Interview Ernährung.NRW Vertrauen schaffen

Regionale Produkte sind gefragter denn je. Die LP sprach mit Vertretern des Landesverbands Ernährung.NRW über Vermarktungschancen regionaler Konzepte.

Donnerstag, 10. Februar 2011 - Hersteller
Bettina Röttig und Reiner Mihr
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Dr. Otto A. Strecker, Leiter Clustermanagement Ernährung.NRW
Bildquelle: Hoppen

Die Ernährungsbranche ist wieder einmal negativ in den Schlagzeilen. Wie würden Sie reagieren, wenn eines Ihrer Mitglieder in einen Vorfall wie den Dioxin-Skandal verwickelt wäre?
Andreas Heinz: Uns vom Landesverband Ernährung.NRW geht es darum, das Image des Ernährungsstandortes Nordrhein-Westfalen aktiv zu fördern. Daher hoffen wir natürlich, dass für unsere Mitglieder solche kriminellen Machenschaften tabu sind. Sollte es dennoch zu Vorfällen kommen, würden wir jedes derartige Vergehen sanktionieren. Wir sind ja gerade dabei, die Kriterien für ein Qualitätszeichen NRW zu entwickeln. Dieses muss geschützt werden. Wer gegen die Vorgaben des Qualitätszeichens verstößt, dem muss das Zeichen entzogen werden.

Dr. Otto A. Strecker: Wir gehören einer sehr arbeitsteiligen Branche an. Dies erschwert es dem Verbraucher, den Überblick über die komplexen Liefer- und Leistungsbeziehungen zu behalten. Im Falle des Dioxin-Skandals sieht man jedoch, dass auch den Herstellern von Lebensmitteln dieser Überblick verloren gehen kann. Dem Vertrauen in die Lebensmittelsicherheit ist diese Entwicklung alles andere als förderlich. In einer stärker regionalisierten Wertschöpfungskette ist jedoch in der Regel eine bessere Transparenz und Sicherheit gewährleistet. Hier ist es nicht nur so, dass sich die Akteure kennen, sondern auch die Produktionsverfahren und –techniken sowie die Herkunft der Rohstoffe sind bekannt.

Was bedeutet dieser erneute Skandal? Ist dieser schon nach kurzer Zeit beim Verbraucher wieder vergessen?
Heinz: Die kurzfristige Reaktion ist, dass der Verbraucher sich sehr viel stärker nach Herkunft und Sicherheit seiner Lebensmittel erkundigt. Langfristig wird sich dies sicherlich wieder abschwächen.

Was halten Sie von dem geplanten Verbraucher-Informations-Portal?
Strecker: Ein solches Portal, das öffentliche Anschwärzungen zulässt, führt schnell zu Diskriminierung und zu Verunsicherungen beim Verbraucher. Ich glaube nicht, dass es der Transparenz dient. An Stelle eines elektronischen Prangers bzw. einer negativen Diskriminierung wäre es auf jeden Fall intelligenter, eine positive Kennzeichnung zu setzen.

Es gibt schon so viele Kennzeichen. Bringt ein Label für NRW tatsächlich noch einen Zugewinn an Vertrauen?
Heinz: Das verstärkte Erscheinen von Zeichen, auch für regionale Konzepte bzw. Produkte, zeigt, dass Bedarf für Informationen rund um die Lebensmittelsicherheit besteht. Die Akzeptanz hängt natürlich ganz stark davon ab, mit welchen Inhalten ein solches Qualitätszeichen gefüllt wird, welche Aspekte mit einfließen.

Strecker: Wir beobachten, dass es zunehmend Hersteller gibt, die ihre eigenen Phantasie-Zeichen in Bezug auf Regionalität auf ihre Produkte bringen. Hinter diesen Signets stehen jedoch keine definierten Kriterien. Wir wollen in NRW für mehr Sicherheit zu sorgen, indem wir ein Zeichen entwickeln und auf den Markt bringen, das mit einer staatlichen Autorität ausgestattet ist. Das Zeichen steht für kontrollierte Qualität aus NRW. Träger des Zeichens wird die Landesregierung sein, die es dann dem Verein Ernährung.NRW zur Bewirtschaftung überlässt.

Wie weit sind Sie damit? Welche Ziele haben Sie sich gesetzt?
Strecker: Das Qualitätszeichen soll regionalen Lieferanten zusätzliche Vertriebskanäle für ihre Produkte eröffnen. Der Vorteil für Handel und Hersteller liegt darin, dass sie sich in einer definierten Nische vom Standard absetzen und zusätzliche Wertschöpfung generieren können. Wir sind aber noch inmitten des Entwicklungsprozesses. Als Kriterien werden vor allem die herausgehobene Qualität der Produkte, die Herkunft, aber auch Nachhaltigkeitsaspekte einfließen. Ziel ist, das Zeichen noch in diesem Jahr zu vergeben.

Heinz: Dieser Nachhaltigkeitsaspekt bedeutet auch ein gewisses Alleinstellungsmerkmal für das neue Qualitätszeichen NRW, das sich darüber dann von der Masse der anderen Zeichen abheben wird.

Wie viel Prozent der Zutaten müssen aus NRW stammen, damit ein Produkt Ihr Siegel tragen darf?
Strecker: Natürlich ist ein solcher Aspekt notwendiger Bestandteil für die Vergabe des Zeichens. Allerdings ist es sehr schwierig, einen einheitlichen Prozentsatz festzulegen, wenn man die Bandbreite an Produkten bedenkt. Hier sind wir noch in der Diskussion.

