Superfoods Schmeckt gut. Tut gut. Verkauft sich gut.

Superfoods, Superfruits, Supersamen oder Supergetreide – Nahrungsmittel mit gesundheitlichem Zusatznutzen und Wellbeing-Effekt stehen erst am Anfang ihrer Karriere. Das Segment spreizt sich weiter aus, und neben etablierten Unternehmen, die ihre Sortiment um „Super“ erweitern, sorgen vermehrt junge Wilde für frische Ideen. Der Handel profitiert vom Image und Rendite.

Montag, 12. Juni 2017 - Hersteller
Elke Häberle
Artikelbild Schmeckt gut. Tut gut. Verkauft sich gut.

Für Joachim Mann hat der Boom der Superfoods einen klaren Ursprung: „Die Ende 2015 in Kraft getretene neue europäische Novel-Food-Verordnung hat maßgeblich zum Durchmarsch der Superfoods beigetragen“, ist der Marketingleiter von Seeberger aus Ulm, überzeugt. Als Beispiel nennt er die Chiasamen: Im Jahr 2014 quasi noch nicht existent, seien die Ballaststoff- und Omega-3-Fett-Säuren-Bomben aus Südamerika heute aus dem Handelsregal hierzulande nicht mehr wegzudenken. Über alle Vertriebsschienen hinweg, ganz gleich ob Drogeriemarkt, Lebensmittel-Einzelhandel oder Discounter.

Zu der Gesetzesnovelle gesellen sich weitere Treiber wie z. B. der Trend zu einer bewussten Ernährung, die nicht nur gesundheitsfördernd sein, sondern gleichzeitig noch für den nötigen Wohlfühleffekt sorgen soll, sowie die anhaltend positive Konsumstimmung in Deutschland. In diesem mehrdimensionalen Trendkosmos fallen auch die Superfoods auf fruchtbaren Boden. Ob Obst und Früchten wie Goji und Açai-Beeren, Detox-Smoothies und Matchatee, Samen (Chia) oder Pseudogetreide (Quinoa) – hier ist übrigens unter den meinungsbildenden „Foodies“ Vorgekeimtes aktuell der letzte Schrei: Sie alle erfreuen sich enormer Zuwachsraten und einer entsprechenden preislichen Positionierung. Schließlich gelten sie als extrem gesund und verfügen gegenüber „herkömmlichen“ und weniger glamourösen Lebensmitteln über den x-fachen Faktor „mehr bzw. reich an“.

Ernährung optimiert

Menschen über 40, Stadtbewohner, hohes Einkommen: Das sind laut einer aktuellen Nielsen- Studie Superfood- Käufer. 42,,6 Mio. Euro gaben sie 2016 für Lebensmittel mit dem Attribut „super“ aus. (MAT KW 48/2016)

Verführerische Mischung: ‧exotisch und unbekannt
Doch wie erkennt man, ob ein Superfood (jenseits seiner Wirkungsstoffe natürlich) das Potenzial zum Superstar hat oder nicht? „Salopp gesagt: Je unbekannter und je weiter weg von Deutschland stammend, desto größer ist die Chance“, sagt Seeberger-Manager Joachim Mann. So gut wie jedes Superfood – ob Samen, Getreide oder Früchte – profitiere von seinem exotischen und fremden Kern. Um diesen lassen sich Geschichten bauen und Aufmerksamkeit erzeugen, beschreibt Mann: „Von der Funktionalität her ist auch Grünkohl das perfekte Superfood – und nachhaltig und regional dazu. Allerdings ohne exotische und neuartige Geschichte und damit wiederum nicht ganz so attraktiv.“

