Wein / Sekt / Spirituosen Himmlisches Saisongeschäft

Handel und Industrie, allen voran die Spirituosenhersteller, sind schon auf das Weihnachtsgeschäft gepolt. Ist es dafür nicht zu früh?

Donnerstag, 24. Oktober 2013 - Getränke
Tobias Dünnebacke
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Für den Umsatz von Spirituosen kommt die wichtigste Saison des Jahrs: die Weihnachts- und Neujahrszeit. Die Hersteller stehen bereits in den Startlöchern und bieten dem Handel Neuheiten, Geschenkverpackungen sowie On-Pack-Promotions und hochwertige Verkaufsdisplays, um in den lukrativen Monaten ein möglichst großes Stück vom Kuchen ab zu bekommen. Aber ist es nicht eigentlich viel zu früh das Thema Weihnachten schon jetzt im Handel zu inszenieren?

Es ist eine alljährlich viel diskutierte Frage, wie viel Weihnachten der Handel bereits in den Monaten September und Oktober verträgt. Die Meinungen gehen hierbei weit auseinander. „Wir halten eine zeitliche Nähe zum Weihnachtsfest für sinnvoll. Wenn es spürbar dunkler und kälter wird, fängt eine gute Zeit an – also gut acht Wochen vorher“, sagt beispielsweise Frank Reisgies Leiter Berentzen Marken Deutschland. Pernod Ricard hingegen fängt mit der Unterstützung zum Jahresendgeschäft bereits Ende September an, wohingegen der Bonner Eierlikörhersteller Verpoorten für die Weihnachtspromotions eher Mitte November anpeilt.

Es ist ein Luxusproblem, dieses Dilemma. Wer früh auf das Thema Weihnachten setzt, kann Kasse machen. Allerdings laufen Händler und Hersteller auch Gefahr, Kunden zu verärgern. So kam beispielsweise die Kölner Agentur „Die Gefährten“ 2009 bei einer Umfrage zu dem Ergebnis, dass die frühweihnachtlichen Werbemittel einen negativen Eindruck hinterlassen können. Knapp die Hälfte der Befragten fand es nicht gut, dass es schon in den frühen Herbstmonaten Weihnachtsartikel in den Supermärkten gibt. Bei Brown-Forman (u.a. Jack Daniel`s) geht man mit dem Thema aber relativ entspannt um: „Die Schmerzgrenze definiert der Verbraucher. Solange er bei frühen Angeboten früher und mehr kauft, ist die faktische Schmerzgrenze nicht definiert“, heißt es auf Anfrage. Die Platzierung am PoS habe dabei großen Einfluss auf die Abverkaufszahlen. Daher wurden – basierend auf einer eigenen Marktforschungsstudie – Platzierungsempfehlungen für die Partner im Handel entwickelt, um sie dabei zu unterstützen, das Umsatzpotenzial von saisonal begrenzten Produkte voll auszuschöpfen.

Und dieses ist enorm, denn durch die Bank unbestritten ist: Die derzeitige Saison ist für Spirituosen die wichtigste Zeit des Jahres. „Die Hersteller wie auch der Handel generieren in diesen Monaten insgesamt mehr als 30 Prozent des Gesamtumsatzes“, sagt Manfred Jus, Managing Director bei Beam Deutschland im Bezug auf das Segemnt Whisky. Auch bei Diageo beginnt jetzt die spannende Zeit, die am Ende über Erfolg oder Misserfolg des Geschäftsjahres entscheiden wird. „Das Geschäft rund um die Weihnachtszeit ist für uns eines der wichtigsten im Jahr, wenn nicht das wichtigste überhaupt“, sagt Diageo-Sprecher Tobias Gerlach. Die Hamburger Marketing- und Vertriebsgesellschaft hat 2012 in den Wochen vor Weihnachten und Neujahr 21 Prozent des gesamten Jahresumsatzes im Off-Trade-Bereich, also dem LEH, Cash & Carry und Drogeriemärkte erwirtschaftet.

