Kaffee Quadratur des Kreises

Der Heißgetränkemarkt wächst. Und verändert sich. Kaffeekapsel und ganze Bohnen gewinnen weiterhin. Aber der Markt könnte auch überhitzen und die Kapsel dem preislichen Schicksal erliegen.

Freitag, 09. Oktober 2015 - Getränke
Friederike Stahmann
Artikelbild Quadratur des Kreises
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Wer Kaffee trinkt legt großen Wert auf eine unkomplizierte und schnelle Zubereitung. Frische, Qualität, Nachhaltigkeit und Genuss sollen dabei aber auf keinen Fall auf der Strecke bleiben. Das klingt nach der Quadratur des Kreises. Deutsche Kaffeetrinker haben die Lösung. Wie? Sie setzen auf zwei ganz unterschiedliche Kaffeezubereitungen: Ganze Bohnen und Kapseln . Und die sind es auch, die den Kaffeemarkt pushen, bestätigt Christiane Stuck, Expertin für Kaffee und Tee beim Marktforschungsunternehmen AC Nielsen: „Treiber der außerordentlich positiven Entwicklung bleiben Kapseln und ganze Bohnen.“

Kaffeevollautomat heißt das Zauberwort. Damit gelingt die Kombination aus convenienter Zubereitung und vollmundigem Geschmack. „Immer mehr Menschen wollen auch in den eigenen vier Wänden nicht auf eine professionelle Kaffeezubereitung verzichten und legen sich Vollautomaten zu“, begründet Dr. Johannes Dengler, Mitglied der Geschäftsleitung Alois Dallmayr Kaffee den Trend. Die vollautomatische Kaffeemaschine hat in heutiger Zeit Lifestyle-Charakter. Um sich leichter für den Erwerb eines solchen Gerätes zu entscheiden, startet Melitta ab Oktober eine umfangreiche Vermarktungskampagne für seine Kaffeevollautomaten . Präsentiert werden die Kaffeevollautomaten auf Regalpodesten mit einem integrierbaren 7-Zoll-Tablet, auf dem sich Kunden vor Ort anhand von einfach abrufbaren Videos gezielt über die Produkteigenschaften informieren können.

Der Abverkauf von Vollautoamten boomt. Ein Trend, der die Hinwendung zu ganzen Bohnen mit sich bringt: Der Marktanteil ganzer Bohnen lag 2014, laut Deutschem Kaffeeverband, schon bei 17 Prozent. Das ist Platz 2 im Röstkaffeesegment. Dass die große Beliebtheit dieser Kaffeespezialität auch anhält, zeigen weiterhin steigende Absatzzahlen. Um 11,3 Prozent legt das Segment allein in den ersten sieben Monaten 2015 zu.

Die Branche reagiert und promotet neue Produkte. So hat Dallmayr sein Angebot um zwei neue Sorten ergänzt – die Sorten Espresso Intenso und Caffé Crema Prefetto. Als ganze Bohne für den Vollautomaten sollen die beiden Newcomer preisbewusste Genießer überzeugen. Mit drei Röstgraden „mild, medium und dark“ mischt Melitta mit „Mein Café“ das Segment auf. Der Schweizer Kaffeehersteller Delica bringt aktuell vier Sorten in ungewöhnlich gestalteten 500-g-Packungen auf den deutschen Markt. Mit Namen wie „Lord James“, „King Ralph“, „Prince Chester“ und „Sir Edward“ hat man junge, urbane Kaffeeliebhaber im Fokus.

Alternativ zu den Verwendern der ganzen Bohne pressen immer mehr Kaffeekonsumenten ihren Kaffee lieber aus der Kapsel, als ihn durch den Filter laufen zulassen und verbinden damit Kaffeegenuss und Bequemlichkeit. Und das schon seit Jahren. Der Siegeszug der Kaffeekapseln ist noch immer ungebrochen, das portionierte schwarze Gold ist ein Milliardengeschäft . Sie sind die Treiber am Markt. Die Singleportionen konnten in den ersten sieben Monaten dieses Jahres 28,7 Prozent beim Umsatz und rund 27 Prozent beim Absatz zulegen. „Dies liegt an der weiter steigenden Zahl von Verwendern und dem breiten Angebot an Kapseln für verschiedene Kaffeekapselsysteme. Im Bereich Kapselmaschinen sind allein seit August letzten Jahres 980.000 neue Haushalte hinzugekommen“, so die Expertin Christiane Stuck. Hintergrund des weiterhin massiven Wachstums ist der starke Trend zu Individualität. Dabei bezieht sich die Individualität sowohl auf die unterschiedlichen Geschmacksvorlieben einzelner Personen in Mehrpersonenhaushalten als auch auf die unterschiedlichen Kaffeebedürfnisse einer Person im Laufe des Tages. Trotz des rasanten Aufschwungs der kleinen Portionen liegt der Anteil von Kapseln am Gesamtröstkaffeemarkt im LEH derzeit erst bei knapp 5 Prozent.


