Interview Jochen Wendt - Lavazza „Wir sind die Italiener"

Über das Segment Espresso entwickelt sich die Luigi Lavazza Deutschland GmbH im hiesigen Markt und erschließt mit Pads und Kapseln neue Teilmärkte. Auch im klassischen Röstkaffee-Bereich steht Neues an. Vertriebschef Jochen Wendt erläutert die Langfrist-Strategie.

Donnerstag, 13. Januar 2011 - Hersteller
Dieter Druck
Artikelbild „Wir sind die Italiener"
Bildquelle: Mugrauer

Lavazza, im Mutterland Italien Gesamtmarktführer, sucht in Deutschland nicht den schnellen, aber den nachhaltigen Erfolg. Mit Pads und Kapseln soll u. a. auch die nördlich von Düsseldorf verlaufende Espresso-Grenze peu à peu überwunden werden. Vertriebschef Jochen Wendt, seit 2006 im Unternehmen, achtet dabei mehr auf Wertschöpfung als auf Marktanteile.

Alle reden von italienischer Kaffeekultur in Deutschland. Ist sie mit der Preiskultur im deutschen LEH vereinbar?
Jochen Wendt: Der deutsche Markt für Röstkaffee und auch das Segment ganze Bohne sind stark preisgetrieben. Über die vergangenen drei Jahre sind bei allen großen Markenanbietern die Durchschnittspreise für das Kilo ganze Bohne unter die 10-Euro-Marke gesunken. Lavazza hebt sich dagegen ab und ist damit der Werterhalter sowie -schöpfer Nr. 1 im Markt mit steigenden Durchschnitts-Preisen (12 Euro, Nielsen LEH + DM).

Was heißt das für die Marktanteile und das laufende Geschäft?
Zunächst einmal sind wir nicht marktanteilsgetrieben, wie einige Wettbewerber. Zum andern verbuchen wir kumuliert übers Jahr bis Oktober 2010 ein Absatz- und Umsatzplus von ca. 11 Prozent. Unser Marktanteil von ca. 22 Prozent (Nielsen, LEH + DM exklusive Discount, YTD 2010) bewegt sich stabil auf dem Vorjahreswert. Diese positive Entwicklung hat sich bis zum Jahresende fortgesetzt.

Was können Sie über die aktuelle Entwicklung bei den Rohkaffeepreisen sagen ?
Wir befinden uns auf einem Preisniveau wie seit Jahren nicht. Es ist absehbar, dass die Rohkaffee-Preise weiter steigen und diese Kosten von den Herstellern weitergegeben werden müssen. Aufgrund der Premiumpreisstrategie mit hohem Qualitätsanspruch sind wir zuversichtlich, dass der Konsument erhöhte Preise für Lavazza-Produkte akzeptieren wird. Zu verzeichnen ist bereits jetzt ein deutlich höheres VK-Preisniveau verglichen mit 2009 bei vielen Marken.

Juckt es nicht in den Fingern, doch an der Aktionsschraube zu drehen?
Das ist für Lavazza kein vorrangiger Stellmechanismus und auch hier differenzieren wir uns mit rund 35 Prozent Aktionsanteil bei ganzen Bohnen vom Wettbewerb, wo die Promotion-Anteile teilweise über 70 Prozent liegen. Damit verbundene Mengeneinbußen werden in Kauf genommen. Die Werterhaltung der Marke steht im Vordergrund. Wir erwarten allerdings mit Blick auf steigende Kaffeepreise, dass Preisaktionen in den Handzetteln weniger werden. Die Tendenz ist schon erkennbar.

Sie haben eine sehr südlastige Distribution. Wie ist dies zu begründen?
In Süddeutschland wirkt sicherlich zunächst eine höhere Italo-Affinität und damit eine stärkere Nachfrage nach Espresso. Zudem ist die Verbreitung der Vollautomaten in den Haushalten im Süden ungleich höher. Im Bundesdurchschnitt haben 9 Prozent der Haushalte einen Vollautomaten. Im Südwesten sind es 18 Prozent. Ein Verbrauchermarkt im Süden verkauft z. B. fünf Mal mehr als so manches SB-Warenhaus im Westen.

Haben Sie eine distributive Lücke im Discount?
Wir sind bei Penny seit Jahren gelistet und führen gelegentliche Aktionen bei anderen Discountern durch. Aber das entspricht nicht der Absatzbedeutung der Discounter insgesamt. Hier ist zweifelsfrei Potenzial gegeben und wir machen uns Gedanken darüber.

Wie sieht es preislich beim stark wachsenden Segment der Soft Pads aus ?
Auch hier verzeichnen wir einen Preisrutsch, alle Marken werden mehr und mehr auf Eigenmarken-Niveau vermarktet, Senseo einmal ausgenommen. Und es zeichnet sich kein Umkehrschub ab, der aus dem Preistief führt. Einige Hersteller versuchen es über reduzierte Inhalte, aber da könnte der Schuss nach hinten losgehen. Wir bleiben bei 16 Pads und einem UVP von 2,49 Euro. Dabei wachsen wir mit unseren Pads in allen Kanälen außerhalb des Discount.

