Handelsgastronomie Vorbereitet auf die Wiedereröffnung?

Die Gastronomie hat heute einen festen Platz im Lebensmittelhandel. Seit Ende März darf auch in den Restaurants und Cafés der Supermärkte kein Gast mehr Platz nehmen. Wie Händler dennoch Speisen verkaufen und auf welche neuen Regeln sie sich jetzt einstellen müssen.

Montag, 27. April 2020 - Corona Update
Bettina Röttig
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Bildquelle: Mirco Moskopp

Lebensmittelhändler haben in den vergangenen Jahren verstärkt in neue gastronomische Konzepte investiert. Bistros, Cafés und sogar Gourmetrestaurants steuern einen guten Teil zum erwünschten Erlebniseinkauf sowie zum Umsatz eines Marktes bei und machen den Händler in der Mittagspause und nach Feierabend zum Rundum-Versorger für Angestellte der Büros und Firmen im Umkreis.

Hat Corona die Gastgeber-Rolle des Handels erst einmal auf Eis gelegt, kommt dennoch wieder mehr Bewegung in die Küchen. Die Umstellung auf ein reines Mitnahme- oder gar Liefergeschäft ist ein logischer Schritt, der jedoch erst einmal organisiert werden muss. Nicht immer rechnet sich der Betrieb, doch die Händler setzen mit neuen Konzepten auch wichtige Signale in Richtung Mitarbeiter und Kunden.

Für die Kaufleute Peter und Lutz Richrath, Inhaber von 15 Rewe-Märkten, sind gastronomische Konzepte heute ein wichtiger Bestandteil des Lebensmittelhandels. In ihrem Standort in den Kölner Opernpassagen ist das Gastronomie-Geschäft ein bedeutendes. Hier bieten die Brüder unter anderem das in Eigenregie betriebene Bistro „Richrath’s Mahlzeit“ mit rund 100 Sitzplätzen und einer Fleischbar, an der sich Kunden ihre Mahlzeit individuell zusammenstellen können. Wurde der Betrieb infolge des Gastro-Lockdowns Mitte März zunächst auf „To-go“ umgestellt, änderten sich mit Schließung der meisten Geschäfte ab dem 23. März die Rahmenbedingungen. „Die Kundenfrequenz ging in der Kölner Innenstadt von jetzt auf gleich so drastisch zurück, dass der Betrieb des Restaurants mit reinem To-go-Angebot nicht mehr rentabel war“, erklärt Peter Richrath. Erfolgreich weiterbetrieben wurde der Imbiss im Eingang des Marktes – ohne die sonst üblichen Stehtische und mit den geforderten Maßnahmen zur Einhaltung der Abstandsregeln. Seit der ersten Öffnungswelle des Handels am 20. April können Kunden nun wieder bei „Richrath’s Mahlzeit“ eine reduzierte Auswahl an Speisen bestellen und mitnehmen. Auch wenn der große Ansturm fehlt, rechnet sich der Aufwand aktuell „einigermaßen“.

Für Globus war die gesetzliche Vorgabe die Gastronomie zu schließen, „eine Herausforderung der besonderen Art“, erklärt Michael Christmann, Leiter Gastronomie Globus SB-Warenhaus. „Da wir täglich in unseren Globus-Gastronomien über 65.000 Gäste bedienen und wir für diesen Kundenstrom einen hohen Lagerbestand an Rohstoffe für die Speiseherstellung und die Getränke haben, mussten unsere Mitarbeiter schnell und kaufmännisch handeln.“ Jede Globus-Gastronomie verfügt auch über einen Gastronomiegrill, dort werden nun Bratwurst sowie regionale und lokale Mittagsgerichte zum Mitnehmen angeboten. „Unsere Gastronomie ist eine tragende Säule von Globus, die vom Gesamtumsatz einen kleinen Teil ausmacht, aber für den Globus-Kunden eine essentielle Bedeutung hat.“ Betriebswirtschaftlich rechne sich diese Minimal-Lösung aktuell nicht, jedoch habe man eine Verantwortung gegenüber den Kunden. „Unsere Globus-Gastronomie lebt von unseren Stammgästen, die auch unser Restaurant als ihr Wohnzimmer sehen. Für diese Gästegruppe ist es ein besonderer Einschnitt in ihre Lebensqualität, die man nicht mit Zahlen beziffern kann“, weiß Christmann.

