Wild Wildabsatz in Gefahr

Wildfleisch wurde seit Jahren immer beliebter. Doch jetzt droht diese Entwicklung durch eine Seuche einzubrechen. Die für den Menschen völlig ungefährliche Afrikanische Schweinepest ist auf dem Vormarsch. Stoppen konnte sie bis jetzt niemand. Wie reagiert der Handel auf diese Entwicklung? Wir haben uns umgehört.

Donnerstag, 26. April 2018 - Fleisch
Michaela Hennecke
Artikelbild Wildabsatz in Gefahr
Bildquelle: Michaela Henneke, Christina Steinhausen, Getty Images

Die Afrikanische Schweinepest (ASP) wird nach Deutschland kommen. Die Frage ist nicht ob, sondern wann. Der Wildschweinbestand in Deutschland solle daher gesenkt werden, da die hohe Wildschweindichte in Deutschland dem Schweinepest-Virus eine ideale Möglichkeit zur Etablierung und Ausbreitung bieten würde, so das Friedrich-Loeffler-Institut (FLI).

Um den Wildschwein-Bestand zu senken, bieten einige Bundesländer als Anreiz Abschussprämien. Andere zahlen die Trichinenuntersuchung (Untersuchung auf bestimmte Fadenwürmer, die Trichinen), die die Jäger normalerweise aus eigener Tasche begleichen. Im Februar wurde zudem eine Verordnung geändert, in der die Schonzeit für Wildschweine aufgehoben wurde.

Diese Maßnahmen führen dazu, dass der Preis für Fleisch von Wildschweinen ins Bodenlose sinkt. Jäger stehen vor der Herausforderung, das Fleisch auch in Zeiten abzusetzen, in denen sie für ein Kilogramm Fleisch mit Schwarte und Knochen nur noch 20 bis 50 Cent statt zwei bis vier Euro erhalten. „Für die Tonne dürfen wir kein Tier erlegen“, sagt der stellvertretende Geschäftsführer des Landesjagdverbandes Mecklenburg-Vorpommern, Henning Voigt, gegenüber der Deutschen Presseagentur (dpa). Doch was passiert mit den geschossenen Tieren? Lösungen müssen her.

Bezugsquellen für Wild
1. Über den Jäger: Jäger verkaufen das Wild zum Teil direkt an Händler oder Privatpersonen. Viele Händler inserieren ihr geschossenes Wild auf www.wild-auf-wild.de 2. Über die Forstämter: Jäger schießen eine vorher für sie definierte Menge an Wildtieren. Das Fleisch kann vom Jäger selbst über einen vorher festgelegten Preis gekauft werden, oder es verbleibt in der Wildkammer des Forstamtes (Wild bleibt Eigentum des Forstamtes). Händler können das Fleisch hier erwerben. 3. Über Wildhändler: Der Wildhändler bezieht sein Wild über die Forstämter oder von Jägern direkt. Er verkauft es an Partner, die es dann zerwirken und an den Handel oder Privatpersonen abgeben, oder er zerwirkt es selbst. Händler und Privatpersonen können Fleisch dann bei ihm beziehen. aus Bad Neuenahr-Ahrweiler, setzt auf Aufklärung. Gemeinsam mit Winzern bietet er Themenabende zum Thema Wild an, in denen er auch über die ASP aufklärt.

Schäfer schießt das Wild für seinen Markt zum Teil selbst. Er verkauft ausschließlich regionales Wild, das vom Hochsitz (Ansitz) aus geschossen wurde. Wildschwein bietet er ganzjährig an. Während der Saison liegt es als Frischware in der Theke, zum Teil wird es eingefroren. Nach Bedarf wird es dann zum Beispiel zu Rohessern, Salami und Jagdwurst verarbeitet oder in Konserven eingedost.

