Interview mit Eva Leihener-Stefan Umschulung in Grün

Seit Übernahme der Logocos Naturkosmetik AG im August 2018 hat Beauty-Spezialist L‘Oréal erstmals deutsche Pioniermarken der grünen Kosmetik in seinem Portfolio. Eva Leihener-Stefan gestaltet seit rund einem Jahr als Vorstandsvorsitzende von Logocos die Integration des Unternehmens in den neuen Mutterkonzern. Mit der Marke Santé will sie vor allem im konventionellen Handel durchstarten.

Dienstag, 17. Dezember 2019 - Drogerieartikel
Bettina Röttig
Artikelbild Umschulung in Grün
Bildquelle: Joanna Nottebrock

Frau Leihener-Stefan, nach Ihrer langjährigen Erfahrung mit konventioneller Kosmetik sind Sie seit einem Jahr Vorstandsvorsitzende eines Naturkosmetikunternehmens. Wie grün ist heute der Inhalt Ihres Schmink- und Kulturbeutels?

Eva Leihener-Stefan: Im Moment probiere ich viele Produkte aus. Ich habe bei L’Oréal in vielen Bereichen und Kategorien gearbeitet habe das ein oder andere Lieblingsprodukt. Mittlerweile habe ich aber auch viele Haut- und Haarpflegeprodukte von Santé und Logona für mich entdeckt, die mich begeistern und von der Produktleistung mindestens so gut sind wie konventionelle Kosmetik. Generell ist es für mich sehr spannend, nach meinen 20 Jahren bei L’Oréal in die Naturkosmetik einzutauchen. Nicht nur, weil es im absolut im Trend der Zeit liegt, sondern auch weil Nachhaltigkeit für mich persönlich sehr wichtig ist. Wir achten zu Hause mit den Kindern auf Recycling, und darauf, wo wir einkaufen und was wir konsumieren.

Logocos ist nicht das erste Unternehmen aus dem Bereich der grünen Kosmetik, das L’Oréal übernommen hat. Mit The Body Shop hatte der Konzern wenig Spaß. Gibt es Lerneffekte von damals, die Sie für die Logocos-Übernahme einbezogen haben?
Ja, wir haben uns mit Logocos eine eher softere Integration vorgenommen. Das Besondere an meiner neuen Aufgabe ist, ein komplettes mittelständisches, deutsches Unternehmen mit Forschung & Entwicklung, Produktion, Vertriebsmannschaft et cetera an den L’Oréal-Konzern anzudocken: Es gilt jedoch gleichzeitig, stark darauf zu achten, dass Logocos seinem Ursprung treu bleibt, sich das Unternehmen weiter entfalten und gleichzeitig Synergien aus der Verbindung zu L’Oréal nutzen kann. Wir sind ein Team aus vier ehemaligen L’Oréal-Mitarbeitern, jetzt 100-prozentige Logocos-Mitarbeiter, die eine Brücke bilden zum Mutterkonzern.

Welche kurz- und mittelfristigen Ziele haben Sie sich für Ihre neue Rolle bei Logocos gesetzt, und wo liegen besondere Herausforderungen?
Mein erstes Ziel war es: Verstehen und Wachsen. Das heißt: Naturkosmetik zu verstehen, den Markt, den Biofachhandel, den Konsumenten, unsere Marken Santé, Logona, Heliotrop und natürlich auch unsere Mitarbeiter. Was den Konsumenten und den Markt betrifft, habe ich mir viel Zeit genommen, sei es für Marktforschungen, intensiven Austausch mit Handelspartnern oder auch während Store Checks Verbraucher zu beobachten und direkt zu befragen.

Inwiefern ticken Naturkosmetik‧kunden anders?
Ich habe festgestellt, dass die Einstellungen und auch die Reflexe anders sind. Wenn man in der konventionellen Kosmetik im TV-Spot sagt: Wir haben die beste Formel und den neuesten Inhaltsstoff, dann überzeugt dies den Verbraucher in der Regel sehr, und Mediaeffizienz ist einfacher abzuleiten. Käufer von Naturkosmetik wollen jedoch auf eine andere Art & Weise abgeholt werden. Sie interessiert es eher wenig, ob eine Marke die Nummer eins im Bio-Fachhandel ist. Wichtiger ist ihnen, dass ein Shampoo ‧geeignet ist für ihre sensible Kopfhaut. Marken müssen besonders ‧authentisch und glaubwürdig sein.

Wie kritisch die Kunden sind, zeigte der Gegenwind, den Logocos mit dem Verkauf an L’Oréal erfuhr. Wie haben Sie Ruhe in den Markt gebracht?
Wir wurden öfter mit dem Vorurteil konfrontiert, L’Oréal führe Tierversuche durch. Wir sind stark in die Kommunikation gegangen. Insbesondere über Social-Media-Kanäle haben wir die Diskussionen intensiv verfolgt und uns daran aktiv beteiligt und konnten beispielsweise Fehlinformationen widerlegen. L’Oréal macht seit 1989 keine Tierversuche mehr, hat als Alternative zu Tierversuchen eine rekonstruierte Haut entwickelt, an der Produkte getestet werden. Diese Methode stellen wir auch unseren Mitbewerbern und anderen Branchen zur Verfügung.