Erlebnis und mehrdimensionaler Nutzen
Ob Chia, Quinoa, Amaranth, Goji oder Grünkohl, Rote Beete, Spinat, Brennnessel, Erbsen oder Nüsse – Ulrike Detmers hat ein weiteres Erfolgskriterium ausgemacht: „Heimisch und exotisch wechseln sich ab. Die Erlebnisorientierung dominiert“, sagt die Gesellschafterin und Sprecherin der Mestemacher-Gruppe. Die Gütersloher Lifestyle-Bakery ist mit Superfood-Broten und Backwaren sowie Brei- und Müslimischungen im Markt gut vertreten. Und bei Lieken heißt es zum Thema Erfolgsfaktoren: „Je nach Zielgruppe können mehrere Nutzendimensionen relevant sein.“ Der Brotbäcker geht davon aus, dass eher die Lifestyle-orientierten Kunden das Segment „Superfood modern“ (Goji, Aronia, Matcha, Algen) bevorzugen – für den Verbraucher im Bereich „Superfood klassisch“ (z. B. Chia, Quinoa sowie heimische Produkte wie Rote Bete, Brennnessel, Sellerie) könnten zudem auch Aspekte wie Nachhaltigkeit entscheidend sein.

Wie die Beispiele zeigen, fließen bei dem ungeschützten Begriff Superfoods eine Vielzahl von Trends zusammen: vegan, vegetarisch, flexitarisch, „Frei von“, Low Carb, gluten- oder laktosefrei bis hin zum Wunsch nach Vereinfachung, Authentizität, Lifestyle, Nachhaltigkeit, Fairtrade oder Ethno.

Trends – Herkunft und Kategorien

Mehr und mehr rückt Peru ins Scheinwerferlicht. Einige der bekannteren Superfoods aus dem Andenland sind der energiegebende Maca (oft als der peruanische Ginseng bezeichnet), Yacon, eine Pflanze, die den kalorienarmen Süßstoff Yacon-Sirup ergibt oder Lucuma, eine Pflanze mit geringem glykämischen Index, die als natürlicher Süßstoff genutzt werden kann. Andere nennenswerte Superfoods aus Peru sind Quinoa, Andenbeeren oder Sacha Inchi. Avocado, Granatapfel, Gojibeeren sowie Grünkohl, Rote Beete, Brokkoli, Spinat, Sprossen oder andere Keimpflanzen zählen im Segment Obst und Gemüse momentan zu den beliebtesten Superfoods. Der neueste Zugang ist das Seegras, das besonders für seine antioxidative, entzündungshemmende sowie für seine unterstützende Wirkung bei der Gewichtsreduzierung geschätzt wird. Kräuter und Gewürze, die sowohl gesundheitlich als auch geschmacklich überzeugen, erfreuen sich ebenfalls zunehmender Beliebtheit. Als hoch gelobtes „Wundergewürz“ und Aushängeschild für die neue Welle der scharfen Superfoods wird Turmeric gehandelt. Ebenfalls Superfood- Status haben Gewürze wie Zimt, Ingwer oder Nelken, die mit alternativen Arzneien oder Medizin wie beispielsweise Ayurveda oder traditionelle chinesische Medizin assoziiert werden.

Das A&O: Kommunikation
Fest steht auch: „Superfood hat sehr viel mit Kommunikation zu tun, ob für den Verbraucher oder für den Handel“, sagt Seeberger Marketingchef Mann. Der Weg zum Ruhm und ins Regal führt dabei häufig über folgende Stationen: Food-Blogger, Influencer oder Autoren themenaffiner Social-Media-Plattformen berichten über Trends und neue Produkte und lösen in meist jungen Zielgruppen Begeisterung aus. Diese Welle schwappt dann in die Offline-Medien – insbesondere Frauen-, Lifestyle- oder Wohlfühl-Zeitschriften greifen die Themen bereitwillig auf. So wandern sie in ältere Zielgruppen und gelangen zu großer Bekanntheit, beschreibt der Marketingexperte eine typische Entstehungswelle.

Aber: Um letztendlich auch im Handel erfolgreich zu sein, genüge es nicht, nur ein Display mit z. B. „Chia“ aufzustellen. „Da es sich um neue, für viele Konsumenten erst einmal unbekannte Produkte handelt, empfehlen sich Zusatz- und Hintergrundinformationen und natürlich Rezepte“, sagt Mann.