Welchen Status haben die Pads überhaupt bei Lavazza?
Wir sehen die Pads eher strategisch, weil wir damit auch Einsteiger in das Segment der Kaffeespezialitäten erreichen. Allerdings haben wir keine klassischen Röstkaffee- sondern Espresso-Pads mit entsprechender Preisstellung. Das kann man als Nachteil auslegen, andererseits sprechen wir damit von vorneherein Verbraucher an, die eine gewisse Wertigkeit suchen. Zudem könnten die Pads helfen, die Präsenz von Lavazza im Norden zu verstärken. Ansonsten setzen wir ebenfalls auf eine Langfrist-Strategie.


Dann werden Sie vergleichbare Ambitionen mit dem Launch des Kapsel-Systems „A Modo Mio" haben....
Wir verfolgen einen soliden Wachstumsplan mit einem selektiven Launch und einem Distributionsaufbau über den Süden. Im Vordergrund stehen die Qualität des Espresso und die Kommunikation seiner italienischen Herkunft. In Italien ist Lavazza seit 2007 mit der Serie im Markt und bewegt sich dort mit rund 380.000 verkauften Maschinen auf Nespresso-Niveau. Das ist hierzulande nicht unser Anspruch, hier setzen wir wie im Espresso-Segment auf Langfristigkeit.

Wie ist die Preisstellung?
Es sind zwei Modelle im Angebot. Beide haben eine Milchschaumdüse. Eine Standard-Version für 159 Euro und eine Premiumvariante mit Automatik für 199 Euro. Die Packungen mit 16 Kapseln werden zu einem UVP von 5,79 Euro angeboten.

Wie ist die aktuelle Listung?
Den Anfang haben wir bei Kaufhof gemacht, jetzt ist HIT dazu kommen und für den C&C-Bereich arbeiten wir mit FEGRO zusammen. Selektiv haben wir die Maschinen auch bei Elektromärkten verkauft, was 2011 ausgebaut wird. Insbesondere im Süden registrieren wird aktuell gute Abverkäufe für Kapsel und Geräte. Im Supermarkt rechnen wir uns ebenfalls gute Chancen aus. Unser Hauptargument für den Handel neben der Qualität des Espresso ist die Verfügbarkeit der Kapseln in jedem Markt, der auch Maschinen verkauft. Damit realisiert dieser Markt auch den Umsatz und den Ertrag der Kapsel, was bei unserem Hauptwettbewerber aufgrund des Vertriebssystems nicht möglich ist.

Steht das Kapsel-Segment nicht schon vor dem preislichen downgrading?
Das ist aktuell schwer zu beurteilen. Das Segment ist zugegebenermaßen diffizil. Aber wir kommen nicht über den Preis, sondern über den qualitativen Anspruch, sprich Espresso-Bar-Qualität für Zuhause.

Welche Bedeutung haben die Elektrofachmärkte als Absatzmittler für Lavazza?
In dieser Schiene ist Lavazza klarer Marktführer beim Absatz ganzer Bohnen. Es ist ein Kanal, der an Premium-Marken interessiert ist, die sich auch außerhalb von Preisaktionen gut verkaufen – und den man gut für die Einführung neuer Produkte nutzen kann. Lavazza verfügt über einen Kundenstamm, der auch gezielt dort seinen Kaffee einkauft.

Bleibt das Segment des klassischen Röstkaffees. Nach wie vor mit Abstand das größte im deutschen Markt. Wäre hier ein Markteinstieg für Lavazza lohnend?
Ein Einstieg in das höherpreisige Segment macht durchaus Sinn und wir bereiten gerade den Launch eines Produktes vor.

Wie hält man es bei Lavazza mit der Nachhaltigkeit?
Das ist seit langem Thema bei unserer italienischen Mutter, aber wird nicht vordergründig kommuniziert. Mit Tierra haben wir eine entsprechende Produktlinie in Kooperation mit der Rainforest Alliance im Bereich Food Service. Aber wir werden das Thema im neuen Jahr über das LEH-Sortiment offensiver aufgreifen.

{tab=Zum Unternehmen}

Gründung: 1895 in Turin durch Luigi Lavazza. Die Firma befindet sich mittlerweile bereits in vierter Generation in Familienbesitz.
Vertrieb: Lavazza ist in mehr als 90 Ländern vertreten und hat in elf Ländern Niederlassungen. Der Firmenhauptsitz ist in Turin, Italien.
Geschäftsfelder:
Das Unternehmen agiert in den Bereichen Handel, Gastronomie und Vending und besitzt weltweit Caffè-Bar-Filialen der Marken Il Caffè di Roma, Lavazza Bar, Espression und Barista.
Umsatz (weltweit):
1,09 Mrd. Euro im Jahr 2009
Umsatz Deutschland:
120 Mio. Euro
Mitarbeiter:
weltweit etwa 4.000, davon rund 80 in Deutschland
Geschäftsführer Deutschland:
Guido Civati