Interview mit Stefan Müller Bionade 2.0

Der regional verankerte Brunnen Hassia wagt mit Bionade den Sprung in die nationale Listung. Ein Gespräch mit Marketing- Geschäftsführer Stefan Müller über Aufstieg und Fall einer einst gefeierten Marke und seine Vision, diese wiederzubeleben.

Dienstag, 05. Juni 2018 - Getränke
Tobias Dünnebacke
Artikelbild Bionade 2.0
Bildquelle: Carsten Hoppen

Hassia ist ein sehr regional verankerter Brunnen. Jetzt kommt mit Bionade und Ti der nationale Rollout. Wie verändert das Ihr Unternehmen? Stefan Müller: Wir werden von der DNA her ein regional verwurzeltes Unternehmen bleiben. Aber mit den beiden neuen Marken stellen wir uns nun auch national auf und wollen vertrieblich unsere Strukturen insbesondere im Norden und Süden des Landes deutlich ausbauen. Ziel ist es, unsere regionalen Strukturen mit der nationalen zu verbinden. Diese Strategie ist sicher eine Herausforderung, eröffnet uns aber einige Optionen für die Vermarktung des gesamten Markenportfolios.gefeierten Marke und seine Vision, diese wiederzubeleben.

Dafür brauchen Sie Manpower. Wie viele Mitarbeiter haben Sie für dieses Projekt zusätzlich eingestellt?
Es gab mehr als 30 Neueinstellungen, um die nationale Vermarktung dieser Marken voranzutreiben. Wir meinen es also ernst (lacht). Insgesamt gab es ein sehr starkes Interesse und eine überwältigende Anzahl an Bewerbungen. Natürlich sind auch ehemalige Mitarbeiter von marktnahen Playern dabei, dies liegt in der Natur der Sache. Die Aufgabe ist offensichtlich auch in der Wahrnehmung und Einschätzung des Marktes sehr spannend.

Bionade, eine Erfindung des Braumeisters Dieter Leipold, erlebte bis 2007 einen kometenhaften Aufstieg. Dann kam der Absturz, und die Flaschen verstaubten teilweise in den Läden. Eine Schande für dieses innovative Produkt.
So wie Sie es beschreiben, geht es vielen. Es gibt kaum Konsumenten, denen die Marke egal ist. Sie ist ein Original und erfährt hohe Wertschätzung. Und es stimmt: In der Wahrnehmung ist Bionade nicht mehr so präsent.

Sie sind Markenmanager. Was lief damals schief?
Bionade war eine tolle Erfindung und ihrer Zeit weit voraus. Sie hat den Trend der hochwertigen, ökologischen Erfrischungsgetränke für Erwachsene begründet. Heute ist das der Zeitgeist. Der Markt und die Konsumentenbedürfnisse haben sich also verändert. Und es wurde sicher versäumt, die Marke weiter zu entwickeln. Da geht es um Innovationen, neue Sorten und Gebinde, aber auch um die Auswahl der Kanäle, in denen ich als Marke präsent sein möchte. Die Entwicklung hat einen unglücklichen Lauf genommen und dann kamen neue innovative Marken...

Sie selbst haben bei Ihrem früheren Arbeitgeber Eckes-Granini ein Limo- Konzept für Erwachsene erfolgreich im Markt platziert und damit den Trend belebt.
Granini – Die Limo. Aber auch Fritz Limo, Lemonaid oder Vio Bio bedienen den Trend Erwachsenenlimo - nade mit Anspruch an Qualität, Design und – zum Teil – weniger Süße. Da ist aktuell sehr viel Dynamik im Markt.

War aber nicht auch der Verkauf an ein Milliardenkonzern wie Oetker, der Bionade geschadet hat?
Dadurch hat Bionade den Nimbus „David gegen Goliath“ verloren. Man hat das Image „wir Kleinen ge-gen die Großen“ und das Motto „Getränk für eine bessere Welt“ bewusst genutzt. Wenn dann eine Marke in der Wahrnehmung der Konsumenten die „Unschuld“ verliert, nimmt sie Schaden. Dass die Preiserhöhung und der Übergang an Oetker zeitlich nahe beieinander lagen, war unglücklich, hatte aber nichts miteinander zu tun.


