Smoothie-Markt Der zweite Frühling?

Nach der Ernüchterung in 2009 boomt der Smoothie-Markt wieder. Derzeit überfluten immer neue Produkte den Markt. Die Fläche am PoS bleibt aber oft nur für die großen Player reserviert. Zu Recht?

Donnerstag, 18. Januar 2018 - Getränke
Tobias Dünnebacke
Artikelbild Der zweite Frühling?
Bildquelle: Carsten Hoppen, Getty Images, Nielsen, True Fruits, Edeka Kuhn, Rabenhorst

„Superfood“, „Chilled“ , „Antiox“ und „Green“ sind aktuell die Trend-Begriffe, mit denen jeder Smoothie-Fan etwas anzufangen weiß. Kaum eine Getränkekategorie präsentiert sich derzeit so vielfältig und dynamisch. Von traditionsreichen Unternehmen wie Eckes-Granini, Valensina und Rabenhorst bis hin zu Neulingen aus der Gründerszene: Es vergeht kaum eine Woche in der die Redaktion der Lebensmittel Praxis nicht mindestens eine Neuheit aus püriertem Obst erreicht. Keine Frage: Der Markt boomt wie nie zuvor. Hatten Pessimisten während der Konsolidierungsphase im Zuge der Finanzkrise (unter anderem gaben Chiquita und Danone ihr Smoothie-Joint-Venture auf) schon den Abgesang auf die Kategorie angestimmt, so sprechen die Zahlen mittlerweile eine ganz andere Sprache. Der Markt explodierte 2015 von 66 Mio. Euro auf 123 Mio. Euro. Im vergangenen Jahr wurden mit „Liquid Fruit“ laut den Marktforschern von Nielsen dann 159 Mio. Euro erlöst. Eine GfK-Umfrage im Auftrag des Herstellers Rabenhorst kam zu dem Ergebnis, dass mittlerweile fast die Hälfte aller Deutschen regelmäßig Smoothies trinkt. Auch auf den internationalen Märkten steht alles auf Wachstum. So prognostiziert beispielsweise der britische Analyst Technavio für die Smoothies einen weltweiten Zuwachs bis 2020 von mehr als 7 Prozent.

Grünzeug verkauft sich

Einen Anteil am Wachstumsschub der Smoothies haben die Green Smoothies, allen voran das Produkt von True Fruits. „Die Grünen“ setzen neben pürierter Frucht auch auf bspw. Spinat, Grünkohl und Matcha. Die Gemüseanteile bringen eine leicht herbe, grasige Note, sollen aber, natürlich, der Gesundheit nicht abträglich sein.

Für die Hersteller sind Alleinstellungsmermale wichtig
Unangefochtener Marktführer sind mit einem Umsatz von über 40 Mio. Euro die Bonner Werbe-Provokateure („Bei Samenstau schütteln“) True Fruits. Diese schreiben sich das Markt-Wachstum in Deutschland zum großen Teil auf die eigene Fahne, beispielsweise mit der Einführung der so genannten „Green Smoothies“ mit unter anderem Spinat, Grünkohl und Matcha. Diese Produkte hätten die Verbraucher beispielsweise mit einer entgiftenden Wirkung überzeugt. Überhaupt scheint ein wichtiger Grund für den Smoothie-Erfolg das Bedürfnis nach gesunden Produkten zu sein. Und Smoothies sind eben für Obst- und Gemüsemuffel eine einfache Lösung, um an wichtige Vitamine und Mineralstoffe zu kommen. Trotzdem ist das Attribut „gesund“ heute nicht mehr ausreichend, um Aufmerksamkeit zu erlangen. Von Eckes-Granini über Rabenhorst bis zu Voelkel und Valensina: Zahlreiche Unternehmen strömen derzeit mit neuen Konzepten in die Märkte und wollen um die Gunst der Verbraucher buhlen. Auch das Start-up Little Lunch, ursprünglich bekanntgeworden durch Bio-Suppen, mischt mittlerweile mit. Die Augsburger sehen ihren Vorteil bei der langen Haltbarkeit. „Unsere Smoothies können ungekühlt gelagert werden und sind bis zu zwei Jahre haltbar. Das erleichtert vieles in den Bereichen Logistik sowie Handel und ist auch für die Kunden völlig unkompliziert“, erklärt der Geschäftsführer Denis Gibisch. Mittlerweile seien die Smoothies von Little Lunch u.a. bei Rossmann und Edeka Südbayern gelistet. Aktuell befindet sich Little Lunch außerdem in Gesprächen mit Rewe sowie weiteren Edeka Regionen. Auch Valensina gibt sich Mühe, ein unterscheidbares Produkt zu bieten und arbeitet dafür mit dem Tiefkühlspezialisten Jütro zusammen. Die frischen Früchte des „Smoothie Mix“ werden mit dem Valensina Saft aufgegossen und im Mixer püriert.


