Warenverkaufskunde Shrimpsbestand soll sich dank Quote fangen - Knud Magnussen

Das MSC-Siegel sichert grönländischen Eismeergarnelen einen Platz in den Kühltruhen des Lebensmittelhandels, auch des deutschen. Die Nachfrage ist größer als das Angebot. Die Balance zwischen Nachhaltigkeit und Wirtschaftlichkeit zu halten, bleibt eine ständige Herausforderung.

Freitag, 12. Dezember 2014 - Hersteller
Sonja Plachetta

Magnussen ist 49 Jahre alt und schon als Kind mit seinen fischenden Eltern aufs Meer gefahren. Er hat die Zusammenbrüche des grönländischen Kabeljau-Bestands in den 1970er- und 1990er-Jahren erlebt, er weiß, dass er sich gegen Schwankungen absichern muss – deshalb besitzt er auch Anteile an einem Heilbuttschiff. Ihm ist bewusst, dass nur nachhaltige Fischerei ihm langfristig seine Einnahmen sichert. Dennoch ist Magnussen unzufrieden mit der von der grönländischen Selbstverwaltungsregierung in Abstimmung mit Wissenschaftlern festgesetzten Fangquote für Garnelen. Sie ist seit 2012 von 105.000 t auf 80.000 t in diesem Jahr gesenkt worden, um den Bestand zu stabilisieren. Die Fischer auf der Avataq dürfen jährlich 1.000 t fangen. Magnussen ist das zu wenig. „Es sind genug Garnelen im Meer“, sagt er.

Während eines vier- bis fünftägigen Trips fängt seine Mannschaft 40 bis 50 t Shrimps, die an Bord bei 0 Grad gelagert und dann zur Verarbeitung in die Fabrik von Royal Greenland in Ilulissat, der mit gut 4.500 Einwohnern drittgrößten Stadt des Landes, gebracht werden. Dort prüft die Qualitätskontrolle Frische und korrekte Temperatur. Wenn eine Charge nach der Analyse zur Verarbeitung freigegeben ist, werden die Shrimps gewaschen, in Salzwasser gekocht, kalt abgeschreckt und schließlich in einem dreistufigen Verfahren sorgfältig geschält. Danach werden sie luftgetrocknet und nach Größen sortiert. Bevor sie verpackt werden, kontrolliert Qualitätsmanager Juaansi Mølgaard mit seinen Mitarbeitern die Chargen und bewertet Merkmale wie Geruch, Geschmack, Konsistenz und Farbe.

In Ilulissat produzieren 80 Angestellte etwa 5.100 t gekochte und geschälte Garnelen pro Jahr. Eine ähnliche Menge liefert die zweite Shrimpsfabrik von Royal Greenland in Sisimiut, die wie die Anlage in Ilulissat ebenfalls MSC-zertifiziert ist. Die komplette Ware wird per Schiff nach Dänemark gebracht und von dort exportiert. Etwa 1.000 t gehen jährlich nach Deutschland. Die gekochten und geschälten Garnelen werden bei Edeka, Kaufland, Lidl, Aldi, Norma und Netto für ihre jeweiligen Eigenmarken verarbeitet.

Der schwierige Spagat zwischen Nachhaltigkeit und Wirtschaftlichkeit ist wie für Skipper Magnussen auch in der Fabrik in Ilulissat ein Thema. „Aus ökonomischer Sicht ist es beunruhigend, dass die Quote zurückgeht“, sagt Fabrik-Chef Hans Lars Olsen, der wegen der Mengenreduzierung 20 Mitarbeiter entlassen hat. „Die Nachfrage nach Kaltwassergarnelen steigt stetig und ist zurzeit größer als das wegen der Fangquote beschränkte Angebot“, präzisiert Royal-Greenland-Sprecherin Marianne Kragh Rottbøll.

Um trotz der begrenzten Menge die Einnahmen zu sichern, setzt das Unternehmen deshalb auf Premiumprodukte – und die Aufklärung der Verbraucher. „Viele wissen nicht, wie Kaltwassergarnelen richtig zubereitet werden und dass sie im Gegensatz zu den Warmwassergarnelen nicht für gekochte Gerichte geeignet sind“, sagt Rottbøll. „Sie werden gummiartig und verlieren ihren Geschmack, wenn sie gekocht werden.“ Gut geeignet seien sie etwa für Salate, Sandwichs oder Cocktailsaucen. Jeppe Eivind Nielsen, Chefkoch im Restaurant Ulo im Hotel Arctic in Ilulissat, schätzt besonders den süßen, intensiven Geschmack und die feste, saftige Konsistenz der Eismeergarnelen. Das Fleisch ist so fest, weil die Tiere in dem eiskalten Wasser nur langsam wachsen. „Im Schnitt brauchen sie sechs Jahre, bis sie ausgewachsen sind, während dies bei Warmwassergarnelen nur sechs Monate dauert“, erklärt Rottbøll. Je kälter das Wasser sei, in dem die Garnelen leben, desto feiner sei ihr Fleisch.

Wärmeres Wasser lockt also nicht nur Fressfeinde der Garnelen wie den Kabeljau verstärkt an, sondern beeinträchtigt auch die Qualität der Shrimps. Und der Klimawandel ist schon zu spüren. In der Shrimpsfabrik in Ilulissat zum Beispiel, in der die Produktion inzwischen jedes Jahr statt acht bis zu elf Monate läuft, weil das Meer länger eisfrei bleibt als früher. Dass das Eis schmilzt, lässt sich ebenfalls an der erhöhten Fließgeschwindigkeit des Sermeq Kujalleq, einer der aktivsten Gletscher der Welt, ablesen, der sich bis zu 40 m pro Tag bewegt. Die Eisberge, die sich beim Kalben des Gletschers lösen, bilden den Eisfjord bei Ilulissat, der zum Weltnaturerbe der Unesco gehört.

Jens Lyberth sieht aber nicht nur die Erwärmung des Wassers mit Sorge. Investoren schielen auf die grönländischen Rohstoffe im Meer und unter dem Eis, welche durch den Klimawandel einfacher auszubeuten seien. Die Ölbohrungen, die Grönland erlauben will, um die Abhängigkeit von der Fischerei zu reduzieren, hält er für eine Gefahr. Die damit einhergehende Verschmutzung sei unkalkulierbar. „Die Balance in der Umwelt ist schon auf verschiedene Weise gestört“, sagt er. „Wir müssen etwas tun.“ Sieht so aus, als würde er sich weiter engagieren – wieder ohne Kompromisse.