Und wie sieht der typische Käufer aus? Auch hier zeigt sich, wie fragmentiert der Markt ist: „Frauen, aber auch gesundheitsorientierte Männer, mit der Tendenz zu einem steigenden und nachhaltigem Konsumverhalten“, beschreibt Ulrike Detmers von Mestemacher. Joachim Mann von Seebergerergänzt: „Der typische Käufer ist kaufkräftig und lebt eher in einem urbanen Umfeld denn auf dem platten Land.“


Neben den jahrzehntelang etablierten Unternehmen, die ihre Sortiment um Superfood(-Ingredienzen) erweitern, sprießen parallel junge Unternehmen und Start-ups aus dem Boden, die mit neuen Ansätzen, Produkten und Ideen den Markt aufmischen. Beispiel: Wow!bab, das neben Amaranth und Quinoa die Frucht des afrikanischen Affenbrotbaums Baobab enthält. Vor drei Jahren brachte Frédéric Letellier, Gründer und Inhaber der Firma Frutelia (siehe Interview), den ersten Wow!bab-Riegel auf den Markt. Inzwischen gibt es vier Geschmacksrichtungen, Anfang diesen Jahres kamen noch drei Crunchies als Snacks sowie Müsli in drei Sorten hinzu. Zu kaufen gibt es Wow!bab in Deutschland, Österreich, Schweiz, Frankreich, Italien, Spanien, England, Belgien, Japan und Neuseeland. Letellier: „Innerhalb Europas sind wir vor allem in der Schweiz und in Italien sehr stark.“ Die Zielgruppe auch hier: „Alle Verbraucher, die auf eine gesunde Ernährung und /oder Funktionalitäten Wert legen, Veganer, Flexitarier, Sportler, Glutenunverträgliche etc. – und ganz wichtig: bei denen auch die geschmackliche Komponente nicht zu kurz kommen darf.“

Länder Top 10

Globale Neueinführungen von Getränken und Lebensmitteln mit Superfood, Superfruit, Supergrain, Superseed oder Supergreen auf der Packung, Top 10 Länder, 2016, in Prozent

  • USA 24
  • UK 10
  • Deutschland 7
  • Australien 6
  • Kanada 6
  • Indien 4
  • Südkorea 3
  • Südafrika 3
  • Frankreich 3
  • Niederlande 2

Wie bei den meisten Start-ups kann Letellier zwar nicht auf üppige Marketing-Millionen zurückgreifen, jedoch kann er sich gelegentlich über kommunikative Unterstützung von ungeahnter Seite bzw. funktionierender Mund-zu-Mund-Propaganda freuen. „In einer Reportage-Sendung im Schweizer Fernsehen vergangenen Winter hat ein Ski- und ein Radprofi auf die Frage, was sie zwischendurch gerne essen, Wow!bab in die Kamera gehalten. So etwas hilft natürlich enorm. Die meisten Sportler favorisieren übrigens den Zitronenriegel mit echten sizilianischen Zitronen.“

Erbse statt Affenbrotbaum
Nicht auf Baobab, nicht auf sizilianische Zitrone, sondern auf die heimische Erbse setzt dagegen PaPicante. Die neuen „herzhaften Snackriegel“ auf der Basis von Erbsenprotein-Crisps führen die Stuttgarter Gründer Nadja Schoser und Tobias Zinßer gerade ein. An Bord von Eurowings gibt es sie bereits zu kaufen. Die Idee zu PaPicante kam der ehemaligen Flugbereiterin Schoser über den Wolken: „Viele Passagiere wünschen sich vor allem abends eine gesunde Alternative zu Chips, Kräckern und Schokoriegel“, sagt Schoser. Zusammen mit dem ehemaligen Leistungssportler, Vertriebler und Piloten Zinßer nahm die Idee Gestalt an.

