Servicebeitrag Österreich Wie unser Nachbarland die Krise bewältigt

Österreich ist besonders stark von Corona betroffen. Wir haben uns in der Alpenrepublik bei den Exporteuren nach dem Umgang mit der Krise umgehört: Hamsterkäufe – Absatzeinbruch – langsamer Aufbau. Die Stimmung: „verhalten positiv“. Von Elke Häberle und Friederike Stahmann.

Mittwoch, 29. April 2020 - Corona Update
Heidrun Mittler
Artikelbild Wie unser Nachbarland die Krise bewältigt
Bildquelle: Friederike Stahmann

Die Alpenrepublik zählt zu den großen Exportnationen von Lebensmitteln insbesondere nach Deutschland. Die Absatz- und Umsatzkurve kennt seit Jahren nur eine Richtung: steil nach oben. Gleichzeitig hat Österreich bereits in einem frühen Stadium den Lockdown verordnet.

„Die Lieferungen an den deutschen Lebensmittelhandel sind im Großen und Ganzen unverändert, einige österreichischen Molkereien liefern weiterhin fleißig nach China und auch von der Lage in Italien können heimische Produzenten profitieren“, fasst die Agrarmarkt Austria Marketing (AMA) die letzten Wochen zusammen. Besonders massiv schlägt bei den Unternehmen natürlich der Wegfall der Gastronomie und des Tourismus ins Kontor: „Da fehlen natürlich wichtige Abnehmer. Hoffentlich können diese beiden Bereiche bald wieder ein Stück weit öffnen.“ Möglich scheint es, schließlich plant Österreich, ab Ende Mai wieder Hotels zu öffnen.

Insgesamt hat sich die vor Jahren eingeschlagene Richtung der österreichischen Nahrungsmittelbranche, auf hochwertige Produkte zu setzen, in der Krise ausgezahlt: „Österreich setzt ja schon lange auf die Spezialisierung, beispielsweise mit Bio oder Heumilch. Diese Segmente halten sich derzeit sehr gut, die Spezialisierung hilft also“, so die AMA.

Ähnliches berichtet die ARGE Heumilch. Zu Beginn des Corona-Shutdowns im März kam es zu Hamsterkäufen und viele Konsumenten verlagerten ihren Einkauf von der Theke auf die SB-Regale. „Es wurde vermehrt zu verpackter Ware mit längerer Haltbarkeit gegriffen“, so Christiane Mösl, Geschäftsführerin der ARGE Heumilch. „Unsere Verarbeitungsbetriebe, deren Heumilchprodukte vorwiegend im SB-Regal platziert sind, mussten enorme Bestellungen bewältigen – teilweise war der dreifache Wochenbedarf von Nöten“, berichtet Mösl. Nach Ostern habe sich die Situation merklich entspannt und seitdem greifen die Konsumenten wieder vermehrt zu Produkten aus der Theke. Insgesamt beschreibt Mösl die Zeit für die Heumilchbetriebe als sehr herausfordernd, „aber unsere Mitglieder konnten mit vereinten Kräften die Aufgaben gut meistern. Nicht zuletzt auch deshalb, da die Nachfrage nach Spezialmilchsorten wie Heumilch in der Krise ungebrochen ist“. Vordringlichste Aufgabe sei es nun, aus dem Bevorratungs- und Versorgungseinkauf wieder einen Erlebniseinkauf zu machen (siehe unten: Aktionen).

Die Tiroler Berglandmilch (Marken: Schärdinger, Tirol Milch, Lattella, Stainzer) verzeichnete in den ersten Wochen ebenfalls eine klare Tendenz zu H-Produkten. „Bei Trinkmilch beispielsweise lagen die Absätze deutlich über dem Durchschnitt. Dieser Trend hielt sich die ersten drei bis vier Wochen und pendelte sich seitdem wieder auf ein normales Niveau ein“, so Unternehmenssprecherin Elisabeth Haimberger. Selbes gelte auch für Joghurt und Käse – nur bei geringeren Mengenausschlägen. Stark eingebrochen und sich bis dato noch nicht erholt hätten sich die GV-Absätze.

Bei der Herstellungs- und Vertriebsgesellschaft VOG mit Sitz in Linz kam es ebenfalls zu massiven Umschichtungen. „Vor allem bei Bohnen und Tomatenkonserven sowie Pasta und Öl kam es zu Hamsterkäufen. Andere Kategorien wie Fruchtkonserven, Fischkonserven und alle Arten von Trockenfrüchten wurden ebenfalls extrem nachgefragt“, sagt Robert Berger, Bereichsleiter Food und Prokurist bei der VOG. Entsprechend seien die vergangenen Wochen eine enorme Herausforderung für die Logistik gewesen: „Zu allererst mussten die Produktionen an die Auslastungsgrenze hochgefahren werden und zum anderen musste diese Ware dann entsprechend bewegt werden“, so Berger, und weiter: „Produkte, welche beispielsweise in Italien produziert werden, waren insofern betroffen, als dass aufgrund des Shut-Downs in Italien kaum Exportport-Güter befördert wurden. Demzufolge gab es eine enorme Frachtraum-Verknappung in Richtung Österreich und Deutschland.“

Bislang relativ unbeschadet kam die Weinkellerei Lenz-Moser, deren Weine ebenfalls über die VOG vertrieben werden, durch die letzten Wochen. „Dadurch, dass 80 Prozent unseres Weinabsatzes im Lebensmittelhandel erzielt werden, sind wir nur zu einem geringen Teil betroffen“, so Marketingleiter Friedrich H. Wimmer. Die Absätze im März und auch im April hätten sich konstant zum Vorjahr entwickelt, Hamsterkäufe bei Wein wurden weder in Österreich noch in Deutschland festgestellt. Weiter zeige sich, dass der Weinabsatz beim Heimkonsum seit der Corona-Krise nicht gestiegen sein dürfte.

Auch die Zusammenarbeit mit den Lieferanten funktionierte einwandfrei. „Hier zeigte sich, dass uns der Materialeinkauf von Glas, Karton, Etiketten oder Kapseln bei regionalen Lieferanten große Vorteile bei der Lieferkette bringt“, so Wimmer. Insgesamt habe Corona das „Wir-Gefühl“ bei den Mitarbeitern gestärkt.

Und wie geht es weiter?! Der Blick geht klar und positiv in Richtung Zukunft – und es werden auch Aktionen geplant. Was das Jahr aber noch bringt, darauf konnte verständlicherweise keines der befragten Unternehmen eine seriöse Antwort geben.

Aktionen für den deutschen Handel

Dieser Beitrag ist der erste Teil einer Serie. Es folgen zwei weitere: die Situation der Exporteure in Südtirol und in der Schweiz.