Cognac Weinkrampf

Französische Edeldestillate wie Cognac boomen weltweit. Der hiesige LEH nimmt an diesem Wachstum aber kaum teil. Auch beim deutschen Weinbrand fehlen die Impulse. Woran liegt das?

Montag, 19. Februar 2018 - Getränke
Tobias Dünnebacke
Artikelbild Weinkrampf

Deutsche Destillateure und Winzer können beim Blick auf die französischen Kollegen eigentlich nur vor Neid erblassen. Typisch französische Marken wie Champagner oder Cognac haben stolze Preise und können trotzdem stark wachsen. Heimischen Erzeugnissen gesteht der Verbraucher beides häufig nicht zu. Seit Jahren verlieren typisch deutsche Spirituosen an Käuferreichweite und einst stolze Marken verschwinden nicht selten im Portfolio großer Unternehmen unter „ferner liefen“. Von Markenpflege oder gar Investitionen keine Spur. Besonders offensichtlich ist diese Entwicklung beim deutschen Weinbrand. „Die Weinbrandtrinker sterben gerade aus. Lediglich zu Weihnachten wird diese Kategorie interessant. Als Geschenk werden dann aber die bekannten französischen Cognac-Marken genommen“, erzählt ein Koblenzer Händler von seiner Erfahrung mit der Kategorie.

Die Franzosen also mal wieder. Die Beliebtheit deren Produkte auch und gerade jenseits der Landesgrenze zeigt ein Blick in die Statistik. So sind Weine und Spirituosen nach Angaben des französischen Export-Verbandes FEVS der zweitgrößte Überschuss-Posten in der Handelsbilanz. Die alkoholischen Getränke positionieren sich gleich hinter der Luftfahrtindustrie, die vom Branchenriesen Airbus getragen wird. Insgesamt haben die Franzosen im vergangenen Jahr Alkoholika im Wert von 11,9 Milliarden Euro in andere Länder verschifft und damit einen neuen Rekord aufgestellt. Dieser Bestwert ist unter anderem dem Erfolg des Cognac zu verdanken. Mit einem konkurrenzlosen Exportanteil von fast 98 Prozent behauptet sich der streng geschützte Weinbrand aus der gleichnamigen Stadt laut dem Verband Bureau National Interprofessionel du Cognac (BNIC) auf den internationalen Märkten. Die Ausfuhren haben in 2017 dabei um mehr als 10 Prozent an Volumen und 14 Prozent an Wert zugenommen. Insgesamt wurden fast 197,3 Millionen Flaschen exportiert, mit einem Umsatz von 3,15 Milliarden Euro. Beeindruckende Zahlen für eine Spirituose, die zumindest in Deutschland oft als altbacken, als Getränk für alte Herren, wahrgenommen wird.

Cognac Dossier
  • V.S. (Very Special): Das jüngste Destillat muss zwei Jahre alt sein.
  • V.S.O.P. (Very Superior Old Pale): Das jüngste Destillat muss mindestens vier Jahre alt sein.
  • X.O. (Extra Old): Ab 1. April 2018 gelten zehn Jahre als Mindestalter.

Was die Deutschen altmodisch finden, ist woanders gerade Trend
Besonders Nordamerika, China aber auch Russland und das Baltikum sind für die französischen Cognac-Häuser derzeit attraktive Märkte. In den USA haben Ende der 1990er-Jahre kurioserweise Hip-Hop-Stars wie Busta Rhymes und P. Diddy die Verkäufe der Marke in die Höhe schnellen lassen. Cognac gilt in diesen Kreisen, genau wie teure Autos, als Statussymbol. Ganz ähnlich ist es in China, das für die großen Spirituosen-Konzerne wie Rémy Cointreau (Rémy Martin, Louis XIII), Diageo (Hennessy) und Pernod Roicard (Martell) in Bezug auf Cognac nach Amerika der zweitgrößte Absatzmarkt ist. Hier gelten edle Weinbrände aus Frankreich nicht nur unter Staatsbediensteten als attraktives Geschenk. In Deutschland und insbesondere im deutschen Lebensmittel-Einzelhandel kommt das Cognac-Wachstum allerdings nicht so richtig in Schwung. Die Bundesrepublik ist zwar ein großer Export-Markt für Wein und Spirituosen aus Frankreich. Die Hersteller aus dem Nachbarland mussten hier im vergangenen Jahr aber Einbußen hinnehmen. FEVS-Chef Christophe Navarre begründete dies mit den gestiegenen Preisen – die Deutschen seien eben preisempfindlich.