„Die Erbse ist ein grünes und heimisches Superfood, welches aktuell leider noch ein Schattendasein führt“, erklärt Zinßer. Aufgrund ihrer tollen Eigenschaften wie erhöhter pflanzlicher (also glutenfreier) Proteinanteil sowie ihrer vielen Ballaststoffe sei sie eine tolle Hülsenfrucht und deshalb sehr interessant. Die Snackriegel „für den mobilen Genuss zwischendurch“ gibt es derzeit in drei herzhaften Geschmacksrichtungen (America, Mediterranean und Asian Style). Sie enthalten außerdem Kurkuma und erinnern geschmacklich eher an eine richtige „Mahlzeit“ wie Pizza, Curry oder BBQ – in gesund natürlich. Kurz: Bei PaPicante trifft Exotik auf Ethno und Nachhaltigkeit. Die avisierten Zielgruppen sind die „Mobile“ und „Quality“ Eater, also mobile Menschen und Verbraucher die Wert auf Qualität, guten Geschmack, Sicherheit, Nachhaltigkeit sowie gesundheitliche Aspekte legen. Daran findet auch der Lebensmittel-Einzelhandel gefallen: In die Bestelllisten der Edeka Südwest haben es die Jungunternehmer inzwischen ebenfalls geschafft.Doch ob Start-up oder Klassiker – wie sieht die Zukunft aus? Wo sind die Superfoods zwischen Marketinghype, echtem Zusatznutzen und nachhaltiger Etablierung eines neuen Segments anzusiedeln? „Superfoods sind Teil des großen Mega-Trends rund um eine gesunde, ausgewogene Ernährung“, heißt es bei Lieken. Und ganz gleich, welchen Nutzen die Produkte bedienen: „Der Handel stellt Fläche im Regal bereit, um Verbraucher-Trends zu bedienen. Sortimente anderer Kategorien werden optimiert, um dafür Raum zu schaffen“, so das Dortmunder Unternehmen, dass seit 2006 mit der Urkorn Fit & Vital Range – auch wenn es den Begriff damals noch nicht gab – im „Superfood“-Segment aktiv und schon seit Jahren Chia-Brötchen bäckt. Im Januar diesen Jahres wurde die Fit&Vital-Range übrigens um Supergreens (mit Spinat und Brennnessel) erweitert.

Wie viel Kraft in dem Segment steckt, macht Joachim Mann von Seeberger am Beispiel Mandel deutlich: Noch vor etwa zehn Jahren sei die Mandel in erster Linie eine Backzutat gewesen. Inzwischen hat sie diesen Verwendungszweck verlassen und den Status des „gesunden Snacks für zwischendurch“ erobert. Ebenfalls im Sog von Chia, Quinoa & Co legen in dem Ulmer Unternehmen „Sesam und Leinsamen eine herausragende Performance an den Tag“. Ulrike Detmers von Mestemacher fasst die Potenziale zusammen: „Das Ende der Fahnenstange ist noch weit weg.“

Daumen hoch also von allen Seiten, und wenn nicht irgendwelche Rohstoff- oder Verunreinigungsskandale dem Segment Schaden zufügen, wird ein Großteil der probierfreudigen Verbraucher auch künftig breit sein, für Superfoods einen gegenüber regionalen Superfoods vielfach höheren Preis zu bezahlen.


Die hohe Nachfrage nach Superfoods bleibt bestehen

Katya Witham, Senior-Food-Analystin mit Fokus auf Deutschland bei Mintel

‚Superfoods‘ haben in den letzten Jahren mehr und mehr Einfluss auf die Innovationen in der Lebensmittel- und Getränke-Industrie gewonnen. So haben sich zwischen 2012 und 2016 die unter „Superfruit“, „Superfood“, „Supergrain“ oder „Superseed“ gelabelten Produkteinführungen auf dem globalen Lebensmittel- und Getränkemarkt fast vervierfacht. Allein 2016 stieg die Anzahl der weltweit eingeführten Superfoods um 40 Prozent.

Mit einem Anteil von 24 Prozent aller „Super …“-Einführungen im Bereich Lebensmittel und Getränke haben die USA im vergangenen Jahr die Vorreiterrolle im Markt übernommen, gefolgt vom Vereinigten Königreich (10 Prozent), Deutschland (7 Prozent) und Kanada (6 Prozent).

Snacks waren dabei die häufigste Lebensmittelkategorie, in der Superfoods anzutreffen waren (34 Prozent der Superfoods-Einführungen), vor Frühstücksflocken (9 Prozent) und Saftgetränken (7 Prozent).

Das explodierende Angebot entspringt der Verbrauchernachfrage nach gesünderen Lebensmitteln und ihrem Streben nach „Clean Eating“. Sieben von zehn der deutschen (73 Prozent), spanischen und italienischen (je 72 Prozent) sowie französischen (70 Prozent) und polnischen (69 Prozent) Verbraucher stimmen zu, dass die gesundheitsförderlichen Vorteile natürlicher Produkte den Artikeln mit „zugesetzten“ Vitaminen oder anderen Substanzen vorzuziehen sind. In UK sagen über ein Drittel der Erwachsenen, dass Lebensmittel, die Superfoods enthalten, sie mehr ansprechen als Produkte ohne Superfoods.

