Bitburger Radikaler Optimist

Auch die Bitburger Braugruppe musste 2019 Federn lassen. Brauerei-Chef Axel Dahm will sich dem Mengendruck aber nicht unterordnen und die Wertigkeit von Bier stärker in den Fokus rücken. Das tut er mit einer für die Branche fast schon irritierenden Zuversicht.

Dienstag, 24. März 2020 - Getränke
Tobias Dünnebacke
Artikelbild Radikaler Optimist
Bildquelle: Bitburger

Axel Dahm ist ein Japan-Fan. Und vielleicht ist es sein Wissen über die fernöstliche Kultur, die Meditationstechniken und Lebensweisheiten, das den Braumanager derzeit insgesamt gelassener und ruhiger erscheinen lässt, als viele seiner Kollegen. Reine Spekulation.

Fest steht: Bei der Betrachtung der herausfordernden Situation auf dem deutschen Biermarkt verfällt Dahm zumindest nicht ins Grübeln oder gar Panik, schielt nicht nach links und rechts zu vermeintlich lukrativen, branchenfernen Trends, sondern sagt klipp und klar: „Wir bleiben der Kategorie Bier treu und suchen unser Heil nicht woanders.“

Das ist weniger selbstverständlich als es zunächst klingt, denn es gibt für die Branche keinen Grund zum Optimismus. Niedrige Durchschnittspreise, hoher Wettbewerbsdruck und ein allgemein sinkender Alkoholkonsum vermiesen den Brauern das Geschäft. Laut statistischem Bundesamt sank der Bierabsatz bis Ende November 2019 wieder einmal um 2,5 Prozent auf 85,2 Millionen Hektoliter. Da ist Kreativität gefragt. Branchenprimus Krombacher beispielsweise macht bereits ein Drittel seines Geschäftes mit alkoholfreien Getränken.

Das ist keine Option für Axel Dahm, dessen Brauerei 2019 rund 792 Millionen Euro erwirtschaftete und sich damit etwas besser entwickelte als der Markt (Umsatz Bitburger Brauerei: -0,7 Prozent; Absatz: -1,1 Prozent). „Wir haben angesichts des starken Sommers 2018 ein Umsatzminus bis vier Prozent erwartet und sind daher mit unseren aktuellen Zahlen wirklich zufrieden“, lautet das Fazit von Dahm, das auch für die Inhaber der Brau-Gruppe gelten soll.

Umsatz ist die Messlatte
Der Umsatz ist die Zahl, an der sich Dahm messen lassen will. „Unsere Branche ist zu mengenfixiert“, ist das Credo in Bitburg. Dahm nimmt dabei auch seine Wettbewerber in die Pflicht: „Wir sind weit davon entfernt, Bier wieder die Wertigkeit zu geben, die es verdient. Seit zehn Jahren haben wir kein Umsatzwachstum erlebt.“ Dabei gibt es durchaus Positives. Der durchschnittliche Preis für einen 20-x-0,5-Liter-Kasten Pils hat sich etwa seit den letzten Preisanpassungen auf 11,82 Euro erhöht. Das Durchbrechen der für viele Brauer kaum zu ertragenen Zehn-Euro-Grenze sieht man im Handel, der die Preise frei bestimmt, nur noch selten.

Es ist ebenso erfreulich für die Eifeler, dass man den Umsatz-Marktanteil bei der wichtigsten Kategorie Pils leicht auf 8,2 Prozent steigern konnte. Der häufig als austauschbares Industrieprodukt verschmähten Kategorie, die derzeit starke Konkurrenz von angesagten hellen Bieren aus Bayern bekommt, will die Brauerei in keinem Fall den Rücken kehren. Vielmehr stehen Wertigkeit und Unterscheidbarkeit von Pils im Zentrum der Kommunikation. Bitburger setzt dabei unter anderem auf den eigenen Siegelhopfen und den Hopfenbauer Andreas Dick aus der Südeifel, um unterscheidbar und anders zu sein als die Konkurrenz.

Auch die komplett alkoholfreie Range „o,o“, mit der Bitburger vor Jahren einen Innovations-Coup landen konnte, der bis heute zahlreiche Nachahmer gefunden hat, wächst wertmäßig, aber: „Der Wettbewerb hat sich deutlich verschärft“, so Dahm. Trotzdem machen solche Erfolgsgeschichten Mut für die Zukunft. Es fehlt in der Branche noch die eine zündende Idee, mit der man dem Gerstensaft nachhaltig wieder mehr Leben einhauchen kann.

Die Strategie in Bitburg heißt also: Impulse durch Neuheiten. Exemplarisch kann man hier das bernsteinfarbene Kellerbier nennen, das die Fans von milden Bieren abholen soll. Oder aktuell das glutenfreie Bitburger. Schätzungsweise bis zu acht Prozent der Menschen in Deutschland hätten laut Dahm mindestens eine Sensibilität gegenüber dem Klebereiweiß. Somit hofft man, einen Nerv zu treffen und das Thema aus der Nische zu holen. Laut Stefan Meyna, Leiter Bierherstellung, war es eine Herausforderung, das Gluten während der Reifung durch ein spezielles Verfahren geschmackserhaltend und schonend abzubauen: „Aber ich mag solche Herausforderungen, dafür bin ich Brauer geworden.“ Wie sich Bitburger aber auf Dauer gegen Wettbewerber wie Lammsbräu behaupten kann, bleibt abzuwarten.

Start mit Apfel-Cider
Ebenso neu ist ein Test in drei Bundesländern mit Bitburger Apfel Cider (produziert von der Kelterei Heil im mittelhessischen Weilmünster). Dahm sieht Cider als bierähnliche Kategorie, da es einen vergleichbaren Alkoholgehalt hat, zu ähnlichen Anlässen getrunken wird und zumindest im Ausland in der Gastronomie auch aus dem Zapfhahn kommt. In Deutschland haben sich schon Wettbewerber wie Carlsberg oder Heineken an Cider versucht. Der ganz große Erfolg blieb aus.

Zu guter Letzt Triple Hop‘d, eine Kooperation mit der Sierra Nevada Brewing Company, die die Kompetenz der Eifeler im Craft-Bier-Bereich stärkt. Obwohl die bestehende Marke Craftwerk kaum mehr als eine Spielerei ist, wird das neue Lager in der 0,33-Milliliter-Dose nicht nur online, sondern auch national bei Rewe verfügbar sein.