Superfoods Schmeckt gut. Tut gut. Verkauft sich gut. - Superfoods Gastkommentare: Katya Witham und Anne-Kathrin Haubert

Superfoods, Superfruits, Supersamen oder Supergetreide – Nahrungsmittel mit gesundheitlichem Zusatznutzen und Wellbeing-Effekt stehen erst am Anfang ihrer Karriere. Das Segment spreizt sich weiter aus, und neben etablierten Unternehmen, die ihre Sortiment um „Super“ erweitern, sorgen vermehrt junge Wilde für frische Ideen. Der Handel profitiert vom Image und Rendite.

Montag, 12. Juni 2017 - Hersteller
Elke Häberle
Artikelbild Schmeckt gut. Tut gut. Verkauft sich gut. - Superfoods Gastkommentare: Katya Witham und Anne-Kathrin Haubert
Die hohe Nachfrage nach Superfoods bleibt bestehen

Katya Witham, Senior-Food-Analystin mit Fokus auf Deutschland bei Mintel

‚Superfoods‘ haben in den letzten Jahren mehr und mehr Einfluss auf die Innovationen in der Lebensmittel- und Getränke-Industrie gewonnen. So haben sich zwischen 2012 und 2016 die unter „Superfruit“, „Superfood“, „Supergrain“ oder „Superseed“ gelabelten Produkteinführungen auf dem globalen Lebensmittel- und Getränkemarkt fast vervierfacht. Allein 2016 stieg die Anzahl der weltweit eingeführten Superfoods um 40 Prozent.

Mit einem Anteil von 24 Prozent aller „Super …“-Einführungen im Bereich Lebensmittel und Getränke haben die USA im vergangenen Jahr die Vorreiterrolle im Markt übernommen, gefolgt vom Vereinigten Königreich (10 Prozent), Deutschland (7 Prozent) und Kanada (6 Prozent).

Snacks waren dabei die häufigste Lebensmittelkategorie, in der Superfoods anzutreffen waren (34 Prozent der Superfoods-Einführungen), vor Frühstücksflocken (9 Prozent) und Saftgetränken (7 Prozent).

Das explodierende Angebot entspringt der Verbrauchernachfrage nach gesünderen Lebensmitteln und ihrem Streben nach „Clean Eating“. Sieben von zehn der deutschen (73 Prozent), spanischen und italienischen (je 72 Prozent) sowie französischen (70 Prozent) und polnischen (69 Prozent) Verbraucher stimmen zu, dass die gesundheitsförderlichen Vorteile natürlicher Produkte den Artikeln mit „zugesetzten“ Vitaminen oder anderen Substanzen vorzuziehen sind. In UK sagen über ein Drittel der Erwachsenen, dass Lebensmittel, die Superfoods enthalten, sie mehr ansprechen als Produkte ohne Superfoods.

Zutaten, die auf lange Traditionen zurückblicken können oder eine interessante Hintergrundgeschichte haben, sind dabei momentan besonders erfolgreich, allen voran Chiasamen. Aber auch andere Pseuogetreide wie Quinoa, Buchweizen oder Zwerghirse wurden wiederentdeckt. Das neue Interesse an ursprünglichen Getreidesorten hat außerdem zu einer Renaissance von ursprünglichen Lebensmittelzubereitungen geführt, wie beispielsweise der Fermentierung und Keimung von Körnern.

Aus Verbrauchersicht verfügen Superfoods aufgrund ihres zusätzlichen Nutzen, vor allem für die Gesundheit, über ein klares Kaufsargument, das den höheren Kostenpunkt rechtfertigt. Allerdings bergen sie für die Hersteller auch Risiken: So waren im vergangenen Jahr 52 Prozent der englischen Verbraucher der Meinung, dass die Hersteller Superfoods nur als Vorwand verwenden, um ihre Produkte teurer verkaufen zu können.

Gesund, gesünder, Superfoods

Anne-Kathrin Haubert, Food-Expertin bei Nielsen

Vielen Konsumenten wird ihre Gesundheit immer wichtiger. Eine gesunde Lebensweise, Sport oder auch eine Ernährungsumstellung rücken verstärkt in den Fokus. Ob weniger Fleisch, Zucker oder Fett: Ungesundes Essen zu meiden ist für viele Verbraucher ein erster Schritt – doch es geht noch viel besser. Für knapp jeden zweiten ist beim Lebensmitteleinkauf der gesundheitsfördernde Nutzen eines Produkts sehr wichtig. Und hier liegt das Potenzial der sogenannten Superfoods, also von Lebensmitteln, die sich besonders positiv auf die Gesundheit auswirken sollen, weil sie zum Beispiel reich an Vitaminen oder anderen Nährstoffen sind. Einige sollen sogar antioxidativ oder entzündungshemmend wirken.

Seit Anfang 2016 sind die entsprechenden Produkte in wirklich allen Kanälen des Lebensmittel-Einzelhandels verfügbar. Über das Jahr hinweg betrachtetr förderten vor allem viele neue Artikel das Wachstum. Im Vergleich zu 2015 hat sich die Anzahl der Produkte in den Regalen hierzulande knapp verdoppelt. Dabei handelt es sich nicht unbedingt um gänzlich neue Innovationen: Immer mehr Lebensmittel werden zusätzlich mit Gemüse oder Superfoods angereichert – dazu zählen etwa Smoothies oder vegetarische Wurst. Laut unserer aktuellen Food-Studie findet übrigens schon jeder achte Konsument (13 Prozent) Superfoods interessant.