Zutaten, die auf lange Traditionen zurückblicken können oder eine interessante Hintergrundgeschichte haben, sind dabei momentan besonders erfolgreich, allen voran Chiasamen. Aber auch andere Pseuogetreide wie Quinoa, Buchweizen oder Zwerghirse wurden wiederentdeckt. Das neue Interesse an ursprünglichen Getreidesorten hat außerdem zu einer Renaissance von ursprünglichen Lebensmittelzubereitungen geführt, wie beispielsweise der Fermentierung und Keimung von Körnern.

Aus Verbrauchersicht verfügen Superfoods aufgrund ihres zusätzlichen Nutzen, vor allem für die Gesundheit, über ein klares Kaufsargument, das den höheren Kostenpunkt rechtfertigt. Allerdings bergen sie für die Hersteller auch Risiken: So waren im vergangenen Jahr 52 Prozent der englischen Verbraucher der Meinung, dass die Hersteller Superfoods nur als Vorwand verwenden, um ihre Produkte teurer verkaufen zu können.

Gesund, gesünder, Superfoods

Anne-Kathrin Haubert, Food-Expertin bei Nielsen

Vielen Konsumenten wird ihre Gesundheit immer wichtiger. Eine gesunde Lebensweise, Sport oder auch eine Ernährungsumstellung rücken verstärkt in den Fokus. Ob weniger Fleisch, Zucker oder Fett: Ungesundes Essen zu meiden ist für viele Verbraucher ein erster Schritt – doch es geht noch viel besser. Für knapp jeden zweiten ist beim Lebensmitteleinkauf der gesundheitsfördernde Nutzen eines Produkts sehr wichtig. Und hier liegt das Potenzial der sogenannten Superfoods, also von Lebensmitteln, die sich besonders positiv auf die Gesundheit auswirken sollen, weil sie zum Beispiel reich an Vitaminen oder anderen Nährstoffen sind. Einige sollen sogar antioxidativ oder entzündungshemmend wirken.

Seit Anfang 2016 sind die entsprechenden Produkte in wirklich allen Kanälen des Lebensmittel-Einzelhandels verfügbar. Über das Jahr hinweg betrachtetr förderten vor allem viele neue Artikel das Wachstum. Im Vergleich zu 2015 hat sich die Anzahl der Produkte in den Regalen hierzulande knapp verdoppelt. Dabei handelt es sich nicht unbedingt um gänzlich neue Innovationen: Immer mehr Lebensmittel werden zusätzlich mit Gemüse oder Superfoods angereichert – dazu zählen etwa Smoothies oder vegetarische Wurst. Laut unserer aktuellen Food-Studie findet übrigens schon jeder achte Konsument (13 Prozent) Superfoods interessant.

Wer sind diese Konsumenten? Die meisten Superfoods-Käufer sind Paare oder Familien mittleren Alters (40 bis 49 Jahre), wohlhabend und bereits „Gesund-Esser“. Sie zeichnen sich durch eine erhöhte Affinität zu Bio, aber auch zu vegetarischen Alternativen aus.

Superfoods werden Lebensmittel in verhältnismäßig geringen Mengen zugesetzt und in eher kleinen Packungen verkauft. Denn nicht nur der Nutzen, auch der Preis für Superfoods ist besonders. Im Verbauchermarkt kostet ein Kilogramm Chiasamen im Durchschnitt etwa 13 Euro. Für Trockenfrüchte wie Goji- oder Aroniabeeren zahlt der Verbraucher 29 Euro und für Nahrungsergänzungspulver wie Moringa sogar 62 Euro. Insgesamt setzte der Handel (Lebensmitteleinzelhandel + Drogeriemärkte) 2016 laut Nielsen knapp 43 Mio. Euro mit Superfoods um.

Die zunehmende Beachtung der Konsumenten von Regionalität und damit verbunden auch die Rückbesinnung auf Tradition rückt auch deutsche Superfoods verstärkt in das Verbraucherinteresse – und begründet damit eine neue Erweiterung der Gesundheits-Trends.

