Protein-Boom High, higher, High Protein

Käse, Joghurt, Milch und Desserts mit einem Plus an Protein pushen den Markt seit Jahren. Und spülen Herstellern wie Händlern einen kräftigen Absatz- und vor allem Umsatzschub in die Kassen. Gesättigt ist der Markt noch lange nicht. Im Bereich der Desserts geht es erst richtig los.

Freitag, 30. April 2021 - Sortimente
Elke Häberle, Dr. Friederike Stahmann
Artikelbild High, higher, High Protein
Bildquelle: Getty Images

Gibt Kraft, verstärkt Wohlbefinden und Ausdauer, ist gesund, schmeckt gut und hilft auch noch beim Abnehmen: Wer will dazu schon Nein sagen? High-Protein-Produkte – und auch wenn der Trend nicht neu ist – haben als „Functional Food“ im Mopro-Bereich vergangenes Jahr erneut zu einem kräftigen Absatz- und Umsatzschub im Kühlregal geführt. Um 34 Prozent im Umsatz und um knapp 26 Prozent in der Menge ging es laut Nielsen Market Track für die Protein-Produkte der Weißen Linie nach oben. „Allerdings ist die Wachstumsrate nicht mehr so hoch wie im Vorjahr“, konstatiert Dr. Corinna Ludwig, Senior Sales Consultant beim Marktforschungsinstitut NielsenIQ.

Auch wenn die Wachstumskurve langsam abflacht, das Ende der Fahnenstange scheint noch längst nicht in Sicht, wie die Umfrage der Lebensmittel Praxis zeigt. Bei den Herstellern herrscht jedenfalls ungebremster Optimismus. „Der High-Protein-Trend ist mitten in der Gesellschaft angekommen. Der Markt ist dabei längst nicht nur von Skyr-Varianten getrieben: Joghurts, Desserts, Milch oder auch Milchmischgetränke – High Protein ist in vielen Kategorien mit innovativen Produktlösungen und hohen zweistelligen Wachstumsraten zu finden. Das Entwicklungspotenzial ist weiterhin enorm“, bringt Katharina Enzmann, Marketingleiterin bei Emmi Deutschland, stellvertretend für viele die Lage im Kühlregal auf den Punkt. Dieser Entwicklung folgend, hat Emmi zum Beispiel letztes Jahr „mit großem Erfolg“ den Emmi „Caffè Latte High Protein“ gelauncht und damit das Segment erneut erweitert.

Zielgruppe für sämtliche Protein-Bomben im Kühlregal sind laut Annika Sexauer, Leitung Produktmanagement bei Schwarzwaldmilch, „längst nicht mehr nur Hochleistungs- und Kraftsportler, sondern Alltagsaktive und gesundheitsbewusste Menschen – und zwar geschlechterübergreifend“. Kern der immer breiter werdenden Zielgruppe sind die 20- bis 45-Jährigen. Getrieben wird das Wachstum durch mehrere Faktoren: „Steigende Käuferreichweite, höhere Einkaufshäufigkeit und höhere Mengen. Dies kommt auch durch das steigende Angebot und die große Auswahl in vielen Warengruppen“, so Christian Oppitz, Geschäftsführer Marketing und Vertrieb bei Ehrmann.

Skyr legte den Grundstein
Die Initialzündung für das Wachstum mit dem Plus an Protein hat dabei Arla Foods im Jahr 2015 mit dem Launch seines Skyrs ausgelöst und damit die neue Produktkategorie im Markt etabliert. Bis heute wächst der Skyr-Markt dynamisch und „wird von der anhaltenden Nachfrage nach proteinhaltigen Produkten und einem höheren Gesundheitsbewusstsein der Verbraucher getrieben“, erklärt Anna-Lena Meyer, Senior Brand & Category Manager Joghurt bei Arla Foods Deutschland. Beliebteste Variante der Skyr-Marke Nummer eins ist „Bourbon Vanille“, zuletzt kam Ende 2020 mit Arla Skyr „Der Cremige“ eine weitere Variante für die „besonderen Genussmomente“ mit einem Schuss Sahne dazu, der sich laut Hersteller ebenfalls „sehr gut“ entwickelt. Bei den Karwendel-Werken, die mit Frischkäse, Quark und auch Skyrs unter der Exquisa-Fitline-Range „sehr erfolgreich“ im Skyr- und Protein-Segment unterwegs sind, hat sich laut Karwendel-Marketingleiter Gernot Döffinger die Absatzmenge allein bei den Skyrs (Natur, Vanille, Kirsche mild) vergangenes Jahr gegenüber Vorjahr verachtfacht: „Wir konnten hier knapp eine Million neue Käufer gewinnen – das zeigt uns einmal mehr, dass wir die Wünsche der Verbraucher im Marktumfeld optimal erfüllen können.“