Der Höhenflug des Kaffeepadsystems, das vor Jahren eine Revolution bei Kaffeetrinkern lostrat, scheint vorbei. Zwar verkaufte der LEH 2014 noch doppelt so viele Pads wie Kapseln, doch der Abstand wird kleiner. Seit Jahresbeginn sank deren Absatz laut AC Nielsen um 1,3 Prozent. Die Händler sehen es gelassen: „Der Platzanteil im Regal hat sich nicht signifikant geändert“, beruhigt Thomas Bonrath, Pressereferent der Rewe Group. Die Padhersteller freut´s. Das On-Demand-Segment – Pad und Kapsel – ist damit weiterhin wichtigster Wachstumstreiber des globalen Kaffeegeschäfts. Das Thema Verpackung und Müll wird dabei in Zukunft sicher in den Fokus rücken. Wer hier den Zug verschläft, wird Kunden langfristig verlieren.

Doch trotz George Clonneys Bemühungen wachsen auch hierzulande die Kaffeekapsel- und Pad-Bäume nicht in den Himmel. Filterkaffee ist und bleibt das beliebteste Kaffeesegment der Deutschen. Zwar ist der Anteil des gemahlenen Röstkaffees am Gesamtmarkt leicht rückläufig. Dennoch war Filterkaffee auch 2014 mit 261.650 t und einem Marktanteil von 70 Prozent nach Volumen im Lebensmitteleinzelhandel weiterhin die Nummer 1 in Sachen Kaffeezubereitung. Mit schwindender Bedeutung. So meldet AC Nielsen auch für die ersten sieben Monaten dieses Jahres weiter schwächelnde Absatzzahlen. Das Minus beläuft sich auf 1,7 Prozent. Das Umsatzplus von 10 Prozent ist damit allein auf gestiegene Preise zurückzuführen.

Der Abwärtsstrudel könnte sich aber verlangsamen. Denn, die Handfiltration ist wieder Trend. Handgefilterter Kaffee, so genannter „pour over coffee“, erlebt in Deutschland in Cafés und Kaffeeröstereien ein Comeback. „Bei dieser Art der Zubereitung schätzen die Konsumenten das Ritual des Kaffeeaufbrühens und dass sich geschmacklich die Aromen der Kaffeebohne so besonders gut entlocken lassen“, so Ebba Grebe, Leiterin Consumer Marketing bei Melitta Europa im Geschäftsbereich Kaffee.

Was die Branche nur am Rande bewegt, sind nachhaltig zertifizierte Kaffees. Sie stellen immer noch eine Nische, wenn auch eine mit Zuwächsen, dar. Nur 3 Prozent des verkauften Röstkaffees tragen das Fairtrade-Label, insgesamt 8 Prozent sind nachhaltig zertifiziert. Kunden scheinen beim Thema Kaffee in diesem Punkt nicht – oder noch nicht – sensibilisiert. Melitta kann davon ein Lied mit ihrem sowohl bio- als auch Fairtrade-zertifizierten CremaPura singen: „Leider waren nicht genügend Verbraucher bereit, den entsprechend höheren Preis für die Produkte in Kauf zu nehmen, sodass wir diese Kaffees wieder aus dem LEH Sortiment nehmen mussten“, resümiert Ebba Grebe.

Etwas anders ist die Sicht der Dinge bei Dallmayr. Mit der Kaffeesorte Ethiopia hat man einen UTZ-zertifizierten Kaffee im Sortiment, über dessen Verkauf zusätzlich ein Aufforstungsprogramm in Äthiopien unterstützt wird. Weitere zertifizierte Kaffees sind im Portfolio.

Doch auch wenn Kaffee das absolute Lieblingsgetränk der Deutschen ist – nach Angaben des Deutschen Kaffeeverbandes trinkt jeder Bürger rund 165 l Kaffee pro Jahr – haben Tee und Kakao ihren Platz in den Tassen der Deutschen.

Vor allem das Teesegment wächst seit Jahren. Das ist der Innovationskraft der Teehersteller zu verdanken. Im Teebereich etablieren sich mehr und mehr Produktlinien im Markt, bei denen eine bestimmte Konzeptidee als Klammer dient, unter der verschiedene Teesorten über alle Kategorien hinweg vereint werden. So wie Teekanne mit ihrer neuen Range Sweeteas, einer Mischung aus Früchtetee, aromatisiert mit Gebäcknoten. Die drei Sorten Lemon Cake, Blueberry Muffin und Caramel Apple Pie sollen Gebäck-Klassiker im Teeregal kalorienfrei erlebbar machen.

Der Milk Modifier-Markt musste im ersten Halbjahr 2015 ein Minus von 2,8 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum hinnehmen. Kleinere Gebinde, Produkte aus nachhaltig erzeugten Rohstoffen und attraktive Promotions wissen am Markt zu gefallen.

Über alle Heißgetränke hinweg verstärkt sich der Trend zu mehr Individualität, Exklusivität und vor allem zu bewusstem Konsum und Qualität.

Seit August vergangenen Jahres sind 980.000 neue Haushalte mit Vollautomaten hinzugekommen.