Preissensibel oder doch scharf auf Premium-Konzepte?
Aber stimmt das in Bezug auf Spirituosen wirklich? Dem widerspricht zumindest Robert Ascher, Nielsen-Experte für Hochprozentiges, deutlich. „Für Cognac sehe ich nicht die preissensiblen Verbraucher als Ursache. Wir sehen zum Beispiel bei Gin und Whisky weiterhin ein steigendes Preisniveau und immer mehr Absätze verschieben sich in den Premiumbereich. Derzeit sinkt die Preissensibilität also sogar eher“, erklärt Ascher. Auch in den Bars und der Gastronomie seien nach wie vor der Gin-Trend und die Kategorie Whisky dominierend. Es sei noch unsicher, welche Welle als nächstes kommen werde. „Cognac und Rum werden immer wieder hoch gehandelt“, so Ascher. Anders gesagt: Cognac liegt hier zu Lande derzeit einfach nicht im Trend. Noch genauer: Er liegt im Lebensmittel-Einzelhandel nicht im Trend. Laut der Hitliste des Spirituosenverbandes BSI konnte Cognac 2016 im LEH lediglich um 2,5 Prozent im Absatz auf 847.000 Flaschen (à 0,7 Liter) wachsen. Deutlich unterproportional also zum Gesamtwachstum des Cognac-Marktes. Die gute Entwicklung in Deutschland muss also in den Szene-Bars und im Fachhandel generiert worden sein. Laut Catherine Le Page, Direktorin des BNIC, hätten die 280 Cognac-Häuser aber ein Angebot für alle Vertriebsschienen parat: „Manche Häuser arbeiten gerne mit spezialisierten Fachhändlern zusammen, die die Besonderheiten bestimmter Assemblagen genau erklären können. Die in der Öffentlichkeit bekannten Marken wissen aber auch einen modernen Vertrieb und die großen Supermarkt-Ketten zu bedienen.“

Destillate aus Wein sind Riesen in der Statistik – aber kein Trend
Und das deutsche Pendant? Der jährliche Mengenverlust (minus 4 Prozent im LEH 2016) sollte nicht darüber hinwegtäuschen, dass Weinbrand mit Marken wie Asbach Uralt (Underberg), Chantré (Rotkäppchen-Mumm) oder Goldkrone (Hardenberg-Wilthen) hierzulande nach wie vor einen großen Markt repräsentiert. Laut Statistischem Bundesamt nahm die Kategorie 2016 8,4 Prozent der Gesamtproduktion ein. Sie platziert sich damit auf Platz fünf der mengenmäßig größten Spirituosen in Deutschland. Impulse für einen Aufwärtstrend sind jedoch nicht zu erkennen. Für die deutsche Version von Cognac bedeutet auch die neue Lust der Verbraucher auf Premium im Prinzip nichts Gutes: Es fehlt schlicht ein Angebot an solch hochwertigen Marken, die preislich über der 15-Euro-Grenze je Flasche liegen. Cognac hingegen hat beim Konsumenten eine höhere Wertigkeit. Hier wird die Kategorie von Häusern wie Hennessy und Rémy Martin, also Premiummarken, dominiert. „Gerade beim Weinbrand sehe ich die Ursache im Image der Kategorie. Es fehlt an hochwertigen Konzepten mit guten Geschichten, von der die gesamte Kategorie eine Aufwertung in der Wahrnehmung erfahren würde“, erklärt Ascher. Dabei gibt es durchaus Bemühungen. Hardenberg Wilthen verkauft seinen Weinbrand auch in V.S.O.P.- und XO-Qualität und setzt auf lange Reifung der Destillate in Limousin-Eichenholzfässern. Asbach feierte im vergangenen Jahr sein 125-Jähriges, neben einer PR-Kampagne mit einer exklusiven Sonderedition. Gebrannt wurden alle Destillate dieser Cuvée in Rüdesheim am Rhein. Das älteste Destillat führt zurück in das Jahr 1957, das jüngste ist von 2014. Keine schlechte Geschichte eigentlich.

Interview mit Christoph Kolb: „Warendruck wird hier groß geschrieben“

Christoph Kolb betreibt einen Edeka-Markt in Volkach (Franken). Seine Spirituosenabteilung hat das Niveau eines Fachgeschäfts. Mit der Lebensmittel Praxis sprach Kolb über seine Erfahrung mit der Kategorie Cognac/Weinbrand.

Was für Menschen kaufen bei Ihnen Cognac?
Christoph Kolb: Das sind tatsächlich meist ältere Kunden, auch Menschen, die wir noch gar nicht kennen, also keine Stammkunden.

Wie kann man Cognac Ihrer Auffassung nach im Supermarkt richtig verkaufen?
Wenn man auf das Category Management achtet, ist schon viel geholfen. Neben den Standardsorten sollte man auch in kleinen Mengen Besonderheiten und Fachhandelsartikel führen. Miniaturen, lange Reifezeiten und limitierte Verpackungen gehören auch dazu. Warendruck wird bei uns groß geschrieben.

Cognac ist kompliziert. Wird im Markt viel darüber geredet und nachgefragt?
Wenn die Kunden Beratung suchen dann meist, weil sie ein Geschenk für einen Jubilar suchen. Da muss entsprechend eine kleine Story dahinter stehen. Das Geld wird ja gut angelegt.

Kennen sich Ihre Mitarbeiter mit den unterschiedlichen Definitionen beispielsweise bei V.S.O.P.- oder XO-Qualitäten aus?
Unser Abteilungsleiter ist ein Experte auf seinem Gebiet. Falls er mal nicht im Haus ist, werde meistens ich gerufen. Durch unsere Landkarten und Warenkunden kann man meistens gut improvisieren. Selbst Azubis nutzen diese Möglichkeit.

Was können die deutschen Weinbrand-Hersteller vom Cognac lernen?
Wie bei den meisten französischen Spezialitäten gilt auch hier: mehr Wertschöpfung generieren! Wir brauchen coole Storys mit Hintergrund und Exklusivität.