Wichtig sei es, diese Zeit auch als eine Chance für die Zukunft zu sehen. „In der heutigen Zeit, in der das Arbeitsleben nur durch Kennzahlen und Zeitvorgaben gesteuert wird, haben wir oft nicht die Zeit für neue Ideen oder auch dafür das ‚Liegengelassene‘ aufzuarbeiten.“ Globus habe die herausfordernde Zeit genutzt, um die Betriebe wieder auf Vordermann zu bringen, dazu gehöre beispielsweise die Durchführung anstehender Reparatur- und Wartungsarbeiten. Weiterhin nutzten die Mitarbeiter die Zeit dafür, um sich neue Gerichte auszudenken, „das heißt wir prüfen aktuell in jedem einzelnen Betrieb, was wir noch besser machen können, um unseren Gästen den Aufenthalt in unserem Restaurant noch angenehmer zu gestalten“, so Christmann.

Nach der ersten Schockstarre kommt auch bei anderen Unternehmen wieder mehr Bewegung in die Küchen. Reduzierte Speisekarten, Kommunikation über Social Media und einfache Bestellwege haben die Konzepte gemein.

So schwingen die Köche des Hit-Shopping-Centers in Andernach seit 20. April wieder ihre Kochlöffel und bieten in der unter Schutzmaßnahmen wiedereröffneten Cafeteria des Marktes Mittagessen zum Mitnehmen an. Zwei Speisen stehen Montag bis Freitag von 11 bis 14 Uhr zur Auswahl, der „Speiseplan To Go“ wird unter anderem auf Facebook bekannt gegeben.

Edeka Ladage hatte die Bistros der eigenen Märkte zunächst geschlossen, Kaffee gab es seit Ende März nur noch To Go. Seit 20. April können Kunden montags bis samstags von 11 bis 14 Uhr Burger telefonisch oder unter Einhaltung der Abstandsregeln direkt in den Bistros bestellt werden.

Hiebers Frischecenter hat neben dem Angebot frisch gekochter Speisen zum Mitnehmen in einigen der 14 eigenen Märkte einen Gourmet-Lieferdienst am Standort Lörrach neu gestartet. Auf www.hieberliefertpizza.de finden Hungrige seit einer Woche frisch zubereitete Speisen wie Pizza, Burger, Sushi, Hähnchen, zudem Desserts, Kuchen sowie ein kleines „Tankstellenangebot“ mit Snacks, Getränken und Zigaretten. Montag bis Samstag von 11:30 bis 14 Uhr sowie von 17 bis 21 Uhr gewährleistet Hieber die Lieferung für Lörrach-Stadt und alle Ortsteile ab einem Mindestbestellwert von 15 Euro. Ausgeliefert wird mit drei Fahrzeugen aus der bestehenden Flotte, die Homepage wurde selbst erstellt. Das Unternehmen habe in der ersten Woche wertvolle Erfahrung mit der Belieferung in Eigenregie gesammelt, und jeden Tag verdoppele sich der Umsatz des brandneuen Lieferservice, so Inhaber Dieter Hieber. „Wirtschaftlich rechnen sich diese Tests und Aktionen derzeit nicht, dennoch sind sie für uns von großer Bedeutung. Wir möchten möglichst vermeiden, Gastro-Mitarbeiter in Kurzarbeit schicken zu müssen, und es ist uns wichtig, ihnen zu zeigen: Wir kämpfen für euch und mit euch!“, betont Hieber.

Wiedereröffnung: Unter welchen Bedingungen?

In Österreich darf die Gastronomie ab Mitte Mai wieder Gäste in ihren Lokalen willkommen heißen. Auch hierzulande scharren Gastronomen mit den Hufen und plädieren für den Neustart einer verantwortungsbewussten Gastronomie. Umfangreiche Maßnahmenpakete werden diskutiert.

