Alkoholfreie Getränke Das ewige Sorgenkind Mehrwegquote

Ob Einweg oder Mehrweg: Die Wahl der Verbraucher ist eindeutig. Oder wissen sie einfach nicht, was sie kaufen?

Dienstag, 17. September 2013 - Getränke
Tobias Dünnebacke
Artikelbild Das ewige Sorgenkind Mehrwegquote
Bildquelle: Mugrauer, Shutterstock, Gaffels

Ab Erscheinungstermin dieser Ausgabe der LEBENSMITTEL PRAXIS werden es nur noch wenige Tage bis zur Bundestagswahl sein. Die Wahl wird möglicherweise auch eine längst überfällige Entscheidung mit sich bringen: eine neue Kennzeichnungspflicht für Mehrweg- und Einweg-Getränkeverpackungen. Dabei sollen Händler neue Schilder an den Regalen anbringen, die eindeutig erkennen lassen, ob der Verbraucher gerade zu Einweg oder Mehrweg greift. Eine entsprechende Verordnung der Regierung gibt es bereits seit Ende 2012, wurde aber bisher weder im Bundestag noch im Bundesrat beschlossen. Sollte die Schwarz-Gelbe Koalition bei der kommenden Wahl bestätigt werden, könnten die Vorschläge aber wieder schnell auf der Agenda stehen und 2014 umgesetzt werden.

Die sinkende Mehrwegquote ist ein altes Sorgenkind der Politik. Laut Umwelt-Ausschuss ist der Anteil der in Mehrweg- und so genannten ökologisch vorteilhaften Einweggetränkeverpackungen (bspw. Kartons) abgefüllten Getränke in den Jahren 2004 bis 2010 von 71,1 Prozent auf 50,1 Prozent gesunken. Beim Haushaltsverbrauch von alkoholfreien Getränken sieht es noch trüber aus. Laut Wirtschaftsvereinigung Alkoholfreie Getränke (wafg) lag der Mehrweganteil hier zuletzt bei mageren 21,9 Prozent. Wohl gemerkt, trotz des vom Bundesumweltminister Jürgen Trittin eingeführten Einwegpfandes.

Ein Grund, so die Befürworter der Verordnung, sei, dass viele Verbraucher nicht wüssten, was sie kaufen. So kostet Einweg 25 Cent Pfand, bei Mehrwegflaschen mit Bier sind es 8 Cent und bei Limonaden 15 Cent. Einweg-Verpackungen werden deswegen zwar meist zurückgebracht und recycelt. Doch Mehrwegflaschen würden bis zu 50 Mal befüllt, was weniger Energie verbrauche und weniger Abfälle verursache. Das Bundesumweltministerium betont: „Die Verbraucherinnen und Verbraucher sollen in die Lage versetzt werden, sich bewusst für eine Getränkeverpackung zu entscheiden, die ihren ökologischen Ansprüchen genügt.“

Die Realität sieht aber (noch) anders aus: Generell würden die meisten Verbraucher Pfand mit Mehrweg assoziieren. „Verbraucherinnen und Verbrauchern, die sich beim Einkauf bewusst für eine Mehrweggetränkeverpackung entscheiden wollen, wird die Unterscheidung zwischen Mehrweg- und Einweggetränkeverpackungen durch die Kennzeichnungs- und Gestaltungspraxis von Abfüllern und Handel unnötig erschwert“, heißt es in einer Beschlussempfehlung des Umwelt-Ausschusses. Aber was würde eine neue Kennzeichnung am Regal für den Handel bedeuten?

Das Bundesumweltministerium rechnet mit zusätzliche Bürokratiekosten für eine neue Informationspflicht in Höhe von einmalig 5,6 Mio. Euro und jährlich 700.000 Euro. Kosten, die für den personellen und materiellen Aufwand für die neue Regalkennzeichnung entstünden. Der Handelsverband (HDE) hält diese Schätzung für nicht realistisch: „Interne Annahmen gehen von voraussichtlich nicht unerheblichen höheren Mehrkosten aus“, heißt es in einer Mitteilung.

