Bier Druck im Braukessel

Der Biermarkt steht beim Volumen weiterhin unter Druck. Die Brauereien versuchen, schwindende Absätze durch mehr Wertigkeit zu kompensieren und schrecken auch vor Preiserhöhungen nicht zurück.

Donnerstag, 30. November 2017 - Getränke
Tobias Dünnebacke
Artikelbild Druck im Braukessel
Bildquelle: Getty Images

Abgesehen von kleinen Braumanufakturen liegt der Gerstensaft im Land des Bieres nicht gerade im Trend. Das ist keine Neuigkeit. Was aber immer wieder überrascht, ist die Kontinuität von Stagnation und Rückgang. So verloren die deutschen Brauer laut Statistischem Bundesamt von Januar bis einschließlich September 3,1 Prozent Ausstoß und kamen insgesamt auf 72 Mio. hl. „Es ist vor allem das Wetter, das den Brauereien einen Strich durch die Rechnung machte: Die äußerst regenreichen und teils sehr kühlen Sommermonate schlagen sich auf die Bilanzen nieder“, erklärt Holger Eichele, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Brauer-Bundes. Aber es liegt nicht nur an fehlendem Grillwetter. Die Bevölkerung altert, und einer Studie der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung zufolge trinken selbst junge Menschen in der Tendenz weniger Alkohol als noch vor einigen Jahren. Was gesamtgesellschaftlich gesehen eine positive Nachricht sein mag, stellt die Brauer vor das Problem der Überkapazität. Besonders bitter: Im Gegensatz zu früheren Jahren schwächelt laut den Wiesbadener Statistikern auch der Export in die Partnerstaaten der Europäischen Union (minus 3,1 Prozent zum Vorjahreszeitraum) und nach Übersee (minus 6,6 Prozent).

Allerdings hat der Brauerbund die Hoffnung für die finale Bilanz für 2017 noch nicht aufgegeben: Schließlich steht das lukrative Weihnachtsgeschäft noch bevor. Außerdem sind alkoholfreie Biere und Mixes in der Wiesbadener Statistik nicht enthalten. Und diese nehmen einen immer größeren Anteil am Absatz ein. Allerdings führt die Schwemme an neuen Produkten – neben alkoholfreien Varianten handelt es sich vor allem um Spezialitäten, die die Nachfrage nach Craft-Bieren befriedigen sollen, – zu einer Überforderung des Handels. „Nicht alles kann ins Regal. Da wird es voraussichtlich in nächster Zeit eine Konsolidierung geben“, sagt Marcus Strobl, Bierexperte bei Nielsen, über einen Markt, der mit 1.400 Brauereien und 6.000 Biermarken für den durchschnittlichen Konsumenten völlig unübersichtlich geworden ist. Und die Zahl steigt weiter: Allein 2016 kamen 16 neue Brauereien dazu. Derzeit gibt es damit in Deutschland die höchste Anzahl seit der Wiedervereinigung. Das Paradoxe: Trotz rückläufigen Konsums will der Kunde Vielfalt und interessiert sich für Spezialitäten. Bekannte Sorten wie Pils verlieren durch das Überangebot an niedrigen Aktionspreisen an Wert und wohl auch an Attraktivität. Weil die Konsumenten für Spezialitäten mehr zahlen, haben viele Brauereien das Angebot an besonderen, nicht-alltäglichen Bier-Stilen stark ausgeweitet. Aber der Handel müsse laut Strobl schauen, wie er das wachsende Angebot unterbringt. Auch für Brauereien lohne sich nicht jede Sorte. „Irgendwann wird abgerechnet“, sagte der Marktforscher. „Wir beobachten bereits, dass die Anzahl der Biermix-Produkte im Handel zurückgeht.“ Lediglich aus dem alkoholfreien Segment, das immer mehr als Alternative zu Wasser und Softdrinks vermarktet wird, kommen hier Wachstumsimpulse. Alkoholfreie Biermixgetränke haben laut Nielsen im ersten Halbjahr 2017 beim Absatz um fast 20 Prozent zugelegt und liegen jetzt bei knapp 36 Mio. l.