Bereits angekündigt wurde die Senkung der Mehrwertsteuer der Gastronomie ab 1. Juli von 19 auf 7 Prozent – befristet auf ein Jahr. Von diesem Zugeständnis der Politik verspricht sich Rewe-Kaufmann Peter Richrath wenig: „Ob mit günstigeren Preisen tatsächlich mehr Kunden angelockt werden, ist für mich fraglich.“ Michael Christmann, Leiter Gastronomie Globus SB-Warenhaus, sieht den verminderten Mehrwertsteuersatz als „richtiges Zeichen unserer Regierung und ich hoffe, dass dies nur der erste Schritt von vielen sein wird. Bis wir in unserer Gastronomie wieder die Monatsumsätze wie vor der Corona-Krise erzielen, vergeht bestimmt noch ein Jahr, das heißt diese Steuerbegünstigung muss und sollte mindestens 36 Monate betragen, damit auch die gesamte Gastronomie die Chance bekommt sich zu sanieren“.

Übereilen will Peter Richrath die Wiederaufnahme des regulären Gastronomiebetriebs in den eigenen Bistros nicht. „Sollte die Gastronomie von der Regierung nun grünes Licht bekommen und Gäste wieder Platz nehmen dürfen, müssen wir nicht unbedingt zu den ersten gehören, die neue Konzepte testen“, sagt er. Je nachdem, wie umfangreich die zusätzlichen Anforderungen ausfielen, sei es fraglich, was überhaupt unternehmerisch tragbar sei und ob eine Wiederöffnung mit mehr Ärger als Nutzen verbunden sei. „Die Menschen lassen sich nicht gerne bevormunden“, weiß Richrath. Das zeigten bereits die Reaktionen einiger uneinsichtiger Kunden auf die aktuell geforderten Maßnahmen zu Abstandsregeln und Einlass-Beschränkungen im Supermarkt. „In unserem Restaurant im Markt in den Opernpassagen gibt es keine Bedienung am Tisch, wir bräuchten eine Reihe zusätzlicher Mitarbeiter, die den Einlass kontrollieren und die Umsetzung von zusätzlichen Hygiene-Maßnahmen und Verhaltensregeln im Gastraum durchsetzen müssten.“

Nicht nur dass man die Umsetzung der Vorgaben nur schwer kontrollieren könne, macht Richrath Gedanken. Auch führe die extreme Beschneidung des Gesetzgebers zu einem nicht unerheblichen Verlust des Genusses, und der Freude, meint er. Der Genuss von Wein und Bier während des Essens oder nach der getanen Arbeit mache Gästen keinen Spaß, „wenn das Ordnungsamt theoretisch danebensteht, und mit Ordnungsverfügungen droht, und in dem Falle, wenn sich ein Gast nicht daranhält, auch gegen uns vollzogen wird“.

Der Leiter der Globus-Gastronomie beschäftigt sich bereits mit möglichen zusätzlichen Maßnahmen zum Schutz von Gästen und Mitarbeitern in der Gastronomie, die sich aus den aktuellen gesetzlichen Vorgaben ergeben. Aufgrund der sehr hohe Kundenfrequenz in der Gastronomie werde insbesondere die Steuerung des Kundenlaufs eine Herausforderung, um den geforderten Mindestabstand einhalten zu können. „Hier muss uns die Schnelligkeit bei der Kundenabwicklung helfen, zudem werden wir unser Speiseangebot reduzieren. Dadurch können unsere Gäste ihr Menü schneller wählen und wir sind dadurch in der Lage, den gesamten Bedienungs- und Kassier-Prozess schneller abzuwickeln.“ Das Sitzplatz-Angebot werde reduziert, ein Gastronomie-Mitarbeiter soll als stetiger Ansprechpartner im Gastraum betreuen und freie Plätze zuweisen. Auch hier spiele die Schnelligkeit eine Rolle.“ Ziel ist es die Verweildauer in unsere Gastronomie zu reduzieren. Während des Mittagessens sind alle Kassen geöffnet und, dort wo wir es systemseitig organisiert bekommen, werden die Kassiervorgänge auf Bargeldlos umgestellt.“ Die neuen Regeln werden an den Eingängen der Restaurants sowie auf den Tischen nachzulesen sein. An verschiedenen Stellen werde die Möglichkeit der Hände-Desinfektion angeboten. „Weiterhin werden wir unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie auch unsere Gäste gegenseitig durch Sicherheitsmaßnahmen zum eigenen Wohle mit Plexiglas und Abstandskennzeichnung schützen“, so Christmann.