Wie wichtig sind bei einem solchen Label die Kontrollen?
Heinz: Unser Siegel bekommt nicht jeder! Selbstkontrolle und Eigenverantwortung sind sehr wichtig. Aber wir kennen uns ja alle als Autofahrer – wir fahren nur dann vorschriftsmäßig, wenn wir hin und wieder kontrolliert werden. Ohne Kontrollen geht es nicht, aber auch dafür muss es ein vernünftiges Maß geben. Der Herausgeber des Zeichens, also die Landesregierung, ist für diese Kontrollen verantwortlich.

Strecker: Wir streben an, die branchenüblichen Qualitätsstandards und deren bereits bestehende Audits zu nutzen und diese um bestimmte Kriterien zu erweitern.

Bayerische Produkte oder nordische Spezialitäten haben es sicherlich einfacher in der Vermarktung als Produkte aus anderen Regionen. Welches Image hat NRW und auf welchen Markt zielen Sie im Hinblick auf die Vermarktung?
Strecker: Viele wissen gar nicht, dass NRW eine enorme Vielfalt aufweist. Es gibt hierzulande elf ausgewiesene Genuss-Regionen – wie etwa das Bergische Land, die Regionen Köln und Düsseldorf, Bonn und der Rhein-Sieg-Kreis, Siegerland, Münsterland, Sauerland etc. Diese Regionen stehen jeweils für bestimmte Spezialitäten – wie den Grafschafter Goldsaft, das Kölsch, oder den Rheinischen Sauerbraten. Eine wichtige Aufgabe des künftigen Regionalmarketings besteht also darin, den Ernährungsstandort NRW mit seinen Genussregionen auch über die Landesgrenzen hinaus stärker im Bewusstsein der Verbraucher zu verankern.

Heinz: Den Produkten aus NRW ein Gesicht zu geben und für ihr positives Image zu sorgen, sind zentrale Aufgaben sowohl des Landesverbandes Ernährung.NRW als auch des Clusters. Natürlich können wir keinen Leuchtturm oder blaue Rauten auf unsere Produkte bringen. Bayern profitiert von seinem touristischen Image, davon, dass die Produkte mit dem bayerischen Image exportiert werden, also der Ansatz aus der Region für die Welt. Das können wir nicht kopieren. Wir haben jedoch einen sehr starken regionalen Heimatmarkt, auf den wir primär abzielen. NRW ist vom Markt her fast so groß wie Australien.

Wird unter dem Label auch Platz sein beispielsweise für das 'Eifel-Schwein'?
Strecker: Unbedingt. Das Zeichen soll als Dachmarke dienen und regionale Kennzeichen verbinden.

Wie werden Sie die Vermarktung der gelabelten Produkte konkret unterstützen?
Strecker: Bevor wir beispielsweise das Zeichen NRW vermarkten können, muss dies natürlich erst einmal auf dem Markt sein. Aber abgesehen davon, führen wir bereits regionale sowie lokale Hersteller den Handelsakteuren zu. Damit helfen wir den Lieferanten und den Händlern und bringen die Interessen der Mitglieder zusammen.

Heinz: Wir planen Messeauftritte, an denen sich auch kleine Unternehmen beteiligen können, die sich aus eigener Kraft normalerweise vielleicht nicht präsentieren könnten.

Welche Rolle spielt bei Regionalität die Marke?
Heinz: Auf den ersten Blick könnte man meinen, die Marken aus NRW dominieren allein schon aufgrund ihrer Größe. Dies ist aber nicht so. Die großen Marken aus NRW wollen oft keine regionalen Player sein. Aber genau hier besteht die Chance für kleinere Unternehmen.

Strecker: Es gibt Raum für ganz unterschiedliche Konzepte und für regionale, mittelständische Unternehmen und Marken. Wir sehen dies im Handel, dass das Spektrum vom Handelsmarken-Konzept reicht bis hin zur Kennzeichnung der Kategorie 'Aus der Region', ohne dass die Produkte ein Signet tragen.

Wir wissen alle: Trends kommen und gehen. Wie lange wird sich der Trend zur Regionalität halten?
Heinz: Ich bin überzeugt, das Thema wird sich nachhaltig halten. Unter dem Stichwort Regionalität verbergen sich schließlich viele Aspekte wie eine hohe Lebensmittel-Sicherheit, diese Unternehmen sind oft geführt von Inhabern oder engagierten Betreibern, die ein großes Interesse daran haben, was morgen aus der Firma wird und daher einen hohen Qualitäts-Anspruch bedienen. Dioxin wird nicht der letzte Vorfall sein, in einer Branche, die so unter Kostendruck steht. Mit Nischenprodukten, die mit Preisprämien ausgestattet sind, können wir diesen Druck mindern.

Ernährung.NRW

Die Landesvereinigung Ernährung.NRW wurde am 31. März 2010 mit dem Ziel gegründet, den Absatz von Agrarerzeugnissen und Lebensmitteln aus Nordrhein-Westfalen im In- und Ausland zu fördern. „Ernährung.NRW" ist als gemeinsames Dach für alle an der Wertschöpfungskette der Ernährungswirtschaft in Nordrhein-Westfalen Beteiligten gedacht.

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Bilder zum Artikel

Bild öffnen Andreas Heinz (ab 2.v.l.), Dr. Otto A. Strecker und Jürgen Clemens (r.), Presse und Öffentlichkeitsarbeit Ernährung.NRW, im Gespräch mit den LP-Redakteuren Bettina Röttig und Reiner Mihr.
Bild öffnen Dr. Otto A. Strecker, Leiter Clustermanagement Ernährung.NRW
Bild öffnen Andreas Heinz, Vorsitzender des Vorstands Ernährung.NRW.e.V.