Alkoholfreie Getränke Engpass

Die Rohstoffe für Säfte werden knapp. Das gilt besonders für Orangen und Äpfel. Einige Hersteller schlagen Alarm und setzten auf Preiserhöhungen.

Sonntag, 01. Oktober 2017 - Getränke
Tobias Dünnebacke

Noch sind die Schäden von „Hurrikan“ Irma nicht vollends beziffert. Die Zitrusbehörde von Florida geht aber bereits jetzt davon aus, dass ein Großteil der Orangen, die zu knapp 90 Prozent zu Saft oder Saftkonzentrat verarbeitet werden, beschädigt ist. Auch in anderen wichtigen Anbauregionen der Welt ist die Lage düster. So klagt beispielsweise Südafrika, mit einem Exportwert von gut 601 Mio. US-Dollar (512 Mio. Euro) nach Spanien und den USA weltweit drittgrößter Orangen-Exporteur, über eine katastrophal schlechte Ernte, wegen lang anhaltender Trockenheit. „Wir erleben aktuell eines der schlimmsten Jahre seit Bestehen unseres Unternehmens“, sagt Snyman Kritzinger von der Genossenschaft Grown4u in der Ostkap-Provinz. Er rechnet mit Ernteeinbußen bei Orangen zwischen 30 und 50 Prozent.

Auch in Deutschland gibt es Hiobsbotschaften. Aufgrund von Frost zur Blütezeit melden die heimischen Obstbauern starke Einbußen, vor allem bei Äpfeln. Das Kompetenzzentrum Obstbau-Bodensee in Ravensburg geht von einem Rückgang von 63 Prozent gegenüber dem Vorjahr aus. Bei einigen Apfel-Sorten könnte es sogar einen Verlust von bis zu 90 Prozent geben.

Wie reagieren die Hersteller auf die Rohstoff-Knappheit?
Auf Anfrage der Lebensmittel Praxis halten sich die heimischen Saft-Produzenten noch mit Prognosen zurück. So wollte sich beispielsweise Tino Mocken, Geschäftsführer von Valensina, aufgrund der derzeitig volatilen Preise bei Orangensaft nicht äußern. Dr. Kay Fischer, Geschäftsführer Wettbewerber und Marken-Marktführer Eckes-Granini Deutschland, schlägt hingegen beschwichtigende Töne an: „Faire Preise, langfristige und vertrauensvolle Beziehungen zu unseren Lieferanten, ein Rohstoffbezug aus mehreren Herkunftsländern und eine permanente, strenge Qualitätskontrolle., so stellen wir sicher, dass für die Versorgung unserer Marken zu keiner Zeit weder angebots- noch qualitätsbedingte Schwankungen oder gar Engpässe auftreten“, erklärt Fischer.

Deutlich beunruhigter äußert sich Sebastian Koeppel, Geschäftsführer bei Beckers Bester. Die Apfel- und auch die Kirschenernte des Jahres 2017 seien die schlechtesten seit mehr als 20 Jahren in Deutschland sowie die schlechtesten der vergangenen zehn Jahre in Gesamteuropa. Dies führe zu einem Ernteausfall von teilweise mehr als 60 Prozent. „Da das Angebot an heimischer Ware ganz, ganz knapp und reduziert ist, müssen wir verstärkt in unseren europäischen Nachbarländern einkaufen. In China und Übersee kaufen wir nämlich nicht ein. Das führt dann natürlich dazu, dass die Saft-Preise drastisch steigen. Dies müssen wir leider auch an unsere Kunden weiterreichen“, erklärt Koeppel, der sein mittelständisches Unternehmen, ansässig in Nörten-Hardenberg in Niedersachsen, liebevoll „Saftladen“ nennt.

Sind Preiserhöhungen überlebens-wichtig oder ist alles in Butter?
Produzenten und Handel drohe laut Koeppel mit den beunruhigenden Ernteausfällen ein extrem schwieriges Jahr, auch wenn der exakte Umfang sowie die Konsequenzen noch nicht genau abzusehen seien. Er spricht sogar von einem existenzbedrohenden Ausmaß. „Für uns, wie auch für die Branche, bedeutet das: Eine Preiserhöhung ist überlebenswichtig!“, so Koeppel.