Das Label „Protein“ zieht überall
Doch wie erwähnt, legten die Skyrs zwar den Grundstock, inzwischen zieht sich das Label „Protein“ oder „eiweißreich“ wie ein roter Faden und meist in schwarzer Optik durch das gesamte Kühlregal. „Neue Produkte werden sowohl von etablierten als auch neuen Playern auf den Markt gebracht“, weiß Marktforscherin Ludwig von NielsenIQ. Neben Pionier Arla mit seinem Skyr prägt vor allem Platzhirsch Ehrmann die Entwicklung des Marktes und dehnt das Segment High Protein immer weiter aus. „Auch in den kommenden Jahren wird das Thema Protein weiterhin eine große Rolle für die ernährungsbewusste Zielgruppe spielen und sich als fester Bestandteil im Sortiment etablieren“, so Christian Oppitz, Geschäftsführer Marketing und Vertrieb. Wachstumstreiber werden sich dabei in allen Segmenten wiederfinden und die Kategorie beflügeln. So treibt der „Markt- und Innovationsführer“ das Segment der proteinreichen Desserts und Puddings voran. Neuer Liebling ist hier laut Unternehmen das im letzten Jahr gelaunchte High-Protein-Mousse, in diesem Jahr kam ein Pudding mit Protein-Topping in zwei Varianten auf den Markt. Das Unternehmen aus dem Allgäu setzt dabei nicht nur auf ein Plus an Protein, sondern ebenfalls auf Funktionalitäten wie „ohne Zuckerzusatz“, fettarm, laktose- und glutenfrei und natürlich Genuss.

Überhaupt spielt gerade bei den Desserts mit Protein die Musik. So stieg deren Anteil laut Nielsen (siehe Grafik S. 13) inzwischen auf 5 Prozent, hat sich damit fast verdoppelt und weist somit die höchsten Wachstumsraten auf. Neben Ehrmann setzen auch Dr. Oetker oder Exquisa mit Pudding- und Griesinnovationen auf den Genuss ohne Reue – und treffen damit den Geschmack der Zeit wie eine Umfrage von YouGov zeigt: Befragt nach den Kaufkriterien von Joghurts oder Desserts zählt das Attribut „proteinreich“ zu den Big Five: So ist für 42 Prozent ein hoher Protein-Gehalt wichtig, noch wichtiger sind allerdings der Geschmack (93 Prozent), das Label „ohne Zuckerzusatz“ (66 Prozent), Mehrwegverpackung (55 Prozent) und Bioqualität (50 Prozent).

High Protein auch bei Trinkmilch
Doch auch in den anderen Segmenten herrscht eitel Sonnenschein. „Die Einführung ist erst ein paar Monate her, aber wir stellen fest, dass unsere frische Protein-Milch sehr gut ankommt“, freut sich Annika Sexauer von Schwarzwaldmilch. Die Schwarzwälder führen das unter anderem darauf zurück, dass es derzeit noch keine vergleichbaren Produkte im Frischebereich gibt. „Unsere Milch enthält zweimal mehr Protein als eine klassische Trinkmilch und ist ein super Basisprodukt für Shakes oder Müslis.“ Aber nicht nur bei Skyr, Desserts und Trinkmilch funktioniert das „Mehr“ an Eiweiß. „Bei unseren Quark-Cremes erhalten wir viel Lob für die tolle Konsistenz. Und auch die Milchmischgetränke haben sich bereits eine große Fanbase erarbeitet, da sie sich vor allem durch einfach gehaltene Rezepturen und einen natürlichen Geschmack abheben“, so Sexauer.

Und wie geht’s weiter? Bei Danone zum Beispiel mit dem Joghurtdrink „MyPRO+“ in der jüngsten Geschmacksvariante: Mango. Dort heißt es: „Wir sehen noch Potenzial in der ganzen Kategorie in Bezug auf das Geschmackserlebnis. Hinsichtlich der Zielgruppe glauben wir an zusätzliches Potenzial bei jüngeren Verwendern. Genau dazu werden wir unseren Handelspartnern in den nächsten Wochen zwei Konzepte für die Lancierung im Herbst vorstellen“, sagt Sandro Tichelli, Sales Director Danone EDP DACH.

Arla Foods wiederum sieht in der Kategorie Joghurt eine Verschiebung von Standard zu Mehrwegkonzepten wie Skyr/Protein, Bio und Griechisch und rechnet mit einer Fortsetzung des Trends. So werde das Protein-Segment als prominentes Mehrwertkonzept weiterhin noch viel Aufschwung erleben, denn mit einer Käuferreichweite von aktuell nur 29 Prozent laut GfK (Protein-Segment exkl. Skyr) gebe es noch viel Potenzial für die Zukunft. Bei Ehrmann ist man ebenfalls optimistisch. „Der Trend zu bewusster Ernährung ist weiterhin ungebrochen. Proteinreiche Lebensmittel erfüllen genau diesen Trend und sprechen sowohl die ernährungsbewusste als auch die sportaffine Zielgruppe an, unabhängig von Alter und Geschlecht. Neben dem hohen Protein-Gehalt spielen auch weitere Faktoren eine Rolle wie beispielsweise laktosefrei, glutenfrei, ohne Zuckerzusatz. Darüber hinaus bieten unsere Produkte nicht nur Funktionalität, sondern auch Genuss, was immer noch das wichtigste Kriterium beim Lebensmitteleinkauf ist. Außerdem kommt der moderne ‚Lifestyle-Charakter‘ der Produkte bei allen Zielgruppen sehr gut an“, fasst Manager Oppitz zusammen.

