Spenden für Desinfektionsmittel „Helfen, wo es nur geht“

Auf den starken Anstieg des Desinfektionsmittelbedarfs nach Ausbruch der Corona-Pandemie haben diverse Hersteller schnell reagiert. Sie begannen frühzeitig mit ihrer Unterstützung, um Versorgungslücken zu schließen. Eigene Vorräte wurden gespendet, der Rohstoff Ethanol an Apotheken weitergegeben oder zur Eigenproduktion von Desinfektionsmittel verwendet. Doch dabei gibt es einiges zu beachten.

Montag, 25. Mai 2020 - Corona Update
Julia Neumann
Artikelbild „Helfen, wo es nur geht“
Bildquelle: Ali Siraj / Getty Images

Beiersdorf, Berentzen, Henkel, Jägermeister, Krombacher, MBG International Premium Brands (MBG Group), Pernod Ricard, Sachsenmilch und Warsteiner sind Beispiele für Unternehmen, die in Zeiten von Corona helfen. Bezüglich der Versorgung mit Desinfektionsmitteln haben einige vorausschauend von sich aus angekündigt, einen Teil der Alkoholproduktion für die Herstellung von Desinfektionsmittel einzusetzen. So erhielten sie schon zu Beginn viele Anfragen von sozialen Organisationen, medizinischen und Pflegeeinrichtungen oder dem Lebensmittelhandel. Andere wurden unabhängig um Ethanol oder Desinfektionsmittel ersucht. Dies traf beispielsweise auf den Spirituosenhersteller Berentzen zu: „Wir haben auf diese Anfragen schnell reagiert, um zu helfen, nicht aus einem kommerziellen Gedanken heraus.“

Woher kommt das Ethanol?

Einige Hersteller destillieren ihren Alkohol selbst, andere kaufen ihn zu. Ist Letzteres der Fall, muss natürlich das, was für die Unterstützung gegen die Pandemie abgegeben wird, nachgekauft werden. Berentzen löste dieses Problem, indem die hauseigene Mikrodestillerie in Haselünne, die eigentlich ausschließlich für Premiumalkohol gedacht ist, auf die Ethanolproduktion umgestellt wurde. Das Unternehmen will „helfen, wo es nur geht“. Die Marke Beck’s des Brau-Konzerns AB Inbev setzte bei der Herstellung von Desinfektionsmittel auch den überschüssigen Alkohol aus der Entalkoholisierung der alkoholfreien Biere ein.

Definition

„Vergällung“ ist die Zugabe bestimmter Stoffe (Vergällungsmittel) zu Alkohol, um ihn für Trink- und Genusszwecke unbrauchbar zu machen. Damit soll eine zweckwidrige Verwendung ausgeschlossen werden.

Was ist technisch machbar?

Die technischen Voraussetzungen für die Desinfektionsmittelherstellung waren auch bei den Spirituosenherstellern nicht von vornherein gegeben. In „normalen“ Anlagen sind einige der notwendigen Prozessschritte nicht umsetzbar. Die Rezeptur für größere Mengen an Desinfektionsmittel auf Basis der Weltgesundheitsorganisation (WHO) beinhaltet unter anderem 80-prozentiges Ethanol. Dieser Wert liegt unter dem des in der Getränkeindustrie verarbeiteten Rohalkohols (mehr als 95 Prozent) und stellt somit keine Hürde dar.

Doch der Transport großer Mengen erfordert explosionsgeschützte Behälter und Transportmittel, über die nicht jeder Hersteller selbst verfügt. Neben der Verwendung von 1-Liter-Flaschen und 10-Liter-Kanistern empfiehlt sich also die Kooperation mit einem Unternehmen, das geeignete Behälter zur Verfügung stellt. So hat Berentzen in Remmers, einem Hersteller von bauchemischen Produkten, einen Kooperationspartner gefunden. Dadurch konnte der wöchentliche Ausstoß von Ethanol von 5.000 auf 40.000 Liter erhöht werden. Des Weiteren kann durch die Kooperation mit Rohstofffirmen die Gesamtkapazität der Desinfektionsmittelherstellung erweitert werden. Dabei werden die einzelnen Bestandteile des Desinfektionsmittels an Rohstofffirmen geschickt, wo sie zum Endprodukt zusammengeführt werden. Baut ein Hersteller zudem Anlagenleistung sowie Arbeiterschichten aus, lässt sich die Produktion weiter maximieren. Auch die Installation einer schnelleren PET-Abfüllanlage trägt dazu bei. Durch diese Maßnahmen kann die MBG Group, ein Unternehmen im Bereich der Getränkevermarktung und -entwicklung, mittlerweile 250.000 Liter Desinfektionsmittel in 500-Milliliter-Flaschen pro Tag spenden.