Das Chilled-Segment bleibt bei der Industrie im Fokus
Wettbewerber setzen vor allem auf das Thema gekühlte Smoothies. Neben Eckes-Granini („Hoch 2“) ist das beispielsweise Rabenhorst aus Unkel. Neben der in 2015 eingeführten Range der ungekühlten, haltbaren Smoothies, bietet der Hersteller die Fruchtpürees ab sofort auch gekühlt in Glasflaschen mit Embossing (Prägung) und Keramikdruck an. Der jeweilige Zusatznutzen wird dabei schon im Namen deutlich (Antiox, Energie, Immun etc). „Unsere Produkte versuchen nicht, einen neuen kurzlebigen Trend zu initiieren, sondern die wirklich durch den Smoothies-Käufer gewünschten Aspekte ‚Natürlichkeit‘ und ‚Gesundheit‘ glaubhaft in einem modernen und frischen Produkt zu bieten“, sagt Rabenhorst- Geschäftsführer Klaus-Jürgen Philipp. Die Rabenhorst Smoothies sind aktuell bei der Edeka Rhein-Ruhr sowie bei Globus gelistet.

Nielsen Statement

Die Nielsen-Expertin Petra Ossendorf kommentiert für die Lebensmittel Praxis die aktuelle Entwicklung (YTD bis KW 39 2017 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum, LEH, GAM, DM) bei den Smoothies: „Die Discounter generieren zwar knapp 44 Prozent des Smoothie Absatzvolumens, allerdings nur 34 Prozent des Umsatzes gemessen am Gesamtmarkt. Der Umsatzanteil der Handelsmarken im Discount liegt bei ca. 88 Prozent, denn: Bei Aldi, Lidl und Norma sind Marken bisher noch nicht gelistet. Das Wachstum der Marken kommt über Promotions: Bis zu 40 Prozent des Wachstums werden so generiert. Ein Trend sind derzeit Marken mit größeren Gebinden: Die Hersteller bauen im Verbrauchermarkt die Distribution für größere Gebinde (0,75 l) aus. Die Verbrauchermärkte stehen für knapp 50 Prozent des Umsatzes gemessen an LEH, DM, GAM und können auf dieser Basis stärker wachsen als die Discounter. Aufgrund der knappen Fläche im Kühlregal werden künftig wohl eher hochwertige Konzepte mit guten Gewinnspannen im Fokus stehen.“

