Fleisch Fleischeslust und Alltagsfrust

Die Rewe feilt an ihrem Fleisch- und Wurst-Sortiment: Neue Regional-Konzepte entstehen, und ein Online- Bestellservice für Premium-Fleisch ist gestartet.

Freitag, 25. September 2015 - Fleisch
Christina Steinheuer
Artikelbild Fleischeslust und Alltagsfrust

Köln, Stolberger Straße, Rewe-Zentrale, ein trüber Morgen, Fenster zur Wetterseite, die erkennen lassen, es war länger kein gutes Wetter, eine verschwundene Assistentin, Kaffeetassen mit Rewe-Logo. Manfred Krasemann bietet höflich Kaffee an, er selber hat schon genug an diesem Morgen: Beim Vergleich des aktuellen Rewe-Handzettels mit jenem von 2004 hat der Manager festgestellt, dass die Entwicklung nicht gut ist bzw. dass es gar keine gibt. Denn der kg-Preis für Schweinefilet war damals bei 7,99 Euro und liegt aktuell bei 6,99 Euro. Krasemann nimmt seine Brille ab, runzelt die Stirn und schaut ernst: Immer noch dominieren Preisknaller die Werbung, immer noch macht auch die Rewe mit 20 Prozent ihres Fleisch- und Wurst-Sortiments 80 Prozent vom Umsatz – wie ihre Wettbewerber auch. Business as usual.

Krasemann kennt sich aus, ist schon lange im Geschäft, war bereits als nationaler Verkaufsleiter bei der Rewe keiner, der nur im Büro oder nur auf der Fläche unterwegs ist. Inzwischen zeichnet er als Bereichsleiter Ware im Vollsortiment für die Ultrafrische, konkret Fleisch und Wurst sowie Brot und Backwaren, verantwortlich. Mit Alain Caparros hielt eine ausgeprägte Testkultur Einzug, mit Lionel Souque die Prüfstand-Politik. Das gilt für die Verkaufsflächen als Ganzes, aber auch für Sortimente, Services und Ladenbau.

Herr Krasemann, was ist Rewe Beef?

Das ist ein neuer Pilot von uns. Die Kollegen von Rewe Online testen seit Mitte August, wie der Online-Handel mit Premium-Fleisch funktionieren könnte.

Rewe verschickt Fleisch?

Nein. Der Kunde sucht sich auf der Internetseite www.beef.rewe.de aus 18 Rind-, sieben Schwein- und zwei Lammartikeln sowie vier Saucen die Ware aus, die er haben will, danach einen Rewe-Markt, in dem er später die Bestellung abholt und bezahlt.

Und das geht nun bundesweit?

Zunächst ist unser Test auf das Absatzgebiet Köln beschränkt. In etwa 40 Märkten sammeln wir erste Erfahrungen.

Neu ist das Konzept ja nicht wirklich. Real hat im Prinzip das gleiche angeboten...

Das stimmt, aber Sie finden in der Kommunikation des Wettbewerbers kaum noch Hinweise darauf.

In der Werbung für Rewe Beef heißt es „Wählen Sie zwischen exklusiven Fleischsorten und Züchtungen aus, die über unser Marktsortiment hinausgehen“. Das spricht nicht gerade für die Sortimentskompetenz an der Bedientheke...

Ich sehe hier keinen Widerspruch. Es geht nicht um Sortimentskompetenz im Markt, sondern um kostenintensive Lagerhaltung im Markt. Wir können online hochwertiges Premium-Fleisch anbieten, ohne eine aufwändige Lagerhaltung im Markt zu betreiben. Darin liegt der nachhaltige Benefit.


Aber gerade bei der Rewe hat doch die Zahl an Bedientheken für Fleisch und Wurst in den vergangenen Jahren wieder zugenommen?

Ja, wir haben uns in den letzten Jahren sehr intensiv mit unseren Bedientheken beschäftigt. Der Anteil der Kaufleute, die ihre Metzgereien bzw. Bedientheken selbstständig betreiben, wächst kontinuierlich. Und die Kaufleute schätzen die Metzgerei als Profilierungsinstrument. Sie investieren in Ausstattung, Sortiment und qualifiziertes Personal. Gerade letzteres zu gewinnen, ist eine große Herausforderung im LEH. Deshalb investieren wir viel in die Qualität unserer Mitarbeiter. Der allgemeine Trend, also das Alltags- und Massengeschäft, wendet sich aber eher von der Theke ab und zahlt in SB ein.

Wie ist aktuell das Verhältnis Bedienware zu SB bei Fleisch und Wurst in Ihrem Hause?

Über alle Märkte und das gesamte Sortiment Fleisch und Wurst liegen wir bei 50 zu 50. Wir haben im vergangenen Jahr bei Fleisch und Wurst insgesamt, also Bedienung und SB, ein deutlich zweistelliges Plus erzielt, trotz eines rückläufigen Gesamtmarktes, der neuen Verzehrgewohnheiten geschuldet ist. Und unsere positive Entwicklung hält an. Wir liegen auch in diesem Jahr deutlich über dem Vorjahr und über dem Plan.