Rechtliche Anforderungen

Da der Alkohol für die Eigenproduktion von Desinfektionsmittel vergällt werden muss, benötigen Spirituosenhersteller zusätzlich eine Sondergenehmigung vom Zoll. Denn im Normalfall dürfen diese natürlich keinen ungenießbaren Alkohol vermitteln.

Die vom Zoll veröffentlichten „Alkoholsteuerrechtlichen Regelungen zur Herstellung von Desinfektionsmitteln“ kamen Spendern sehr gelegen. Denn dank dieser Ausnahmeregelung dürfen Apotheken, die befugt sind, Arzneimittel selbst herzustellen, unvergällten – also genießbaren – Alkohol zur Herstellung von Desinfektionsmitteln steuerfrei verwenden. Für die Spirituosenhersteller als ihre Ethanol-Lieferanten greift diese Ausnahme ebenfalls. Eine Ausnahmegenehmigung für Hilfeleistungen wie die Weitergabe von Sachspenden erteilte das Bundesfinanzministerium (BFD). Bis Ende des Jahres kann Ethanol zur Herstellung von Desinfektionsmittel steuerfrei gespendet werden.

Sowohl Hände- als auch Flächendesinfektionsmittel sollten von einer unabhängigen Prüfstelle wie der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) zertifiziert werden. Um das zu erreichen, ist die fachliche Unterstützung von medizinischen Experten sowie dem Robert-Koch-Institut sinnvoll. Besonders hilfreich ist zudem, dass die Bürokratie zugunsten schneller Lösungen während der aktuellen Krisensituation runtergefahren wurde.

Mitarbeiterschutz gewährleistet

Der Umgang mit Rohalkohol ist fester Bestandteil des Betriebsablaufs von Herstellern wie Beiersdorf, Jägermeister und Co. Deshalb war der Mitarbeiterschutz in der Produktion schon vor Beginn der Pandemie sehr hoch. Zusätzliche Vorsichtsmaßnahmen wurden hier nicht notwendig. Allerdings wurden die Hygienestandards insgesamt angehoben, es gab Umstellungen von Lagern in Zweischicht-Lager, Mitarbeiterservices wurden geschlossen, die Mitarbeiter arbeiten vom Home-Office aus.

Wer wird noch gebraucht?

Die Nachfrage nach zusätzlichen Ethanol- und Desinfektionsmittel-Quellen ist von Hersteller zu Hersteller unterschiedlich. Einige Unternehmen, wie Jägermeister, erhalten kaum noch Anfragen, während andere besonders im Bereich des Lebensmittelhandels und des Getränkefachgroßhandels weiterhin eine hohe Nachfrage verzeichnen. Die MBG Group wird ihr neues Segment „Hygiene“, welches kürzlich durch Edelstahlsäulen inklusive Ärmelspendern ausgebaut wurde, komplett in ihr Repertoire aufnehmen. Somit wird „Dr. Grimm Wiegand’s“ Hände- und Flächendesinfektionsmittel auch nach der Corona-Zeit erhältlich sein.

Marktübliche statt horrender Preise

Der Ethanol-Preis selbst ist während der Corona-Krise stark gestiegen. Für Ärzte und private Endverbraucher wäre der finale Preis für ein Desinfektionsmittel unerschwinglich geworden. Einige Unternehmen spenden das Ethanol nicht, „denn schließlich verkaufen die Apotheken das daraus hergestellte Desinfektionsmittel ebenfalls, anstatt es zu verschenken“, wie Berentzen erklärt. Dennoch war vielen der Unternehmen wichtig, die Rohstoffpreise am Markt vorherzusehen und das Produkt zum marktüblichen Preis zu verkaufen. Auch Andreas Herb, CEO der MBG Group, erkannte: „Es gibt auch eine Zeit nach Corona.“ Zugunsten der Kundenbindung entschied man also, den Preis pro 500-Milliliter-Flasche Desinfektionsmittel unter zehn Euro zu halten.