„Die Wegwerfkultur in den Städten lebt davon, dass die Städte mit Millionenaufwand den Müll beseitigen. Damit ist in Tübingen jetzt Schluss: Wer Müll produziert, muss dafür bezahlen“, sagt Oberbürgermeister Boris Palmer. Mittelfristig verspricht er sich einen Übergang zu nachhaltigerem Konsum: „Ich bin mir sicher, dass die Verpackungssteuer umweltfreundliches Handeln befördern und Mehrwegsystemen zum Durchbruch verhelfen wird.“ In Kraft treten soll die Tübinger Verpackungssteuer im Januar 2021.
Die Händler müssen aufzeichnen wie viel Einwegverpackungen sie wirklich abgegeben haben. Sven Janken, Steuerberater bei Ebner Stolz in Bonn, sieht darin ein großes Problem: „Der bürokratische Aufwand ist gigantisch.“ Nicht jeder nehme das angebotene Einwegbesteck im Lebensmittel-Einzelhandel mit. Alleine der Verkauf eines To-Go-Artikels wird also nicht unbedingt für Klarheit sorgen. Der Streit sei da schon vorprogrammiert, so Janken. Die Verpackungssteuer fällt laut Beschlussvorlage nicht an, wenn der Händler das Einweggeschirr wieder zurücknimmt. „Dadurch wird der Nachweis noch komplizierter“, sagt Janken. Im schlimmsten Fall könne die Stadt die Steuerlast schätzen, obwohl der Händler alles richtiggemacht habe, den Verpackungsmüll zurückgenommen und entsorgt.
Natürlich steht auch weiterhin die Frage der Rechtmäßigkeit im Raum: Darf eine Stadt wie Tübingen überhaupt eine solche Steuer erheben? Die Stadt beauftragte ein Rechtsgutachten, in dem nun steht: Die entsprechende kommunale Satzung widerspricht weder Bundesrecht noch entsprechenden EU-Richtlinien. Das Gutachten ist eine wichtige Entscheidungsgrundlage, da die Stadt Kassel im Mai 1998 mit ihrem Entwurf einer kommunalen Verpackungssteuer vor dem Bundesverfassungsgericht scheiterte.