Was gilt es für die Wiederöffnung der Gastronomie zu beachten?

Die LP hat nachgefragt bei Marcus Schwenke, Geschäftsführer Grosshandelsverband Foodservice e.V.

LP: Herr Schwenke, deutsche Gastronomen plädieren für eine Wiederöffnung des Sektors. Mit welchen Konzepten soll der Betrieb von Restaurants während der Corona-Zeit ermöglicht werden?

Marcus Schwenke: Durch eine maßgebliche Erweiterung der bestehenden HACCP-Anforderungen sowie durch klare Regelungen zum Publikumsverkehr werden die Grundlagen für eine bestmögliche Infektionsprävention im Rahmen einer Gesamtstrategie zum Umgang mit COVID-19 (u.a. Entwicklung der Infektionsraten, ausreichende Krankenhauskapazitäten etc.) in der Gastronomie gelegt. Sie umfassen Hygieneanforderungen auf Flächen mit Publikumsverkehr, Küche, Sanitärräume sowie bei der Annahme von Waren, Abstandsregelungen, Kontaktnachverfolgung sowie klare Regeln zur Interaktion zwischen Gast und Service. Diese erweiterten Standards müssen in gültigen Checklisten erfasst, bearbeitet sowie durch das jeweilige Landesgesundheitsamt verwaltet und nachverfolgt werden können. Hierzu bieten sich digitale Lösungen an.

Wie sollen umsetzbare Sitzpläne, Kundenlaufkonzepte, Maßnahmen zu Hygiene in Gastraum und Sanitärräumlichkeiten konkret aussehen? Wichtig ist der Abstand von 1,5 m (Tischaußenkanten) zwischen den Tischen, was bei vielen Gaststätten eine Reduzierung der Tische zur Folge hätte. Die Tische sollten zudem nicht nebeneinander, sondern „auf Lücke“ angeordnet sein. Überdies ist empfohlen, nicht mehr als zwei Personen zu platzieren. Ausnahmen stellen Familien/ Haushalte – analog zu den Regelungen der Kontaktsperren dar. Der Abstand von 1,5 m muss auch bei Warteschlangen wie auch in den Sanitärräumen gewährleistet sein. Die 1,5 m Regelung bedeutet auch, dass keine Sitzplätze an Bars bzw. Tresen angeboten werden sollten. Stehtische sollten vermieden werden, um Gästezirkulation zu vermeiden. Weiterhin ist es anzuraten, dass Gäste nur zwei Stunden im Restaurant verweilen. Sowohl am Eingang zur Gaststätte wie auch zu den Sanitärräumen sollten Desinfektionsspender vorhanden sein. Eine konsequente, regelmäßige Desinfektion der Sanitärräume ist zudem notwendig.

Wo liegen die größten Herausforderungen für Service-Personal und Köche?

Die besondere Herausforderung für Service und Küche liegt im Tragen von Masken sowie der konsequenten Handdesinfektion sowie Desinfektion sämtlicher „Gebrauchsgegenstände“ (Teller, Kreditkartengeräte, Arbeitsfläche, Stühlen und Tischen etc.). Empfohlen wird zudem, dass nie alle Mitarbeiter gleichzeitig da sind (damit im Falle einer Infektion nicht alles stillgelegt wird), sondern in Schichten gearbeitet wird – dies stellt natürlich eine besondere Herausforderung für die Personaldecke dar. Für den Service wird eine Herausforderung darstellen, mit Abstand mit dem Gast zu sprechen sowie zu servieren. Auch in der Küche ist auf Abstand zu achten, was im Hinblick auf die Dynamik der Zusammenarbeit in der Küche ebenfalls Gewöhnungszeit bedeutet.

 

Checkliste

Der Grosshandelsverband Foodservice e.V. empfiehlt folgende Maßnahmen für Restaurants, Cafés und Imbisse. Für die Außengastronomie bestehen keine gesonderten Anforderungen.

1. Hygieneanforderungen für Flächen mit Publikumsverkehr

2. Kontaktnachverfolgung

3. Abstandsregelungen

4. Gäste- und Zugangsbeschränkungen

5. Reinigungsregelungen

6. Zusätzliche Hygiene in der Küche und bei der Warenannahme