Und wie läuft bei Ihnen Prepack?

Das ist eine Erfolgsstory. Vom Gesamtumsatz einer Verkaufsfläche machen wir mit unserem Wilhelm-Brandenburg-Prepack-Sortiment bei Wurst inzwischen 1,2 bis 2 Prozent. Rechnen wir Fleisch-SB hinzu, kommen wir auf 5 bis 6 Prozent Umsatzanteil.

Thema Wild: Wann lernt man von der Rewe Dortmund? Oder anders gefragt: Was tut sich bei Rewe Wildes?

Bei unserem Konzept ‚Wirklich Wild‘ in Bedienung und SB mit Ware aus deutschen Wäldern waren wir mit der Warenversorgung nicht zufrieden. Die Lieferantenstruktur war nicht breit genug. Wir sind mit Hochdruck dabei, weitere Lieferanten aufzunehmen.

Was macht denn das Kompetenzteam Fleisch- und Wurst, das seit Januar existiert?

Wir arbeiten am Sortiment, beschäftigen uns mit Belegungsplänen und allem, was dazu gehört. Wir treffen uns zwei bis drei Mal im Jahr.

Wer ist denn alles im Team?

Das sind mein Vertriebskoordinator und ich sowie aus jeder Rewe-Region ein Vertreter. Das kann ein Verkaufsleiter Service sein, jemand aus dem CM oder aus dem Umfeld der Thekenschulung, Hauptsache Leute mit Kompetenz und Erfahrung, die Funktion ist nicht so wichtig.

Da wäre ich gerne mal dabei...

Das kriegen wir hin.


Apropos hinkriegen: Wie glaubwürdig ist es, Deutschland in sechs Regionen einzuteilen und den Konsumenten dann „regionale Artikel“ anzubieten, die aus zum Teil riesigen Gebieten kommen, die mehrere Bundesländer umfassen?

Daran arbeiten wir. Denn wenn der Kunde bereit sein soll, für einen regionalen Artikel mehr zu zahlen, dann muss das Thema glaubwürdig sein und transparent kommuniziert werden. Unser Ziel, das wir bis Ende 2016/Anfang 2017 erreichen wollen, ist die Orientierung an Bundesländern, wobei Stadtstaaten wie Hamburg und Bremen dann jeweils mit einem Nachbarland eine Region bilden werden.

Sie orientieren sich also künftig beim Thema Regionalität nicht mehr an den jetzigen sechs Rewe-Regionen?

Genau. Unsere Rewe-interne Region Südwest mit den Bundesländern Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz, Saarland und Hessen ist für unsere Kunden einfach viel zu groß. Wir stellen echte regionale Markenfleischprogramme auf. In Bayern ist das mit dem dort schon etablierten Zeichen ‚geprüfte Qualität Bayern‘ wesentlich einfacher als woanders. Auch bei diesem Thema können die Wege, die wir gehen, unterschiedlich sein.

Da haben Sie ja noch Einiges vor. Ein anderes Fass hat die Rewe Group im August aufgemacht. In einer Pressemitteilung heißt es, man verbanne ab Januar 2017 bei den Eigenmarken Fleisch von unbetäubt kastrierten Schweinen aus dem Sortiment. Ist das zu schaffen?

Ich stehe voll dahinter. Wir haben schon vor vielen Jahren, früher als viele andere Wettbewerber, ein Leitbild zur Nutztierhaltung der Zukunft definiert.

Es geht also um Politik, PR, Image?

Auch. Wir verstehen uns innerhalb der Branche als Treiber, gerade beim Thema Nachhaltigkeit.

Zuletzt hat die Schwarz-Gruppe getrieben: 6 Cent pro kg Tierwohlfleisch...

Erst mal sollten alle mitmachen und die aktuellen 4 Cent zahlen, bevor die, die sich schon engagieren, 6 beisteuern. Da sind auch die übrigen Händler und andere Marktteilnehmer gefordert.

Manfred Krasemann verantwortet das Category Management für Fleisch (inkl. Geflügel) und Wurst (inkl. Konserven), Brot und Backwaren sowie den Vertrieb Service National . Er berichtet an den Waren-Geschäftsführer der Rewe Group Buying, Oliver Mans. Die Einkaufsverantwortung für Fleisch und Wurstwaren obliegt den Kollegen vom Strategischen Einkauf.

„Wir können online hochwertiges Premium-Fleisch anbieten, ohne im Markt eine aufwändige Lagerhaltung zu betreiben.“

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Bild öffnen Manfred Krasemann verantwortet das Category Management für Fleisch (inkl. Geflügel) und Wurst (inkl. Konserven), Brot und Backwaren sowie den Vertrieb Service National.
Bild öffnen Er berichtet an den Waren-Geschäftsführer der Rewe Group Buying, Oliver Mans.
Die Einkaufsverantwortung für Fleisch und Wurstwaren obliegt den Kollegen vom Strategischen Einkauf. (Quellen: Belz)