produkt gefragt, „wir geben ihnen so eine Stimme.“ Mit dem Blog Kuchenkult werde die Marke in einem anderen Licht gezeigt, „wir bringen sie einem jüngeren Publikum näher“. Im Blog wird unter anderem gezeigt, wie sich die Kuchen von Coppenrath & Wiese einfach variieren oder personalisieren lassen.

Produzieren Sie denn selbst Premium-Eigenmarken?
Wenn es für uns attraktive Möglichkeiten gibt, Handelsmarken zu fertigen, die unsere Marken nicht in irgendeiner Form konterkarieren oder die Positionierung gefährden, und das Geschäft profitabel ist, dann sind wir durchaus bereit, solche Produkte zu fertigen. Wir haben intern ganz klare Abgrenzungen zu den Markenprodukten, z. B. durch gewisse Ingredienzien, die nur der Marke vorbehalten sind. Das muss ganz klar eingehalten werden. Um Ihnen eine Hausnummer zu nennen: Das Handelsmarkengeschäft hat einen Anteil von etwa 30 Prozent.

Ihre Marke im Hard-Discount: ein Tabubruch oder einfach eine klasse Chance, die man sich nicht entgehen lassen kann?
Wir möchten dem Verbraucher unsere Produkte in allen Vertriebskanälen anbieten. Das schafft Werte für Handel, Verbraucher und für uns. Wichtig ist nur, dass die Produkte zu einem angemessenen Preis vermarktet werden. Ich sage ganz selbstbewusst: Wir verzichten dann auch schon mal auf das eine oder andere Geschäft, wenn es nicht zu adäquaten Preisen vermarktet wird. Lassen Sie es mich so zusammenfassen: Wir wollen Kunden die Produkte in allen Vertriebskanälen anbieten, aber nicht zu jedem Preis.

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Bild öffnen Peter Schmidt will massiv in die Entwicklung der Marke investieren.
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