Auch im Handel gab es Unruhe, einige Bio-Fachhändler hatten Sie ausgelistet. Haben Sie diese wieder zurückgewinnen können?
Zum Teil. Die negative Stimmung ist beim Verbraucher schneller abgeebbt als bei einigen Handelspartnern. Wir haben hier aktiv das Gespräch gesucht und sehen bei einigen Partnern wieder Licht am Ende des Tunnels. Wir kommunizieren klar, was wir vorhaben und wofür wir stehen, wie wir produzieren, woher wir unsere Rohstoffe beziehen. Dass wir den Standort Salzhemmendorf nicht nur beibehalten, sondern sogar ausbauen und unsere Marken weiterentwickeln, wird gesehen. Letztendlich entscheidet der Konsument. Je mehr Kunden im Bio-Laden beispielsweise nach Logona-Produkten fragen, desto mehr Handelspartner werden diese vielleicht auch wieder anbieten wollen. So wie wir für unsere Wachstumsstrategie unsere Partner im Handel brauchen, hoffen wir, dass auch die Ladner auf gute, innovative Produkte und deren Nachfrage setzen.

Noch einmal zurück zu Ihren Zielen. Welche konkreten Ziele haben Sie sich in Bezug auf das angestrebte Umsatzwachstum gesteckt?
Wir haben uns vorgenommen, zweistellig mit Santé und Logona zu wachsen, harte Zahlen möchte ich aktuell nicht nennen.

Mit welchen Maßnahmen wollen Sie dieses Wachstum erreichen?
Logona gibt es seit 40 Jahren, Santé seit über 30 Jahren, beides waren deutsche Pioniermarken in der Naturkosmetik. Wir wollen den Pioniergeist wieder aufleben lassen, die Marken schärfen und neu ausrichten. Wichtig ist einerseits, die Markenbekanntheit und Sichtbarkeit von Santé voranzubringen. Hierfür sind Innovationen und eine überlegene Produktqualität die Basis. Zudem haben wir eine komplett neue Mediastrategie aufgestellt, um den Konsumenten entlang der gesamten Konsumenten-Journey zu begleiten und die Werte der Marke zu vermitteln. Dabei setzen wir auch auf eine breitere Distribution. Andererseits möchten wir die Marke Logona, unsere Bio-Fachhandelsmarke, in ihrem Umfeld wieder stärken und mit Produktneuheiten auch auf neue Konsumentenbedürfnisse eingehen.

Welche Rolle spielt dabei der konventionelle Handel – Drogerien und Supermärkte?
Logona bleibt dem Fachhandel vorbehalten. Santé wird weiterhin im Bio-Fachhandel und im konventionellen Handel stattfinden. Mit dynamischen Wachstumsraten von 10 Prozent für Naturkosmetik ist der konventionelle Handel für die Marke von großer Bedeutung. Bio ist in den Supermärkten eine Selbstverständlichkeit geworden. Zertifizierte Naturkosmetik ist auf dem Wege dahin. Somit gehört unsere Marke Santé, die sich an die neue Bio-Generation richtet, in die Regale.

Sie haben Santé überarbeitet. Bitte erklären Sie die neue Markenstrategie.
Wir haben die Marke optisch wie inhaltlich neu aufgestellt. Unser bewährter Claim ,Care for you and the World‘ macht deutlich, dass Santé für ein Commitment steht, das völlig im Zeitgeist ist und dem Anspruch der neuen Bio-Generation entspricht. Wir sind davon überzeugt, dass Santé als junge, etwas unkonventionellere Marke die Kraft hat, sich komplementär zu den anderen traditionellen Naturkosmetikmarken zu positionieren.

Was genau steht hinter dem Versprechen „Care for the World“? Wie kommunizieren Sie dies?
Dahinter steht unser langjähriges Engagement, das wir auch auf den Verpackungen erläutern. Zu den Versprechen gehören: ,Wir sind 100 Prozent zertifizierte Naturkosmetik aus Deutschland‘, ,Wir verwenden ausgewählte biologische Rohstoffe auf Pflanzenbasis‘, ,Wir setzen uns ein für Tierwohl‘ etc. Santé steht schon länger für Tierwohl – ein Thema, das dem Verbraucher sehr wichtig ist. Dieses Engagement wollen wir jetzt weiter ausbauen, unter anderem durch eine Kooperation mit der Welttierschutzgesellschaft. Darüber hinaus setzen wir auf eine neue Transparenz, übersetzen beispielsweise für jeden verständlich auch die Inhaltsstoffliste ins Deutsche. Was ich jetzt schon ankündigen kann: Wir werden ab dem ersten Quartal 2020 CO2-neutral an unserem Standort in Salzhemmendorf produzieren – ein sehr wichtiger Schritt für uns.