Helles gewinnt

Eine aktuelle Untersuchung von Nielsen zum Oktoberfest zeigt: Hell- und Spezialitäten-Biere gewinnen deutschlandweit. Am stärksten ist das Wachstum jedoch in Süddeutschland zu beobachten. Allein in Bayern können Hellbiere im ersten Halbjahr 2017 ein Absatzanteil von 28 Prozent aufweisen – Tendenz steigend. Damit sind Hellbiere nach wie vor über alle Biersorten hinweg das beliebteste Bier der Bayern (Anteil 1. HJ 2017 Pils: 21 Prozent ; Anteil Weizen: 12,6 Prozent).

Das Thema Preiserhöhung ist für den Handel und die Industrie heikel
Solche Erfolgsmeldungen sind allerdings nur der Tropfen auf den heißen Stein, denn so schön das Geschäft mit alkoholfreiem Bier und Mixes ist, es eignet sich nicht, um die Bilanz eines Brauers zu retten. Was den Brauern als Instrument bleibt, ist die Erhöhung der Rampenpreise. Preispolitik ist nicht nur heikel (Stichwort Bierkartell) sondern auch gefährlich: Weder Handel noch Verbraucher lassen einem Brauer eine zu saftige Erhöhung durchgehen. Zu groß ist eben das Angebot, zu verbreitet die „Aktionitis“ und die „Geiz ist Geil“-Mentalität beim Thema Bier. Trotzdem sollen im neuen Jahr (das Weihnachtsgeschäft soll von dem Thema nicht getrübt werden) Preiserhöhungen kommen.

Eines der Schwergewichte, das eine Erhöhung angekündigt hat, ist Krombacher. Ursprünglich wollte die Brauerei aus Kreuztal bereits im Oktober die Abgabepreise erhöhen. Hat dann aber mit Hinweis auf „Risiken und Chancen“ zurückgezogen. Nun soll es im März 2018 soweit sein. Auch Wettbewerber Radeberger (Oetker-Gruppe) hat ein ähnliches Vorhaben schon öffentlich kommuniziert. Zum 1. Februar 2018 sei eine Preisanpassung für Teile des Flaschenbiersortiments und bei 5-l-Partyfässern geplant, einschließlich der Importmarken Guinness und Kilkenny. „Hierbei handelt es sich um die Marken Radeberger Pilsner, Jever, Berliner Kindl, Berliner Bürgerbräu, Ur-Krostitzer, Stuttgarter Hofbräu, Altenmünster Brauer Bier sowie Allgäuer Büble Bier“, heißt es aus dem Unternehmen. Weitere Schwergewichte, die eine Preiserhöhung angekündigt haben, sind AB Inbev (Becks, Hasseröder, Spaten, Löwenbräu, Haake-Beck, Diebels), Veltins und Bitburger. Axel Dahm, seit September 2016 neuer Bitburger-Chef, vertrat schon während seiner Zeit bei Gerolsteiner eine klare Strategie der Wertschöpfung und sorgte kurz nach seinem Antritt in Bitburg mit einem Interview im Handelsblatt für Aufsehen. Dort sagte er, dass „18,90 Euro ein vernünftiger Preis für einen Kasten Bier wären“. Nun sollen den Worten Taten folgen: Zum 15. Januar 2018 sollen über alle Marken hinweg die Preise für die Kastengebinde angehoben werden. Details über die Höhe der Rampenpreise gibt es noch nicht.

Dennoch scheinen die Brauer nach Jahren der Unsicherheit entschieden, ein deutliches Signal senden zu wollen: Bis hierher und nicht weiter. Zahlen wird diesen Schwenk aus heutiger Sicht der Verbraucher an der Kasse. Das macht Günther Guder deutlich, Geschäftsführende Vorstand vom Bundesverband des Deutschen Getränkefachgroßhandels. Die Händler könnten die steigenden Einkaufspreise nicht auffangen. Eine Auswirkung auf die Endverbraucherpreise im Regal sei somit zu erwarten.