Auch beim Marktforschungsinstitut Nielsen zeigt sich die Besonderheit der Saison in den Zahlen. Katharina Verbeek, Getränke-Expertin bei Nielsen, weist aber noch auf einen anderen Umstand hin: „Das Weihnachtsfest, also besonders das vierte Quartal eines Jahres, hat einen starken Anteil am Spirituosenumsatz. Allerdings muss dabei beachtet werden, dass fast ein Viertel dieses Umsatzes im vierten Quartal über Promotions (Handzettel, Anzeigen in Tageszeitungen, Displays und/oder Price offs) generiert wird, was wiederum einem Anteil von fast 35 Prozent am Jahres-Promotionumsatz entspricht.“

Ob über Promotionverkäufe oder den herkömmlichen Regalpreis, die hochprozentigen Flaschen drehen sich schnell in den letzten Wochen des Jahres. Zu schnell für mache Händler, wie Campari-Sprecher Heiko Fabian feststellt: „Über die Jahre ist feststellbar, dass häufig die Nachfrage nach bekannten Premium-Spirituosen im Weihnachtsgeschäft unterschätzt wird, so dass es häufig zum Jahresende zu Out-of-Stocks und damit zu Umsatzausfällen kommt.“

Der Grund für die Beliebtheit von Spirituosen zum Weihnachtsfest liegt auf der Hand, denn zum einen haben Spirituosen einen gefestigten Platz als Geschenk und zum anderen wollen die Menschen das Fest mit Freunden und der Familie in jeder Hinsicht genießen. Und: „Spirituosen, gerade auch in attraktiven Geschenkverpackungen, haben aus Verbrauchersicht den Vorteil, dass sie sowohl frühzeitig als auch kurzfristig gekauft werden können“, sagt Frank Reisgies von Berentzen. Bei dieser Wahl scheint es dabei nicht nur um Masse, sondern auch Klasse zu gehen, denn Weihnachten ist auch die Zeit der hochpreisigen Produkte.

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Beam Deutschland beispielsweise verantwortet nicht nur Marketing und Vertrieb des weltweit bekannten Bourbon gleichen Namens, sondern hat auch preislich höher positionierte Whisk(e)ys wie den Islay-Single-Malt Laphroaigoder den Kentucky Straight Bourbon Maker’s Mark im Portfolio. Gerade dieses Premium-Segment erlebt zu Weihnachten seine Sternstunde. Höherwertige Whiskys würden in dieser Saison laut Jus einen Umsatzanteil von sogar bis zu 50 Prozent erreichen. „Insbesondere hochwertige Whiskys ab einem Verkaufspreis von 20 Euro pro Flasche erfreuen sich in der Herbst- und Weihnachtssaison großer Beliebtheit“, so Jus. Leicht verständlich, dass sich die Wiesbadener dieser Tage neben Erfolgskonzepten für den Massengeschmack, wie beispielsweise Jim Beam Hot Punch, auch auf teurere Produkte konzentrieren. Ein Beispiel dafür ist der neue Beam Signature Craft, ein Small Batch Bourbon, der durch eine besonders lange Reifezeit von 12 Jahren in neuen Fässern aus amerikanischer Weißeiche und komplexem Aroma sein Weg unter den deutschen Weihnachtsbaum finden soll.

Jan Rock, Sprecher der Henkell und Co. Sektkellerei, unterstreicht ebenfalls die Bedeutung des Preises und der Qualität der Produkte. „Der Anteil des Weihnachtsgeschäfts variiert nach Wertigkeit der Spirituose. Prinzipiell gilt, je wertiger die Spirituose ist, desto höher ist der Saison-Peak zu Weihnachten. Dies liegt bei besonders hochwertigen Spirituosen an den aus diesem Anlass signifikant gestiegenen Verschenk-Anteil“, so Rock.

„Genuss spielt eine große Rolle und so erfreut sich unser Premiumportfolio zum Jahresende besonders großer Beliebtheit“, stimmt Thomas Drossé, Geschäftsführer Vertrieb bei Pernod Ricard, in den Chor mit ein. Besonders die Bedeutung der so genannten „Super Premium“ Qualitäten steige im Jahresendgeschäft wie beispielsweise Single Malt Whiskey wie The Glenlivet und Rum wie Havana Club 7 Jahre.