Ich hätte erwartet, Sie thematisieren auch das Thema Plastik…
Unsere Produkte sind mikroplastikfrei. Wir kommunizieren jedoch keine Selbstverständlichkeiten. Wir arbeiten im Rahmen unserer neuen Nachhaltigkeitsstrategie daran, unsere Verpackungen auf Altplastik und Etiketten mit einem hohen Anteil an recycelten Materialien umzustellen. Auch werden wir möglichst auf zusätzliche Umverpackungen verzichten. In der konventionellen Kosmetik sind diese Themen schon lange selbstverständlich, daher hat es mich überrascht, wie wenig Naturkosmetikhersteller bisher beim Packaging auf die Darreichungsform geachtet haben. Daran arbeiten wir bei Logocos jetzt mit großen Schritten. Ab Januar 2020 wird die Logona Shampoo-Flasche aus 100 Prozent Altplastik produziert, und ab März 2020 wird die komplette Haarpflegeserie von Santé ebenfalls auf rPET umgestellt sein. Aber hier wollen wir künftig auch noch weiter gehen, dank der Unterstützung unseres neuen Mutterkonzerns: Bei Logocos sind wir ein Team von insgesamt 320 Mitarbeitern, im L’Oréal-Konzern arbeiten allein 300 Experten an nachhaltigem Packaging. Das sind andere Dimensionen.

Was haben Sie auf Produktebene bei Santé verändert?
Wir setzen auf innovative und wirkungsvolle Produktlösungen. Zum Beispiel haben wir zertifizierte feste Shampoos entwickelt, die eine nachhaltige Alternative zu Produkten in Plastikflaschen darstellen und noch dazu eine tolle Pflegeleistung für das Haar bieten. Zudem haben wir 80 Prozent der Make-up-Formulierungen überarbeitet und diese auf ein tolles neues Niveau gebracht. Ab April wird es ein ganz neues Angebot geben, das neue BB-Creams umfasst sowie Concealer, mattierendes Kompaktpuder-Make-up, das Haut-unregelmäßigkeiten vertuscht.

Sind die neuen Produkte in Kooperation mit L’Oréal entstanden?
Nein, die neuen Produkte und Überarbeitung der Formulierungen stammen aus unserem eigenen Forschungs- und Entwicklungsteam der Logocos. Wir haben 40 Jahre Erfahrung hier auf der Kräuterwiese in Salzhemmendorf für beste zertifizierte Naturkosmetik. Natürlich haben wir jetzt damit begonnen, uns mit der Forschung und Entwicklung von L’Oréal auszutauschen. Dort gibt es seit einigen Jahren ein Bio-Labor, hier kommt man auf interessante neue Synergien. Wichtig ist, dass wir den Konsumenten die beste, echte Naturkosmetik bieten können.

Wo sehen Sie abgesehen von Produkt- und Verpackungsentwicklungen Synergieeffekte?
Wir haben unsere Datenaffinität erhöht. Es geht um Marktforschung, Marktbeobachtungen und das Analysieren unserer Absatzergebnisse in den einzelnen Kanälen – für Logocos ist dies eine neue Transparenz. Als mittelständisches Unternehmen ist der Zugang zu großen Verbraucherstudien oft schwierig. Zudem profitieren wir in puncto Media-Strategie: Hier können wir auf den Mutterkonzern zurückgreifen, wenn es um die Entwicklung und Umsetzung neuer Strategien geht.
Leihener-Stefan hat bei L‘Oréal rund 20 Jahre Erfahrungen mit konventioneller Kosmetik ‧gesammelt.
Die Marketing-Expertin probiert persönlich die Neuprodukte der Logocos- Marken aus.

In den vergangenen Monaten haben vor allem junge neue Marken und Handelsmarken für Wachstum im deutschen Naturkosmetikmarkt gesorgt. Sind Sie auch auf der Suche nach Akquisitionen?
Die L’Oréal-Gruppe beobachtet den Markt immer sehr genau. Wir hier bei Logocos fokussieren uns auf unsere Marken. Viele kleine Marken kommen und gehen, wir sind da um zu bleiben und Gas zu geben: Mit  Santé. wollen wir beispielsweise die starke Nummer 3 der Naturkosmetikmarken in Deutschland werden.

Zur Person
Eva Leihener-Stefan ist seit 15. November 2018 Vorstandsvorsitzende der Logocos Naturkosmetik AG. Sie startete ihre Karriere bei L‘Oréal vor 20 Jahren im Marketing von L’Oréal Paris. Nach führenden Positionen im internationalen Marketing, darunter Australien, wurde sie 2015 zur Geschäftsleiterin von L’Oréal Paris in Deutschland berufen.