„Keinesfalls darf es passieren, dass die Händler ganze Regale entsorgen und neubeschaffen müssen.“
Stellungnahme des HDE zum Verordnungsentwurf der Bundesregierung

Der Handel ist von den drohenden Maßnahmen nicht begeistert. Die Regelung belaste einseitig und ausschließlich die Händlerund gefährde deren freies Unternehmertum durch Einschränkungen der Positionierung sowie hohen verbundenen Kosten, heißt es in der Stellungnahme des HDE. „Keinesfalls darf es passieren, dass die Vorgaben (über Größe, Umfang, etc.) der Kennzeichnungspflicht dazu führen, dass Händler ganze Regale entsorgen und neu beschaffen müssen.“


Die Deutsche Umwelthilfe (DUH), seit Jahren an vorderster Front der Mehrweglobby, wittert angesichts der Verordnung eine Chance für weitere Maßnahmen gegen Einweg. Allerdings geht den Aktivisten das Paket nicht weit genug. Auch gelte es noch, schwere Fehler aus der Verordnung zu streichen. So weist Thomas Fischer, Projektmanager für Kreislaufwirtschaft bei der DUH, auf eine Schwachstelle des Entwurfs hin: Für die Verkaufsstellen, die entweder nur Einweg oder Mehrweg verkaufen, soll nämlich eine Ausnahmeregelung gelten. Dabei wäre es möglich, dass beispielsweise ein Discounter nur ein überschaubar großes Schild im Eingangsbereich anbringen muss. „Die Discounter, die nur Einweg-Produkte verkaufen und wo der höchste Aufklärungsbedarf herrscht, kämen mit dieser Regelung billig davon. Supermärkte hingegen, die wenigstens ein gemischtes Sortiment haben, würden abgestraft und gezwungen, unter jedes Produkt eine entsprechende Kennzeichnung anzubringen.“

Einigkeit herrscht sowohl bei HDE als auch DUH, dass eine Kennzeichnung auf den Etiketten sinnvoller wäre. „Eine ’Produktkennzeichnung’ wäre auch den Menschen zugänglich, die das Produkt lediglich konsumieren und nicht kaufen“, sagt HDE-Sprecher Kai Falk und Fischer ergänzt: „Sollten die Händler in die Pflicht genommen werden, wäre das besser als nichts. Allerdings wäre eine klare Einweg- beziehungsweise Mehrweg-Kennzeichnung auf den Etiketten sinnvoller.“

Diese Lösung allerdings gefällt der EU-Kommission nicht. Sie sieht darin Handelshemmnisse für den europäischen Binnenmarkt, da Importeure für den deutschen Markt spezielle Etiketten anfertigen müssten. Ein Argument, das Fischer nicht überzeugt: „Schon heute ist es so, dass Etiketten an den deutschen Markt angeglichen werden müssen, beispielsweise mit dem Pfandlogo oder bei den Inhaltsstoffen.“ Der Handelsverband sieht das ähnlich. Das DPG-Logo, der von HDE und BVE gegründeten Deutsche Pfandsystem GmbH, könne mit dem Hinweis „EW“ für Einweg ergänzt werden. Dies stelle einen unbürokratischen und sinnvollen Alternativvorschlag dar.

Weniger einig sind sich Handel und Umweltschützer allerdings bei der generellen Bewertung der Verpackungen. Während die DUH weiter vehement auf Mehrweg setzt, sieht der HDE das Thema differenzierter. Bei PET-Einweg seien in den vergangenen Jahren zahlreiche ökologische Fortschritte erzielt. Hohe Recyclingquoten, neue Werkstoffe wie PET aus nachwachsenden Rohstoffen, steigende Vielfalt bei Mehrwegflaschen und dadurch bedingt steigender Transportaufwand würden Anlass dazu geben, frühere Bewertungen zur Umweltfreundlichkeit von Mehrweg und Einweg in Frage zu stellen. „Es bedarf einer neuen und ehrlichen Bewertung der Ökobilanzen von Ein- und Mehrwegverpackungen“, sagt Kai Falk.

AfG wird meistens im Discount gekauft
Die Erhebung der Verpackungsstrukturen im Haushaltsverbrauch für den AfG-Markt durch die Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) bestätigt das Bild der Vorjahre. Danach zeigt sich das Verhältnis von Einweg und Mehrweg bei Verpackungen für alkoholfreie Getränke als weitgehend eingependelt. Die meistgekaufte Gebindeform bei alkoholfreien Getränken war 2012 wieder die 1,5-l-PET-Einwegflasche mit einem Marktanteil von 54,2 Prozent (2011: 53 Prozent).

Danach folgte mit 11,2 Prozent (2011: 11,4 Prozent) die 1-l-PET-Mehrwegflasche. Glasverpackungen kamen auf einen Anteil von 9,4 Prozent. Kartonverpackungen mussten geringfügige Einbußen hinnehmen und lagen 2012 bei 5,1 Prozent (2011: 5,6 Prozent). Die Dose zeigt sich trotz Revivals im Discount und LEH wieder schwächer und lag 2012 bei nur 0,3 Prozent (2011: 0,5 Prozent). Erhoben hat die GfK zudem Daten über die Vertriebsschienen im Einzelhandel. Discountern kam 2012 in Deutschland im AfG-Segment mit 54,2 Prozent weiterhin der herausragende Anteil beim Vertrieb von Alkoholfreien Getränken zu.

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