Auch bei Diageo konzentriert man sich, neben den bewährten Klassikern wie Baileys, auf das exklusivere Sortiment. Johnnie Walker Gold Label Reserve kommt in einer auffälligen Sonderedition, und das Blue Label erhält ebenfalls zwei limitierte Editionen bereit, die in Kooperation mit dem britischen Designer Alfred Dunhill entstanden sind. Beide Editionen sind aber eher für den Fachhandel konzipiert. Mit Geschenksets und dem dazugehörigen „Classic Malts & Food Rezeptbuch“ und den drei klassischen Single Malts Talisker Storm, The Singleton und Cardhu 12y will der Hersteller zeigen, wie die edlen Tropfen am besten zubeispielsweise Käse, geräucherten Lachs und Schokolade bis hin zu würzigem Schinken kombiniert werden können.

Bei Campari möchte man natürlich auch die Stammmarke für die Saison bewerben. Mit „Babbo Natale“ (ital. für „Weihnachtsmann“) wird derzeit ein weihnachtlicher Cocktail beworben, ein geschmackliches Zusammenspiel von unter anderem Campari, Sherry, Portwein, Bourbon sowie Angostura Bitters. Aber auch bei Campari Deutschland spielen die Premium-Spirits eine entscheidende Rolle, beispielsweise die Grappa-Marke Sibona, für die attraktive Geschenkpackungen und -hüllen konzipiert wurden. Für den Weltmarktführer im Single Malt-Markt, Glenfiddich, gibt es ebenfalls eine aufmerksamkeitsstarke Geschenkverpackung.

n den vergangenen Jahren ist das Thema „Spirituosen in der Weihnachtszeit“ neben dem starken Abverkauf noch aus einem ganz anderen Grund interessant geworden. So hat sich beispielsweise über Produktinnovationen eine völlig neue Kategorie entwickelt: die „Winter Spirits“. Als treibende Kraft versteht sich hier Brown-Forman mit der Einführung von Jack Daniel’s Winter Jack. Der Apfel-Whiskey-Punsch verzeichnet laut Unternehmen zum Vorjahr ein Absatzplus von mehr als 40 Prozent (Quelle: unabhängiges Marktforschungsinstitut, LEH total exkl. Aldi, 2012 vs. 2011). Dieser Erfolg sowie die sich abzeichnende Marktdynamik für Produkte dieser Art – nach Winter Jack folgte die Markteinführung von Jim Beam Hot Punch sowie aktuell Jägermeister Winterkräuter – machen in Abgrenzung zu Glühwein & Co. eine eigene Kategorieeinteilung erforderlich. „Winter Spirits sind trinkfertige, heiß genossene und auf die Wintersaison beschränkte alkoholhaltige Premium-Produkte“, lautet die Definition bei Brown-Forman.

Bei Verpoorten kümmert man sich hingegen weniger um neu entstehende Kategorien, sondern möchte das Potenzial der eigenen Traditionsmarke voll ausnutzen und hat dabei die Bedürfnisse der Shopper im Blick: „Unsere Handelspartner wissen sehr genau, was der ’gestresste Weihnachtsshopper’ sucht beziehungsweise für ein gelungenes und genussvolles Weihnachtsfest braucht, um sich und andere zu verwöhnen“, sagt Verpoorten-Vertriebschef Peter Nicolay. Der Schlüssel sind Verbundplatzierungen, die das Bonner Unternehmen gezielt an die Handelspartner heranträgt und die für beim Verbraucher gelernte Rezeptklassiker alles mit einem Griff an einem Ort zusammenführen. Dazu zählen beispielsweise Kaffee-Cocktails mit Espresso & Co. genauso wie diverse Torten, Kuchen und Desserts mit dem gelben Klassiker. Dabei setzen die Bonner auch auf die eigenen Lizenzmarken (Pralinen von der Rüdesheimer-Confiserie-Pralinen, Baumkuchenspitzen von Kuchenmeister und Schichtdesserts von Merl) und passende Sortimente wie Kaffee sowie Kakao.

Allerdings gibt es auch Unternehmen, die dem derzeitigen saisonalen Hype etwas zurückhaltender gegenüberstehen. Was die gezielte saisonale Vermarktung betrifft, agiert beispielsweise die Henkell und Co. Sektkellerei anders als mancher Wettbewerber. „Wir generieren keine spezifischen Weihnachtspromotions, sondern unterstützen die gewichtigen Marken des Hauses das ganze Jahr hindurch mit klassischer TV-Werbung“, erklärt Rock. Dazu zählt neben Kümmerling Wodka Gorbatschow, mit den höchsten Werbeinvestments aller Wodka-Marken.

Fotos: Shutterstock

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