Erdinger: Interview mit Josef Westermeier „Die Branche ist verrückt“ - Erdinger: Interview mit Josef Westermeier: Teil 2

Ungewöhnlich offen analysiert der Erdinger-Chef Josef Westermeier im Gespräch mit der Lebensmittel Praxis, was im Bier-Markt falsch läuft.

Donnerstag, 19. Juli 2018 - Regalplatz
Tobias Dünnebacke
Artikelbild „Die Branche ist verrückt“ - Erdinger: Interview mit Josef Westermeier: Teil 2
Bildquelle: Martin Hirmer

Viele Brauer haben sich einen der strauchelnden Getränke-Großhändler unter den Nagel gerissen. War das je auch eine Option für Erdinger?
Die wurden nicht gekauft, weil das Geschäft so gut war und man damit Geld verdienen konnte – man musste sich Absatzwege sichern. Eine Beteiligung oder Kauf macht für uns als reine Spezialitätenbrauerei überhaupt keinen Sinn, weil unser Anteil bei einem Großhändler nur bei rund 2 Prozent liegt. Wir müssen auf Marke setzen. Die Marke Erdinger zieht die Menschen in die Läden, weil sie genau unser Weißbier wollen. Das ist unsere Herausforderung. Der Rest im Handel löst sich dann von alleine.

Alleine auf die Kraft der Marke zu setzten, ist riskant angesichts eines immer selbstbewusster werdenden Handels.
Wenn Sie keine starke Marke haben, brauchen Sie bei den Preisverhandlungen nicht auf den großen Erfolg zu hoffen. Erdinger hat immer noch die Kraft, bei den Verhandlungen mit einem vernünftigen Abschluss raus zu kommen. Wir wollen einen Abschluss, von dem beide – Brauerei und Handel – etwas haben. Unangenehm wird es, wenn ein einzelner Händler einer Brauerei so richtig schaden kann. Dann haben Sie die Hosen schon voll, wenn Sie nur dahin fahren. Das ist bei Erdinger nicht der Fall, wir sind gut und breit aufgestellt.

Eine starke Marke sichert den Absatzweg?
Schauen Sie: Wir müssten mit unseren 18 Außendienstlern theoretisch 40.000 Läden in Deutschland betreuen. Das ist nicht einmal ansatzweise möglich. Wenn dann einmal im Laden zwölf Sixpacks ins Regal eingeräumt wurden, kommt der nächste Außendienstler des Konkurrenten und räumt wieder um. Nein, wir müssen und können nur über die Marke für Begehrlichkeit bei Handel und Verbraucher sorgen. Das ist unsere einzige Möglichkeit.

Haben Sie Platzierungs-Tipps für unsere Leser?
Für uns ist der Block natürlich ideal, am liebsten unsere gesamte Weißbier-Range von den alkoholfreien Varianten über Urweisse bis hin zum Pikantus. Der Sixpack gehört immer in das Regal, am besten auf Augenhöhe, wo es sich am schnellsten dreht. Bei einem Preis von 4,99 Euro macht das auch dem Händler Spaß. Insgesamt hat der LEH aber ein vernünftiges Category Management und achtet auf die Schnelldreher.

Haben Sie keine Sorge vor dem Händler als Hersteller, Bier als Private Label?
Der Händler braucht uns doch. Mit Marken macht er sein Geschäft. Und er braucht uns auch, um seine Handelsmarken zu positionieren. Nach dem Motto „Auch gut, aber günstiger“. Die vergleichende Werbung über Marke und Handelsmarke von Lidl fand ich allerdings eine Katastrophe. Sollte der Discount seine aktuelle Geschäftspolitik fortführen, wird es dort auch in Zukunft kein Erdinger geben. Wir bieten beste Qualität und eine national durchgesetzte Spitzenmarke. Dafür müssen wir auch einen adäquaten Preis erzielen. Wir verzichten daher bei Aldi & Co. lieber auf Hektoliter und setzen weiter auf Preisstabilität sowie die vertrauensvolle Zusammenarbeit mit unseren Top-Partnern.

Sie haben das Preisdumping bei der Logistik angesprochen. Muss sich aber nicht auch die Industrie den Vorwurf mangelnder Wertschöpfung gefallen lassen?
Das ist richtig. Die größten Flaschen gibt es in der Braubranche. Wertschöpfung funktioniert hier seit Langem nicht mehr. Vor 30 Jahren hat eine Brezn ungefähr 20 Pfennig gekostet. Heute sind das schon 60 Cent. Das Gleiche gilt für andere Konsumgüter, für Kleidung, auch für die Miete. Nur das Bier kostet seit 30 Jahren in etwa das gleiche. Wenn sie aber an der Wertschöpfung nicht teilhaben, dann gibt es auch nichts zu verteilen. Ein Getränk, das nichts kostet, ist eben auch nichts wert.

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