Kai Fischer von Eckes-Granini sieht die Preislage auf dem deutschen Markt weniger dramatisch. Im Jahresdurchschnitt 2017 hätten die Preise für Saft in Deutschland um 5 Prozent höher als im Vergleichszeitraum des Vorjahres gelegen. So zeige die Entwicklung Januar bis Juli 2017 einen Anstieg von durchschnittlich 1,19 Euro je Liter auf 1,25 Euro. „Trotzdem: Im europäischen Vergleich sind fruchthaltige Getränke in Deutschland, wie Lebensmittel insgesamt, nach wie vor eher günstig – wenn auch bei den Verbrauchern ein Trend zu mehr Qualität sowie zu Premium- und Markenprodukten festzustellen ist“, ist Fischer überzeugt.


Saft ist in Deutschland billig - und gleichzeitig teuer
Im europäischen Vergleich ist der Saft hier zu Lande also vergleichsweise billig. Innerhalb Deutschlands, dem Mutterland des Discounts und der „Geiz ist Geil“-Mentalität aber im Verhältnis zu anderen Kategorien teuer: Längerfristig sind seit der Jahrtausendwende laut GfK die Preise für fruchthaltige Getränke, mit Ausnahme einiger Sonderjahre, kontinuierlich gestiegen – in Summe um mehr als 50 Prozent pro Liter. Limonaden und Wasser tendierten dagegen preislich eher stabil bis rückläufig. „Saft hat sich im Vergleich zu den alkoholfreien Alternativen im längerfristigen Durchschnitt deutlich verteuert. Diese Entwicklung hat, zusammen mit anderen Faktoren, über die Jahre einen langsamen Rückgang des Pro-Kopf-Verbrauchs verursacht“, erklärt Fischer.

Genau diese Lust nach hochwertigen Säften sehen die Hersteller als große Chance. Laut Klaus Heitlinger, Geschäftsführer vom Verband der deutschen Fruchtsaft-Industrie, könne man ein Wachstum in einzelnen Segmenten wie Premium- und Gemüsesaft oder im Bereich Smoothies verzeichnen. In der Verbrauchergunst würden zudem Bio-Säfte steigen. Hier legten 2016 sowohl bei Gemüse- (plus 10,3 Prozent) als auch Fruchtsaft-Direktsäften (plus 8,7 Prozent) die Bio-Anteile gegenüber dem Vorjahr deutlich zu. „Eine erfreuliche Entwicklung für die Branche, die sich laufend neuen Herausforderungen stellen muss“, so Heitlinger.

Mit „Herausforderungen“ meint der Verbandschef den seit Jahren entweder rückläufigen oder stagnierenden Markt. Die Gründe hierfür sind vielfältig. Der Wegfall von alten formellen Konsumanlässen wie das gemeinsame Frühstück als auch eine stärkere Debatte um den Zuckergehalt von Fruchtsäften sowie eine stetig wachsende Konkurrenz im AfG-Regal durch alternative und gesunde Getränkekategorien. In einer solchen Marktlage machen höhere Preise den Säften zusätzlich zu schaffen.

Für die Markenhersteller kommt ein weiterer Aspekt hinzu: Die Händler werden immer mehr selbst zu Herstellern. Ganz vorne mit dabei: Edeka. Kürzlich kaufte das Handelsunternehmen in Mecklenburg-Vorpommern eine 200 ha große Obstplantage, um den Bedarf an Bioäpfeln für die eigene Saftproduktion zu sichern. „Die zunehmende Konzentration des LEH auf seine Eigenmarken ist eine Herausforderung. Der Eigenmarkenanteil liegt bei Saft schon lange über 60 Prozent– seitdem die Entwicklung der Abverkaufszahlen nicht mehr so dynamisch ist, werden die Sortimente ausgebaut“, erklärt Koeppel. Diese Entwicklung habe zur Folge, dass sich die Markenvielfalt im Regal reduziere. „Die Aufgabe ist, unsere Marke so zu positionieren, dass sie dennoch ihre Berechtigung im Regal hat“, sagt der Beckes Bester Chef.