Bei Käse ist noch Luft nach oben
Und was macht die Gelbe Linie?! Die fährt im Gegensatz zur Weißen noch mit angezogener Handbremse: Als einer der ersten Anbieter hat Goldsteig bereits im Jahr 2018 einen Pasta Filata unter dem aussagekräftigen Namen „Protinella“ für die ernährungs- und fitnessbewussten sowie auch figurbewussten Genießer auf den Markt gebracht. Der Frischkäse kommt äußerlich wie ein typischer Mozzarella daher, hat mit 23 Prozent aber einen höheren Protein-Gehalt. Passend zur Zielgruppe kooperiert die Genossenschaftskäserei aus dem Bayerischen Wald dafür mit der Burda-Zeitschrift „Fit for Fun“. Jede Packung ist mit dem Hinweis „Empfohlen durch Fit for Fun“ versehen. Als proteinhaltiger Solitär im Mozzarella-Regal entwickelt sich der Käse nach Unternehmensangaben sehr gut, über weitere Produkte mit einem Mehr an Protein wird nachgedacht.

Die steigende Nachfrage nach Protein-Produkten durch mehr Käufer und eine erhöhte Mengen- und Ausgabenbereitschaft macht sich auch die Bel Group zunutze und hat vergangenen Sommer den Mini Babybel High Protein gelauncht. Angesprochen werden damit sportbegeisterte Käseliebhaber, die auf der Suche nach einem praktischen Energieschub und Sattmacher für Arbeit, Sport und unterwegs sind. „Babybel High Protein ist eine Varietät des klassischen Babybel-Originals und vereint alle Vorteile eines leckeren Käse-Snacks mit einer großen Portion Eiweiß für sportbegeisterte Käseliebhaber“, freut sich Martin E. Schygulla, Geschäftsführer Bel DACH. Der Anfang bei Käse in der Variante High Protein ist gemacht. Und ein Ende nicht in Sicht.

Protein-Eis: feste Größe in der TK-Truhe
Eissorten mit Protein-Zusatz: Sie gelten im Handel längst als Must-have. Gerade die Gewinner des Tiefkühl-Stars der LP berichten davon, dass Pro Delight, Breyers (Unilever), Halo Top oder Ehrmann High Protein Ice Cream (DMK) weiter wachsen. 5 Prozent der Neueinführungen bei Desserts und Speiseeis in Europa sind reich an Proteinen, rechnen auch die Marktforscher von Innova Database vor.

Die veganen Varianten sind aus Lupine, aus Mandelmilch, aus Erbsen- oder Sojaproteinen. Dabei sind sie oft, ebenso wie die Protein-Riegel, zucker- und fettreduziert. So kommen beispielsweise die Pro-Delight-Varianten aus Molkenprotein auf einen Nutri-Score von A, mindestens aber B. Der Besser-für-mich-Bereich werde wachsen, so heißt es bei Pro Delight. „Die Akzeptanz für Protein-Eis steigt stetig, was sich natürlich auch in den ersten Eigenmarken wie jüngst bei der Rewe zeigt“, bestätigt Marvin Stenzel, der Gründer von Pro Delight, dem „Protein-Eis mit dem höchsten Protein-Gehalt im Markt“, wie er erläutert.

Für Unilever sind diese ohnehin längst im Mainstream angekommen. Das zeigten das Magnum am Stiel oder die Ben-&-Jerrys-Kooperation mit Netflix, beide aus Sojaprotein.
Dabei setzen Hersteller wie Breyers zusätzlich auf außergewöhnliche Geschmacksvariationen wie Salted Caramel Cake, Cookies & Cream oder Mango & Coconut. „Damit holt Breyers alle Konsumenten ab, die bei der Wahl ihrer Lieblingsprodukte ganz genau hinschauen“, so Angela Nelissen, Uni‧lever‧Vice-President Refreshment, Eis und Tee DACH. „Eisgenuss muss heute keine süße Sünde mehr sein.“ Generell stehe bewusster Genuss hoch im Kurs, die Menschen möchten mehr „low in“- und „free from“-Produkte, so Angela Nelissen von Unilever DACH weiter. Das zeige auch das starke Wachstum von 55,7 Prozent des Besser-für-mich-Markts.