Reh Kenderman Keine Schockstarre

Der Brexit und eine geringe Ernte haben die exportorientierte Kellerei Reh Kenderman getroffen. Die Binger reagierten mit neuen Marken im Inland und konnten so ein gutes Jahr hinlegen.

Montag, 06. November 2017 - Sortimente
Tobias Dünnebacke
Artikelbild Keine Schockstarre
Bildquelle: Reh Kendermann

„ Damit haben wir alle nicht gerechnet“, sagt Alexander Rittlinger über jenen Tag im Juni 2016, als der Brexit beschlossen wurde. Rittlinger ist Geschäftsführer von Reh Kendermann (Bingen am Rhein), einer Weinkellerei, die im Ausland immerhin 45 Prozent ihres Umsatzes erwirtschaftet. Wichtigster Markt: UK. Hier wird unter anderem die Marke Black Tower vertrieben, die in diesem Jahr 50 wird. „Durch die Pfund-Abwertung hatten wir den Verlust quasi über Nacht“, sagt der Reh-Kendermann-Chef. Neben den schwankenden Wechselkursen, die nicht selten zu höheren Regalpreisen führten, erklärt Exportdirektorin Alison Flemming noch ein ganz anderes Phänomen, das den Bingern zu schaffen macht: Der wachsende Marktanteil deutscher Discounter in Großbritannien, der zu Veränderungen bei den „Big Four“, also Tesco, Sainsbury’s, Asda und Morrisons, führte. „Die deutschen Discounter verändern den britischen Handel und haben mittlerweile schon einen Marktanteil von bis zu 13 Prozent. Dies führt dazu, dass die klassischen Lebensmittelhändler ihre Sortimente verkleinern“, erklärt Flemming. So musste Reh Kendermann in UK/Irland ein Absatzminus von 3,7 Prozent hinnehmen. Insgesamt verzeichnet die Kellerei einen Umsatzrückgang im Export von 2 Prozent. Positiv entwickelten sich der skandinavische Raum (+ 8,9 Prozent) und China (+ 15,5 Prozent). Dennoch ist Rittlinger nicht zufrieden mit der generellen Entwicklung von deutschem Wein im Ausland: „Weine aus Deutschland verlieren außerhalb unserer Grenzen allgemein an Zustimmung. Sie gelten oft als zu süß, kompliziert und dadurch nicht mehr zeitgemäß. Auch bei der Ausstattung, also Etikett und Design, hinkt Deutschland anderen Herkünften hinterher. Dadurch wird es zunehmend schwieriger, neue Märkte zu erschließen“, so Rittlinger.

Black Tower bleibt der unangefochtene Star im Portfolio
Black Tower war trotzdem im Geschäftsjahr 2016/2017 die erfolgreichste deutsche Weinmarke weltweit. Mit 13,7 Mio. verkauften Flaschen verzeichnete Reh Kendermann hier ein Wachstum von 2,7 Prozent. Vor allem in Skandinavien gewann die Marke zuletzt stark. Neben der Pflege der Standardrebsorten setzt die Kellerei mit Black Tower immer wieder auf Line Extensions, die aktuelle Trends aufgreifen. „Mit der Einführung von Black Tower Sparkling Ice, dem ersten veganen und biologisch ausgebauten Schaumwein, ist es uns gelungen, die Marke für neue Zielgruppen zu öffnen und eine Lücke im Markt zu schließen. Damit konnten wir unsere im englischsprachigen Raum etablierte Marke weiter aufwerten“, erklärt Exportdirektorin Alison Flemming.

Die Ernte stellt die deutschen Winzer vor Herausforderungen
Allerdings gibt es neben schwierigen Exportmärkten ein weiteres Problem: die aktuelle Ernte. Noch weiß niemand, wie groß die Verluste durch Spätfröste ausfallen werden. Der vom Statistischen Bundesamt prognostizierte Rückgang von 18 Prozent könnte noch deutlich größer ausfallen. Rittlinger ärgert sich in diesem Zusammenhang über Spekulationen um Weinpreise vonseiten der Erzeuger. „Die Natur ist nicht beeinflussbar, doch durch die Spekulation um Weinpreise und die mangelnde Abgabebereitschaft von Most durch die Winzer während der Ernte wird eine weitere künstliche Verknappung geschaffen“, sagt Rittlinger. Die Kellereien stünden zwischen Erzeuger und Handel, die beide ihre Preisvorstellungen hätten. Kurzfristige Preisspitzen und Verknappung hätten den Effekt, dass deutscher Wein, vor allem im Ausland, aus den Regalen verschwinden werde. Außerdem seien die Erzeuger laut Rittlinger auch wieder auf die Kellereien als Abnehmer angewiesen, wenn es mal wieder zu einer richtig guten Ernte kommen sollte.

Positive Impulse kommen für Reh Kendermann aus dem Inland
Trotz dieser für eine exportlastige Weinkellerei ungünstigen Entwicklungen müssen sich die Binger nicht hinter ihrem Jahresergebnis (1. Juli 2016 bis 30. Juni 2017) verstecken. Insgesamt stieg der Umsatz um ordentliche 5,4 Prozent auf 73 Mio. Euro. Gleichzeitig zeigte sich ein knapp zweistelliges Absatzplus auf insgesamt 35,8 Mio. verkaufte Liter. Dabei bietet auch der deutsche Lebensmittel-Einzelhandel genügend Herausforderungen: Vor allem Umstrukturierungen und Sortimentsreduzierungen haben zu Einbußen der Marken Kendermanns (- 7,7 Prozent), Espiritu de Chile (- 3,3 Prozent), Val Duna (- 3 Prozent) und Lindeman‘s (-2 Prozent) geführt. „Um in einer sich verändernden Handelslandschaft zu bestehen, ist gezielte Markenpflege besonders wichtig. Wir setzen deshalb vor allem auf neue Produkte und individuelle Konzepte, die den Zeitgeist treffen“, sagt Alexander Rittlinger. Dem To-go-Trend entsprechend ist die 2015 eingeführte und erfolgreiche Strandgut-Weinschorle (+ 5 Prozent) seit Anfang des Jahres auch in der 0,275-ml-Longneck-Flasche erhältlich. Wichtige Treiber des Geschäfts sind für die Binger Kellerei auch Terroirkonzepte sowie kundenexklusive Premium-Eigenmarken. „Im Laufe der Zeit haben wir uns in Deutschland als Experte für das Thema Terroir erfolgreich im gehobenen Segment positioniert und etabliert. Das zeigen die konstant hohen Wachstumsraten in diesem Bereich“, erklärt Alexander Rittlinger. Diese im Inland gewonnene Expertise soll in Zukunft auch genutzt werden, um im Export wieder Impulse zu setzen.

 

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