Händler haben kaum Platz für die Anzahl an Neuheiten
Trotz der derzeitigen Euphorie und den Listungserfolgen einzelner Hersteller: Es gibt auch Händler, die Neuheiten erst einmal kritisch betrachten. Einer von Ihnen ist der Edekaner Manuel Kuhn aus der Nähe von Karlsruhe. „Wir haben eine klar definierte Fläche für diese Produkte und sind daher gezwungen, sehr genau hinzusehen (siehe Interview links). Nielsen-Expertin Petra Ossendorf glaubt, dass der begrenzte Platz im Regal zu einer Aufwertung der Kategorie führen wird. „Aufgrund der knappen Fläche im Kühlregal ist zu vermuten, dass zukünftig eher hochwertige Konzepte mit größeren Gewinnspannen beim Handel weiter im Fokus stehen“, sagt die Nielsen-Analystin. Und genau das ist es, was der Handel von den Herstellern verlangt. „Die Innovationskraft der Hersteller hat etwas nachgelassen. Insofern bietet das Sortiment noch Potenzial für mehr Innovationen. Dann können wir auch darüber nachdenken Regalflächen für Smoothies auszubauen“, sagt Stefan Weiß, Geschäftsbereichsleiter Vertrieb Rewe Deutschland. Ob der Rewe-Manager damit das meint, was sich Peter Klassen aus Trier ausgedacht hat, ist zu bezweifeln.

Kein Witz: Es gibt jetzt auch einen Smoothie mit Fleisch
Der Metzgermeister produziert nämlich Hühnchen und Rind für die Flasche – zum Trinken. Drei Sorten Fleisch-Drinks hat er bis jetzt entwickelt. Die Flaschen kosten 3,80 Euro für 0,33 l. „Es ist eine Trink-Mahlzeit für Menschen, die unterwegs sind – wie Handwerker, Lkw-Fahrer, aber auch Wanderer oder Sportler“, sagt Klassen. Er will das Getränk auch in Tankstellen und im Einzelhandel bundesweit vertreiben. „Es wird Befürworter geben, aber genauso viele Gegner, die die Vorstellung, Fleisch zu trinken, abstoßend finden.“ Dafür habe er Verständnis.


Das sagt der Händler

Edekaner Manuel Kuhn hat seine eigene Erfahrung mit der Smoothie-Schwemme gemacht. Hier seine Einschätzung.

Wo werden Smoothies am besten platziert?
Manuel Kuhn: Wir haben 2016 im Zuge einer Modernisierung das Thema Smoothies aus dem Convenience-Regal herausgelöst und spielen das seither in einem Solitär-Möbel in der O&G-Abteilung. Ob aufgrund dessen, oder aufgrund des allgemeinen Hypes um diese Kategorie unsere Abverkaufszahlen seitdem durch die Decke gehen, können wir nicht sagen. Klar ist jedoch: Wir haben eine klar definierte Fläche für diese Produkte und sind daher gezwungen, sehr genau hinzusehen, welches Produkt macht Sinn und welches eben nicht.

Können Sie die Vielfalt des Marktes überhaupt abbilden?
Mit den großen Playern bekommt man das Regal schon sehr gut bestückt. Da bleibt wenig Platz für Nischen. Dennoch probieren wir häufig auch Neues aus. Die Erfahrung zeigt leider auch, dass gerade z. B. Produkte wie Kale and me, die durch die Sendung „Die Höhle der Löwen“ gepusht wurden, für einen begrenzten Zeitraum sehr gut funktionieren, um dann beinahe über Nacht bedeutungslos zu werden.

Wie bewerten Sie die Innovationskraft der Branche?
Ein bemerkenswertes Merkmal dieser Kategorie ist, dass nahezu jeder Absender für sich in Anspruch nimmt, einzigartig zu sein. Besonders biologische, besonders außergewöhnliche oder besonders nachhaltige oder auch besonders geografisch einzugrenzende Herkunft der Zutaten gepaart mit z. B. auch noch Charity-Aspekten. Das sind oft sehr komplexe Aussagen, die der Kunde am besten mit zwei Schlagworten quasi im Vorbeigehen erfassen soll. Ob das immer funktionieren kann, da sind wir nicht sicher.

Spiegelt sich das Wachstum der Kategorie auch im Markt wider?
Ja. Wir haben für uns entschieden, nochmals das Regal auf bestehender Fläche zu vergrößern, um etwas mehr Produkte dieser Kategorie handeln zu können. In unserem neuen Markt haben wir gleich bei der Planung eine größere Fläche für Smoothies vorgesehen.