Reh Kendermann „Das Ansehen von südafrikanischem Wein leidet“

Eine neue Studie zeigt die pre- käre Situation auf afrikanischen Weinfarmen. Alexander Rittlinger, Geschäftsführer von Reh Kendermann, erklärt, warum solche Untersuchungen den Arbeitern nicht helfen und was stattdessen getan werden kann.

Sonntag, 13. September 2020 - Getränke
Elena Kuss
Artikelbild „Das Ansehen von südafrikanischem Wein leidet“
Bildquelle: Heike Rost

Südafrikanischer Wein verliert an Beliebtheit. Grund könnten die Preierhöhungen in der Kategorie sein: Der Export von Flaschenweinen ging laut South African Wine Information Service 2019 wertmäßig um vier Prozent zurück, das Gesamtvolumen schrumpfte jedoch um 14 Prozent. Die Ergebnisse der Studie „Günstiger Wein, bitterer Nachgeschmack“ der Rosa-Luxemburg-Stiftung und Verdi könnte die Exportzahlen weiter sinken lassen, glaubt Alexander Rittlinger. Die Untersuchung weist Verletzungen elementarer Rechte der Beschäftigten auf südafrikanischen Weinfarmen nach, die auch deutsche Supermärkte beliefern. Während der Corona-Pandemie dürfte sich die Situation weiter zuspitzen: Der südafrikanische Produzentenverband geht davon aus, dass aufgrund des vorübergehenden Alkoholverkaufsstopps 21.000 Arbeiter im Weinsektor entlassen werden.

Was bedeutet die Studie für das Reh-Kendermann-Weingut Napier in Wellington?
Alexander Rittlinger: Das Ansehen von Südafrikanischem Wein leidet unter solchen Studien-Ergebnissen, was die angespannte Situation im Land nicht verbessert.

Könnte sich der Verkauf durch die Studie verschlechtern?
Natürlich. Die Oxfam-Studie von 2017 hatte ebenfalls die Arbeitsbedingungen in Südafrika als fatal dargestellt. Das eigentlich Fatale ist jedoch, dass sich die Bedingungen durch diese Studie nur verschlimmert haben. Es gibt Länder, die daraufhin noch weniger Wein aus Südafrika bezogen haben. Wir können bestätigen, dass die Arbeitsbedingungen bei anderen Weingütern nicht unserem Standard entsprechen. Aber wenn der südafrikanische Wein nicht mehr gekauft wird, hilft das den Arbeitern nicht. Im Gegenteil!

Wie sieht es mit den Arbeitsbedingungen bei Napier Vineyards aus?
Wir konnten in Südafrika gemeinsam mit der Rewe das Leuchtturm-Projekt „14 Homes“ ins Leben rufen. Die modernen Häuser, die für die Mitarbeiter gebaut wurden, kann sich jeder anschauen. Wir helfen auch in Sachen Bildung und Erziehung. Aber es ist nur ein tolles Projekt in einem Land mit vielen Schwierigkeiten.

Zeitweise gab es ein Corona-Alkoholverbot in Südafrika.
Mit einem gewaltigen Schaden für die Gastronomie, die Fass- und Flaschenweinproduzenten. Gleichzeitig war der Export über zwei Monate komplett gestoppt. Wir und viele andere wissen gar nicht, wo der Jahrgang 2021 verarbeitet werden soll. Es gibt schlichtweg Platzprobleme.

Die Studie zeigt auch, dass das in der EU verbotene Herbizid Paraquat auf südafrikanischen Weingütern eingesetzt wird.
Unser Weingut liegt in einer der wärmsten Weinbauregionen Südafrikas, das bringt uns große Vorteile in Bezug auf den Einsatz von Spritzmitteln.

Das Pestizid wird also nicht eingesetzt?
Nein, dieses Herbizid wird bei uns nicht verwendet. Wir gehen sogar noch weiter und schaffen gerade ein Bodenbearbeitungsgerät an, das hilft, den Einsatz von Spritzmitteln weiter zu reduzieren. Ganz ohne kommen auch wir nicht aus. Aber allein aus Kostengründen ist unser Interesse, den Einsatz von Pflanzenschutz zu minimieren, groß.

Wie geht es für Reh Kendermann in Südafrika weiter?
Wir wollen in den nächsten zwölf Monaten Fairtrade-zertifiziert werden. Zertifikate und Siegel werden hinsichtlich der negativen Veröffentlichungen dabei immer wichtiger, um zu beweisen, dass wir anders arbeiten.

Welche weiteren Herausforderungen sehen Sie in Zukunft für den deutschen Weinbau?
Es ist nicht nur die Ungewissheit, wie es mit der Corona-Pandemie weiter geht, sondern auch der Klimawandel, der uns zukünftig noch große Probleme machen wird. Dürre, Frost, extreme Wettersituationen sind hier passende Stichworte. Wir werden uns mit einem Handelspartner für die Zukunft aufstellen und arbeiten an einem Projekt, das sich für neue Rebsorten in Deutschland stark macht.

Mehr verraten Sie noch nicht?
Es ist noch zu früh. Wichtig ist, dass wir vermehrt Projekte gemeinsam mit dem Handel umsetzen. Weder der Handel noch wir wollen stark schwankende Preise im Markt. Dafür braucht es aber Reben, die dem immer extremer werdenden Klima und Krankheitsdruck gewachsen sind und zuverlässigere Ernten liefern. Es wird etwas Neues auf die Verbraucher zukommen, das es gut und erfolgreich zu vermarkten gilt.

Die Weinlese in Deutschland hat begonnen. Verändert sie sich in diesem Jahr durch Corona?
Absolut. Wenn wir einen Teil der Produktion schließen müssten, wäre das eine Katastrophe!

Welche Maßnahmen haben Sie getroffen?
Wir trennen strikt die Standorte und vermeiden Kontakte untereinander. Eine räumliche und zeitliche Trennung ist implementiert, und wir appellieren wirklich an jeden Mitarbeiter, die Situation mit Abstand und Hygiene ernst zu nehmen. Für Anfang des Jahres bauen wir in der Füllung weitere Kapazitäten auf, um der Nachfrage gerecht werden zu können. Seit März haben wir knapp 20 Prozent an Absatz zulegen können. Schon vor der Corona-Pandemie wollten wir uns vergrößern. Die Umbaumaßnahmen zur Standorterweiterung in Bingen laufen wie geplant. Unsere Kapazität wird dort auf 24 Millionen Liter Tankkapazität erweitert. Der Umbau soll 2021 abgeschlossen sein.

Wie reagieren Sie bei der Lese auf die gestiegene Nachfrage?
Wir kaufen so viel Most und Trauben wie möglich! Aus Qualitätsgründen und um etwas unabhängiger von späteren Zukäufen zu bleiben.

Können Sie jetzt schon einschätzen, wie der Jahrgang 2020 wird?
Wir haben beste Voraussetzungen. Wir hatten in Rheinhessen und der Pfalz nur ein bisschen Sonnenbrand und Hagel. Ich glaube, es wird eine gute Ernte.