Bessere Arbeitsbedingungen Das ändert sich in der Fleischbranche

Mitarbeiter in der Fleischindustrie sollen künftig unter besseren Bedingungen arbeiten. Wie wirkt sich das auf die Branche und die Fleischpreise aus?

Mittwoch, 27. Mai 2020 - Corona Update
Heidrun Mittler
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Fleischverarbeitende Betriebe sind zu einem Hotspot der Corona-Pandemie geworden. Jüngster Fall ist der Vion-Schlachthof in Groenlo, einem niederländischen Ort unweit der Grenze zu Deutschland, wo laut Presseberichten gerade 147 Mitarbeiter positiv auf das Virus getestet worden sind. Bereits vergangene Woche hat das Bundeskabinett Eckpunkte für besseren Arbeitsschutz der Mitarbeiter in der Fleischindustrie beschlossen. Sie sollen besonders die Arbeits- und Wohnbedingungen von Beschäftigten aus osteuropäischen verbessern.

Die beiden wichtigsten Punkte:

  1. Ab 1. Januar 2021 sollen das Schlachten und die Verarbeitung von Fleisch nur noch durch Beschäftigte des eigenen Betriebes zulässig sein. Werkverträge und Arbeitnehmerüberlassung wären damit nicht mehr möglich. Handwerksbetriebe sind von dieser Regelung ausgenommen.
  2. Die Bundesregierung prüft zudem, wie die Unternehmen verpflichtet werden können, Mindeststandards bei der Unterbringung sicherzustellen.

Hier finden Sie alle Punkte im Überblick.

Während der Verband der Fleischwirtschaft das Verbot von Werkverträgen als „willkürliche Diskriminierung“ und „vollkommen unangemessen“ wertet, sieht die Unternehmensgruppe Tönnies durchaus die Notwendigkeit von „fairen Werkverträgen mit klaren Strukturen und Verantwortlichkeiten“. Unternehmens-Chef Clemens Tönnies: „Mit unseren Strukturen in den Bereichen Arbeit und Wohnen ist es uns in der ersten Welle der Pandemie gelungen, das Virus aus den Betrieben zu halten. Dies ist auch ein Verdienst unserer Arbeit in den vergangenen zehn Jahren, in denen wir den Werkvertrag und die Unterbringung der vorübergehend eingesetzten osteuropäischen Beschäftigten konsequent weiterentwickelt haben.“ Er stellt weiter fest: „Das haben offenbar nicht alle gemacht. Jetzt braucht es einen bundeseinheitlichen Standard, an den sich alle halten müssen.“ Clemens Tönnies setzt noch einen drauf und fordert die Anhebung des gesetzlichen Mindestlohns in der Branche auf 12 Euro brutto pro Stunde.

Personalkosten machen nur zehn Prozent aus

Fest steht: Bessere Arbeits- und Wohnbedingungen bedeuten für die Fleischverarbeiter höhere Kosten. Fragt sich nur, wie sich das auf die Ein- und Verkaufspreise im Handel auswirkt. Dazu die Einschätzung eines Analysten:

Drei Fragen an...

Josef Efken. Er ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Thünen-Institut für Marktanalyse und kümmert sich dort seit 2008 um die Märkte für Vieh und Fleisch.

Lebensmittel Praxis: Wie setzen sich die Kosten für die Erzeugung eines Kilogramms Schweinefleisch zusammen?

Josef Efken: Der Erzeugerpreis für Schlachtschweine lag grob zusammengefasst zwischen 2014 und 2018 bei 1,50 Euro pro Kilogramm, der Verbraucherpreis von drei Teilstücken (Braten, Schnitzel, sonstiges Schweinefleisch) ungefähr bei 4,15 Euro (ohne Mehrwersteuer). Die Spanne beläuft sich somit auf 2,65 Euro pro Kilogramm. Sie beinhalten im Wesentlichen Kosten für Transporte (Tiere und später Fleisch), Schlachtung, Grob- und Feinzerlegung, Kühlung und Lagerung auf verschiedenen Stufen, Verpackung in Groß- und Kleingebinde, zum Teil küchenfertige Zubereitung.

LP: Was prognostizieren Sie: Wie werden sich die neuen Regelungen auf die Fleischpreise in Deutschland auswirken?

Efken: Die Kosten für die Arbeitserledigung (Personalkosten + Kosten Leiharbeiter/innen + Kosten Lohnarbeiten) haben einen Anteil von weniger als zehn Prozent an den gesamten Kosten der Schlachtunternehmen. Der Kauf der Schlachtschweine schlägt mit 80 Prozent Anteil an den Kosten am stärksten zu Buche. Das bedeutet, dass Kostensteigerungen bei der Arbeitserledigung nicht enorm preistreibend sind, so dass die Preiseffekte nicht zwangsläufig groß sein müssen.

LP: Wie stark wirken sich andere Faktoren auf die Fleischpreise aus?

Efken: Veränderungen des Schlachtschweinepreises führen aufgrund des hohen Anteils an den Gesamtkosten zu deutlich stärkeren Verbraucherpreiseffekten. Damit haben Nachfrageeffekte einen erheblichen Einfluss, da sie unmittelbar auf den Preis für Schlachtschweine wirken.

Handelsunternehmen verweisen auf Angebot und Nachfrage

Verschiedene Handelsunternehmen, die wir zu diesem Thema angefragt haben, antworten nicht oder sehr pauschal auf das Thema Preisgestaltung. Aldi Nord und Süd weisen allerdings darauf hin, warum der Discounter gerade jetzt die Wurstpreise senken will (Wurst, nicht Frischfleisch): Man beobachte seit Jahresbeginn signifikante Preisschwankungen. Dazu eine Pressesprecherin: „Aus diesem Grund haben wir bei Anbietern von Wurstwaren angefragt, inwiefern die zurzeit hohen Schwankungen flexibel und pragmatisch in einer Preisfindung abgebildet werden können, um ein attraktives Angebot für unsere Kunden umzusetzen. Wir haben dabei explizit betont, dass hierbei sowohl steigende als auch sinkende Preisniveaus berücksichtigt sein sollten, die Preisfindung also keine Einbahnstraße ist.“ Sie stellt den Herstellern in Aussicht, dass „bei einer Beruhigung der Märkte eine Rückkehr zum bisherigen, langfristigeren Procedere besprochen werden sollte“ und betont abschließend das „partnerschaftliche Verhältnis“ zu den Lieferanten.