Jetzt ist Bionade also wieder in der Obhut eines kleineren Familienunternehmens. Was ist Ihre Strategie?
Wir arbeiten jetzt seit drei Monaten intensiv zusammen und haben bereits einige Ideen entwickelt. Wir nutzen dabei das komplette Marketinginstrumentarium, und es wird Neuheiten bei den Gebinden, Sorten und dem Design geben. Darüber hinaus wird die Gastronomie eine wichtige Rolle einnehmen, um die Marke wieder sichtbar zu machen.

Kommen wir zur zweiten Akquisition: Ti. Wie kann sich Ti im derzeit umkämpften Wettbewerbsumfeld durchsetzen?
Ti ist ein überragendes Produktkonzept. Es ist ein frisch aufgebrühter Premium-Tee aus ganzen Teeblättern, die höchste Qualitätsstufe, die es gibt. Der Tee-Geschmack steht dabei im Vordergrund. Mit weniger Zucker und natürlichen, biologischen Inhaltsstoffen bedient die Marke den aktuellen Trend. Wir nennen die Kategorie „Erfrischungstee“ in Abgrenzung zum klassischen Eistee. Von der Produktqualität her gibt es derzeit nichts Vergleichbares. Jetzt gilt es, die PS auf die Straße zu bringen.

Die Produktion von Bionade bleibt in Ostheim. Wo wird Ti hergestellt?
Wir haben die Teezubereitungsanlagen, sozusagen große Teekessel, von Radeberger übernommen. Seit Anfang des Jahres stehen sie bei unserer Tochter Rapp’s in Karben (Wetteraukreis, Anm. des Verfassers).

Stellt sich die Frage der Platzierung. Wo wollen Sie mit Ti hin?
Es ist unser Job, genau das herauszufinden. Momentan sind wir beim Eistee platziert. Das muss aber nicht unbedingt so bleiben, da sich er Markt aktuell sehr stark entwickelt.

Wo sehen Sie denn die derzeit größten Herausforderungen im Bezug auf den Lebensmittel-Einzelhandel?
Es gibt bei den Getränken noch einen großen Nachholbedarf, beispielsweise bei der Emotionalisierung von Marken und der Darstellung von Themenwelten. Das hat ein bisschen auch was mit der physischen Menge zu tun, die im Markt bewegt werden muss. Eine Zweitplatzierung bei Mineralwasser ist logistisch und in der Platzierung schwieriger umzusetzen als beispielsweise bei Süßwaren. Trotzdem gibt es die Möglichkeiten, den Konsumenten in einem positiven Umfeld zu inspirieren. Ich würde mir hier mehr anlass- und themenbezogene Platzierungen wünschen, Themen und Ideen dafür gibt es genügend. Eine der größten Herausforderung ist es aber auch, die richtigen Sortimente in das Regal zu bringen. Die Regalfläche ist nunmal begrenzt und die Vielfalt an Gebinden und Sorten enorm.

Spüren Sie Druck von den Start-ups?
Es ist klar, dass nur ein Bruchteil der derzeitigen Start-ups überleben wird, der Handel aber ein großes Interesse daran hat, solche Produkte zu listen. Ich denke, man sollte es nicht übertreiben und jede Woche neue Produkte listen, die der Konsument dann bald nicht mehr wiederfindet. Die Leute wollen zwar Abwechslung, aber sie suchen auch ein wenig nach Orientierung. Druck spüre ich nicht. Ich mag die Start-up-Kultur. Das bringt Bewegung in den Markt und führt dazu, dass sich auch etablierte Unternehmen permanent prüfen und weiter entwickeln müssen.

Kommen wir zu dem, was nach wie vor Ihr Kerngeschäft ist, das Wasser. Welche Trends beobachten Sie hier?
Eine Entwicklung, die sich schon seit Jahren abzeichnet und weiter fortsetzt, ist die Beliebtheit von Wasser mit wenig Kohlensäure oder stillem Wasser. Es gibt allerdings Ausnahmen. Unser klassisches Rosbacher mit viel Kohlensäure kann auch zulegen. Daneben steht natürlich die steigende Nachfrage nach Glas.