Bei seinen Kunden stellt Schäfer eine große Verunsicherung fest. Viele wissen nicht, dass der Erreger der Schweinepest für den Menschen völlig ungefährlich ist und ausschließlich Schweine befällt. „Zurzeit ist die Afrikanische Schweinepest bei uns noch nicht angekommen. Sollte dies aber der Fall sein und dies durch die Presse gehen, wird es zu einem Einbruch der Nachfrage kommen“, ist er sich sicher. Bei Schäfers wird es dann erst einmal kein Wildschweinfleisch oder -produkte mehr zu kaufen geben. Die Verwendung anderer Wildsorten soll dann vorerst präferiert werden.

Rewe-Kaufmann Helmut Nepomuck wartet erst einmal das nächste halbe Jahr ab. Er verkauft Wild ausschließlich im Herbst und Winter – zwischen Mitte Oktober und Ende Januar. „Mit jedem Skandal gibt es einen Einbruch, das haben wir jetzt schon häufiger gesehen.“ Wie sich dieser auswirkt, darauf will sich der Rewe-Kaufmann nicht festlegen. „Sollten die Hausschweine betroffen sein, wird es sehr wahrscheinlich zu einem Einbruch auf dem Schweinemarkt kommen.“ Aber gerade bei Wild seien die Kunden interessiert. Sie wollten wissen, wo es herkommt. „Für viele ist die Regionalität ein entscheidender Grund für den Kauf“, sagt Helmut Nepomuck. Er bezieht sein Wild ausschließlich aus Deutschland, wenn möglich vom Jäger. Bei einem Naturprodukt wie Wildschwein sei dies aber nicht immer zu gewährleisten.


Er vermarktet vor allem die Edelteile von Reh, Hirsch und Wildschwein. Diese werden prominent in der Mitte der Theke platziert – auf weißen anstatt der sonst schwarzen Schalen. „Die Kunden müssen sehen, dass es sich hierbei um ein ganz besonders Produkt handelt. Es muss ein Blickfang sein.“

Felix Theodor Kels, Juniorchef bei Edeka Kels in Mülheim a. d. Ruhr, bezieht sein Wildfleisch bereits seit mehr als zehn Jahren über Forstämter. „Das Wild ist einfach frischer, da es aus der Nähe kommt. Je länger der Weg, desto mehr leidet die Qualität.“

Übertragungswege der Afrikanischen Schweinepest

Das Virus kann von Tier zu Tier etwa über Körperflüssigkeiten , über kontaminierte Gegenstände, das Futter oder belastete Wurstwaren übertragen werden. Die natürliche Ausbreitung geht langsam voran und beträgt nach Angaben der Europäischen Lebensmittelsicherheitsbehörde EFSA etwa 25 bis 50 Kilometer pro Jahr. Die Ausbreitung über den Menschen geht schneller: Hier kann sich das Virus mit 90 Kilometern pro Stunde ausbreiten, so schnell, wie ein Lkw fährt. Dieser kann das Virus zum Beispiel über Schlamm in den Radkästen oder über kontaminierte Lebensmittel übertragen. Das Virus kann selbst am Schuh mehrere Monate überleben. Es gibt keine Hinweise darauf, dass Raubtiere und Aasfresser bei der Verbreitung eine besondere Rolle spielen. Quelle: FLI, DJV

„Wenn die Afrikanische Schweinepest in Deutschland ausbricht, unterscheidet der Kunde nicht mehr zwischen Wildschweinfleisch und anderen Wildsorten oder dem Fleisch von Hausschweinen“, ist sich Gabriele Ecks, Edeka Markt Gabriele Ecks, sicher. Sie verkauft Fleisch von Wildschwein, Hirsch und Reh vor allem zu Weihnachten und Ostern. Es werde zu einem Einbruch in allen diesen Segmenten kommen. Dann müsse das Personal Aufklärungsarbeit leisten. Gabriele Ecks geht davon aus, dass ihr Fleischwerk Argumentationshilfen bereitstellt. Aber noch ist die ASP nicht in Deutschland angekommen. Es interessiere die Kunden noch nicht. „Die Kunden haben sich an solche Meldungen schon zu sehr gewöhnt. Sie warten erst einmal ab.“ Auch im Absatz sieht sie zurzeit noch keinen Unterschied. Der Preis für Wildschwein sei zwar seit Herbst 2017 stark gesunken, aber auch das interessiere die Kunden noch nicht. Sie kauften weiterhin das, was sie haben wollten.