Interview mit Frédéric Letellier: Wenn Ideen Früchte tragen

Frédéric Letellier ist Inhaber des von ihm 2010 gegründeten und auf gesunde Fruchtpürees, Konzentrate und Snacks spezialisierte Unternehmen Frutelia. Vor drei Jahren hat er mit Wow!bab sein erstes Produkt auf den Markt gebracht. Nach dem Studium der Lebensmitteltechnologie und der Betriebswirtschaftslehre in Paris arbeitete Letellier zunächst in Südtirol bei einem namhaften Fruchtzubereitungshersteller und lernte durch den Job die entlegensten Länder der Welt kennen. Während dieser Zeit hat der gebürtige Franzose, der heute in München lebt, seine Leidenschaft für exotische Früchte, außergewöhnliche Zutaten und fremde Kulturen entwickelt.

Herr Letellier, Ihr Herz schlägt für Baobab, den afrikanischen Affenbrotbaum, und Sie haben vor drei Jahren Wow!bab auf den Markt gebracht? Warum Baobab?
Frédéric Letellier: Mich hat diese Frucht, die in den unwirtlichsten Gegenden wächst, extrem fasziniert. Diese riesigen und imposanten Affenbrotbäume wachsen im Nichts, mitten in der Savanne, und sind dennoch voller natürlich vorkommender Vitamine, Ballaststoffen und Mineralien wie Thiamin und Eisen. In den Ursprungsländern wird Baobab häufig bei Verdauungsproblemen genommen. Als Baobab im Rahmen der Novel-Food-Verordnung im Jahr 2009 zugelassen wurde, war für mich der richtige Zeitpunkt gekommen. Und es gibt noch etwas ...

Was?
Durch die Inhaltsstoffe und das pulverige Fruchtfleisch ist Baobab schon nahe an Clean Label dran, das heißt es braucht keine weiteren Zusatzstoffe, um Funktionalitäten in der Rezeptur zu erzielen.

Ihre Devise lautet: Immer eine Prise Baobab. Schaut man allerdings auf die Packung, fallen einem zunächst andere Zutaten ins Auge: Amaranth, ‧Quinoa, fruchtige Geschmacksrichtung.
Wir wollen in den Massenkonsum. Deshalb sind wir vor drei Jahren mit Riegeln in den Markt. Riegel sind ein gelerntes Produkt. Unser Ansatz war nicht: Wir kaufen ein Pulver und machen daraus ein Superfood. Unser Ansatz war vielmehr: Wir machen einen Getreideriegel mit dem bekannteren Amaranth und gehen nicht sofort mit dem exotischsten Aspekt, der Baobab-Frucht, an den Start, sondern nehmen Baobab huckepack mit auf unsere Reise.

Profitieren Sie vom Siegeszug von Quinoa & Co?
Ich müsste lügen, wenn ich nein sage. Siehe oben: Unsere Devise war immer „eine Prise Baobab“. Letztendlich freuen wir uns über jeden neuen Verbraucher bzw. Kunden, aus welchem Grund auch immer: Wegen der vorgekeimten Getreide – übrigens ein weiterer, sehr aktueller Trend –, weil es vegan, glutenfrei, ohne künstliche Zusatz- oder Aromastoffe, ohne Palmöl, Fairtrade oder Bio ist. Viele Erstkäufer kommen tatsächlich über eine dieser genannten Eigenschaften und nicht wegen Baobab.

Als Start-up haben Sie jetzt nicht die Marketingmillionen zur Verfügung und dennoch wollen Die in den Massenmarkt. Wie kann das gelingen?
Wir wissen, dass das Zeit und Geduld braucht. Wir machen extrem viel Messe- und Überzeugungsarbeit und Bemusterungen. In Deutschland gibt es uns bei Budnikowski und einigen Reformhäusern zu kaufen, und die Abverkäufe sind sehr gut. Auch die Online-Absätze wachsen, und wir haben eine hohe Zahl an Wiederkäufern.

Wovon sind Sie überzeugt?
Dass Baobab irgendwann so bekannt und erfolgreich wird wie Aloe Vera oder Açaibeeren und dass wir die Regionen vor Ort zum Leben bringen. Davon bin ich überzeugt, und dafür brenne ich.