Wie erklären Sie sich diese Rückbesinnung auf ein eigentlich sehr unbequemes Gebinde?
Wenn Sie jemanden nach seinem bevorzugten Gebinde fragen, wird immer die Antwort Glas kommen. Es ist das hochwertigste Gebinde, bietet eine kühle Haptik und Nachhaltigkeit. PET ist für den Konsumenten immer ein Deal, den die Verbraucher eingehen. Denn es hat eindeutige Vorteile, ist leichter und geht nicht kaputt und damit convenienter. Es gibt bei den Gebinden wie so oft Wellenbewegungen. Im Moment steht eben mehr die Qualität im Vordergrund.

Ziehen Sie beim neuen GdB-Gebinde mit?
Wir sehen das grundsätzlich positiv. Wir haben sowohl GdB-Poolgebinde als auch Individualgebinde im Markt. Über deren Einsatz entscheiden wir bei unseren 20 Marken jeweils individuell. Die Flaschen sind für uns mehr als nur ein Behältnis, sondern selbstverständlich auch ein wichtiges Marketinginstrument.

Kommen wir zum Aufreger-Thema Nummer Eins: die Zuckerdebatte. Beschäftigen Sie sich damit?
Sehr intensiv sogar. Wir haben zwar einen hohen Anteil an Wasser-Marken, aber Softdrinks und Fruchtsaft sind für uns auch wichtig, und da ist das Thema Zucker sehr relevant. Unabhängig davon, ob es tatsächlich eine Steuer geben wird: Die Zeit des unbekümmerten Konsums ist vorbei. Das sollte man aber nicht als den Tod der Softdrinks missverstehen. Aber ich brauche für den Genuss in Zukunft eine Legitimation. Wir sind in der Verantwortung, die richtigen Angebote zu machen. Das steigende Bewusstsein für gesunde Lebensmittel sehen wir an dem steigenden Mineralwasserabsatz. Davon profitieren wir natürlich.

Lenken oder aufklären?
Ich bin kein Fan von Bevormundung. Es gibt auch eine Verantwortung des Konsumenten. Also ist es an uns, für das sich ändernde Bedürfnis ein gutes Angebot machen.

Die Industrie scheint dabei noch nicht wirklich eine Lösung gefunden zu haben. Der große Stevia-Hype ist erst einmal vorbei.
Es gab schon viele Konzepte, die keinen Erfolg hatten, denn: am Ende müssen die Produkte auch schmecken und der Konsument sie auch wiederkaufen. Unsere Chance besteht darin, dass die Bereitschaft, weniger süße Getränke zu konsumieren, stark gestiegen ist. Noch vor zehn Jahren war es sehr schwierig, ein neues Konzept mit weniger Zucker erfolgreich zu vermarkten. Heute gilt: Weniger Zucker heißt nicht unbedingt ein Verzicht auf Geschmack. Genau das bedienen wir mit Bionade und Ti. Was Stevia angeht: Ich fand die Entwicklung schade, aber vielleicht war es auch zu früh. Die Technologien werden von Tag zu Tag besser und somit auch das Geschmacksprofil. Vom Grundsatz war Stevia eine gute Alternative.

Ihr Credo „Wert vor Volumen“ schlägt sich auch in den Zahlen für das Jahr 2017 wieder mit einem leichten Absatzrückgang und einem kleinen Wertzuwachs. Wird sich diese Entwicklung fortsetzen?
Ich denke schon. Das hat sich in den letzten Jahren so entwickelt. Durch kleine Haushalte und den demographischen Wandel geht das Einkaufsvolumen zurück. Aber die Wertschätzung für gute Lebensmittel steigt auch. Wir bewegen uns in ausgereiften Märkten, und wer wachsen will, muss sich Gedanken machen. Und das kann nicht einfach nur die nächste Aktion sein.

Ihr Geschäft hängt auch noch von anderen Faktoren ab. Freuen Sie sich auf die Fußball-Weltmeisterschaft?
Also mein größter Wunsch ist tolles Wetter. Danach denke ich an die WM (lacht).