Wildhändler Hannes Lenz vom Wildhandel Lenz Woldegk sieht neben den genannten Problemen in den fallenden Preisen auch eine Chance: „Für die Kunden wird Wild jetzt preislich interessant, und Lagerbestände können abverkauft werden.“ Er erkennt klar an, dass es eine Verunsicherung der Kunden gebe, hält aber das Gespräch für eine der wirksamsten Möglichkeiten, den Kunden die ASP zu erklären. Langfristige Probleme sieht Lenz, wenn es zu einem tatsächlichen Ausbruch in Deutschland kommt: „Um die Fundstelle herum werden verschiedene Restriktionszonen eingerichtet werden. Wild aus diesen Zonen zu verkaufen, ist nur teilweise möglich, und das auch nur mit einem enormen Mehraufwand. Ökonomisch sinnvoll ist dies wahrscheinlich nicht durchzuführen, und dann muss natürlich auch die Kaufbereitschaft da sein.“

Tatsächlich regelt die Schweinepestverordnung in Deutschland, im Seuchenfall unterschiedliche Restriktionszonen um einen Fundort einzurichten. Eine festgelegte Regelung gibt es laut FLI bis jetzt jedoch noch nicht. Denkbar wäre es aber, bei der Bekämpfung der ASP vorzugehen wie bereits bei der klassischen Schweinepest: Zu Beginn des Abschusses treten erfahrungsgemäß vermehrt positive Tiere auf. Als Bekämpfungsmaßnahme würden in diesem Fall die Tierkörper beseitigt, um eine Verschleppung des Erregers zu vermeiden. Später könnten die geschossenen Wildschweine in Wildsammelstellen aufbewahrt, geprüft und im Anschluss freigegeben werden. Danach könnte der Jäger das erlegte Wildschwein abholen und bedenkenlos verwerten.

Für den Deutschen Jagdverband steht fest: „Sollte Wildschweinfleisch in Gebieten nahe eines möglichen Ausbruchs der ASP vermarktet werden, muss es beprobt werden und nachweislich frei vom ASP-Virus sein. Erst danach darf es zum menschlichen Verzehr zugelassen werden. Wichtig ist, dass wirklich jedes Tier beprobt wird. Zwar ist das Virus für den Menschen völlig ungefährlich, wird es jedoch in Wurstware transportiert und in der Natur entsorgt, erhöht dies das Ausbreitungsrisiko des Virus. Denn der Hauptüberträger ist und bleibt der Mensch.“

„Wild ist nicht nur etwas für den Winter“, heißt es beim Deutschen Jagdverband (DJV). Im Sommer schmeckten Grillwürste vom Wildschwein sehr gut. Sie seien fettarm und geschmacklich intensiver als die des Hausschweins.

Wildschwein-Bratwürste sollten jedoch nicht mit dem Fett oder Fleisch von Industrieschweinen gemischt werden. Das schmecke man. beim Verband empfiehlt man daher generell, qualitativ hochwertige Ware zu vermarkten: „Im Geschäft gehört Wild klar zu den hochpreisigen Artikeln, etwa direkt neben die Bio-Ware.“

Um den Absatz von Wild zu fördern, gibt es beim Deutschen Jagdverband Vermarktungshilfen. Händler können Rezepte zum Beispiel auf der Internetseite www.wild-auf-wild.de herunterladen und unter der Quellenangabe Deutscher Jagdverband an Kunden weitergeben. Schnelle, moderne Rezepte machen Wildfleisch auch für ernährungsbewusste junge Konsumenten interessant.