Wer sind diese Konsumenten? Die meisten Superfoods-Käufer sind Paare oder Familien mittleren Alters (40 bis 49 Jahre), wohlhabend und bereits „Gesund-Esser“. Sie zeichnen sich durch eine erhöhte Affinität zu Bio, aber auch zu vegetarischen Alternativen aus.

Superfoods werden Lebensmittel in verhältnismäßig geringen Mengen zugesetzt und in eher kleinen Packungen verkauft. Denn nicht nur der Nutzen, auch der Preis für Superfoods ist besonders. Im Verbauchermarkt kostet ein Kilogramm Chiasamen im Durchschnitt etwa 13 Euro. Für Trockenfrüchte wie Goji- oder Aroniabeeren zahlt der Verbraucher 29 Euro und für Nahrungsergänzungspulver wie Moringa sogar 62 Euro. Insgesamt setzte der Handel (Lebensmitteleinzelhandel + Drogeriemärkte) 2016 laut Nielsen knapp 43 Mio. Euro mit Superfoods um.

Die zunehmende Beachtung der Konsumenten von Regionalität und damit verbunden auch die Rückbesinnung auf Tradition rückt auch deutsche Superfoods verstärkt in das Verbraucherinteresse – und begründet damit eine neue Erweiterung der Gesundheits-Trends.

Interview mit Frédéric Letellier: Wenn Ideen Früchte tragen

Frédéric Letellier ist Inhaber des von ihm 2010 gegründeten und auf gesunde Fruchtpürees, Konzentrate und Snacks spezialisierte Unternehmen Frutelia. Vor drei Jahren hat er mit Wow!bab sein erstes Produkt auf den Markt gebracht. Nach dem Studium der Lebensmitteltechnologie und der Betriebswirtschaftslehre in Paris arbeitete Letellier zunächst in Südtirol bei einem namhaften Fruchtzubereitungshersteller und lernte durch den Job die entlegensten Länder der Welt kennen. Während dieser Zeit hat der gebürtige Franzose, der heute in München lebt, seine Leidenschaft für exotische Früchte, außergewöhnliche Zutaten und fremde Kulturen entwickelt.

Herr Letellier, Ihr Herz schlägt für Baobab, den afrikanischen Affenbrotbaum, und Sie haben vor drei Jahren Wow!bab auf den Markt gebracht? Warum Baobab?
Frédéric Letellier: Mich hat diese Frucht, die in den unwirtlichsten Gegenden wächst, extrem fasziniert. Diese riesigen und imposanten Affenbrotbäume wachsen im Nichts, mitten in der Savanne, und sind dennoch voller natürlich vorkommender Vitamine, Ballaststoffen und Mineralien wie Thiamin und Eisen. In den Ursprungsländern wird Baobab häufig bei Verdauungsproblemen genommen. Als Baobab im Rahmen der Novel-Food-Verordnung im Jahr 2009 zugelassen wurde, war für mich der richtige Zeitpunkt gekommen. Und es gibt noch etwas ...

Was?
Durch die Inhaltsstoffe und das pulverige Fruchtfleisch ist Baobab schon nahe an Clean Label dran, das heißt es braucht keine weiteren Zusatzstoffe, um Funktionalitäten in der Rezeptur zu erzielen.

Ihre Devise lautet: Immer eine Prise Baobab. Schaut man allerdings auf die Packung, fallen einem zunächst andere Zutaten ins Auge: Amaranth, ‧Quinoa, fruchtige Geschmacksrichtung.
Wir wollen in den Massenkonsum. Deshalb sind wir vor drei Jahren mit Riegeln in den Markt. Riegel sind ein gelerntes Produkt. Unser Ansatz war nicht: Wir kaufen ein Pulver und machen daraus ein Superfood. Unser Ansatz war vielmehr: Wir machen einen Getreideriegel mit dem bekannteren Amaranth und gehen nicht sofort mit dem exotischsten Aspekt, der Baobab-Frucht, an den Start, sondern nehmen Baobab huckepack mit auf unsere Reise.

Profitieren Sie vom Siegeszug von Quinoa & Co?
Ich müsste lügen, wenn ich nein sage. Siehe oben: Unsere Devise war immer „eine Prise Baobab“. Letztendlich freuen wir uns über jeden neuen Verbraucher bzw. Kunden, aus welchem Grund auch immer: Wegen der vorgekeimten Getreide – übrigens ein weiterer, sehr aktueller Trend –, weil es vegan, glutenfrei, ohne künstliche Zusatz- oder Aromastoffe, ohne Palmöl, Fairtrade oder Bio ist. Viele Erstkäufer kommen tatsächlich über eine dieser genannten Eigenschaften und nicht wegen Baobab.

Als Start-up haben Sie jetzt nicht die Marketingmillionen zur Verfügung und dennoch wollen Die in den Massenmarkt. Wie kann das gelingen?
Wir wissen, dass das Zeit und Geduld braucht. Wir machen extrem viel Messe- und Überzeugungsarbeit und Bemusterungen. In Deutschland gibt es uns bei Budnikowski und einigen Reformhäusern zu kaufen, und die Abverkäufe sind sehr gut. Auch die Online-Absätze wachsen, und wir haben eine hohe Zahl an Wiederkäufern.

Wovon sind Sie überzeugt?
Dass Baobab irgendwann so bekannt und erfolgreich wird wie Aloe Vera oder Açaibeeren und dass wir die Regionen vor Ort zum Leben bringen. Davon bin ich überzeugt, und dafür brenne ich.