Podiumsdiskussion zum Regional-Star Storytelling als Erfolgsrezept – wie Händler Verbraucher für regionale Produkte gewinnen

Was bedeutet Regionalität eigentlich, wie kann sie vermarktet ­werden und wie funktioniert sie heute? Fragen für die Podiumsdiskussion anlässlich der 10. Verleihung des Regional-Stars.

Artikelbild Storytelling als Erfolgsrezept – wie Händler Verbraucher für regionale Produkte gewinnen
Bis spät in die Nacht feierten die Gewinner, Nominierten und die Jury nach der Verleihung des Regional-Stars mit den Besuchern. Bildquelle: Santiago Engelhardt

Birnen vom Bauernhof nebenan, Fleisch vom Erzeuger um die Ecke – regional erzeugte Lebensmittel sind ein Megatrend. Laut einer Umfrage des Forsa-Instituts achten zwei Drittel der Verbraucher beim Einkauf meist auf die Herkunft der Lebensmittel. „Die Initiatoren des Regional-­Star-Wettbewerbs haben diesen Trend frühzeitig erkannt: Sie geben den Machern eine Bühne und die ­Aufmerksamkeit, die sie verdienen“, sagt Bundes­landwirtschaftsminister Cem Özdemir zum Auftakt der Verleihung des Regional-­Stars, den die Lebensmittel Praxis bereits zum zehnten Mal auf der Grünen Woche vergab. Der Wettbewerb greife viele Zukunftsthemen auf, mit denen sich auch die Politik beschäftige. Die Initiatoren des Preises seien deshalb Identitätsstifter und schafften ein Wir-Gefühl, das wir heute so dringend bräuchten, so Özdemir. „Solche Ideen kann man nicht von oben verordnen. Es braucht die Praktiker vor Ort, die wissen, was zu den lokalen Bedingungen passt.“ Die Nominierten hier zeigen, dass es viele engagierte Macher gibt, die ihre Region kennen und viel auf die Beine stellen. „Mögen sie Strahlkraft entwickeln, damit das Interesse und die Wertschätzung für die Lebensmittelproduktion vor Ort weiterwachsen“, so Özdemir. Ludger Schulze Pals, Geschäftsführer des Landwirtschaftsverlags Münster und der Lebensmittel Praxis, nennt weitere Ziele: „Die besten dieser Initiativen sollen ausgezeichnet und als Leuchttürme präsentiert werden. Diese Leuchttürme sollen andere ­ermutigen, es ihnen gleichzutun und weitere regionale Produkte zu entwickeln.“

In der anschließenden Podiumsdiskussion erörtern Vertreter aus Handel, Landwirtschaft, Wissenschaft und Wirtschaft die Bedeutung und Auswirkungen des Aufbaus regionaler Lebensmittelversorgungs- und -verarbeitungsstrukturen für den Klimaschutz in Deutschland. Elisabeth Promberger, Vorsitzende der Geschäftsleitung der Rewe-Region Süd, bestätigt, dass das Thema Regionalität für ihr Unternehmen eine große Rolle spiele. 80 Prozent der Obst- und Gemüseprodukte in der Region Süd kämen aus der Region. Auch an anderer Stelle versucht der Konzern, Vorreiter zu sein: Im Jahr 2023 wurde ein Kompetenzzentrum gegründet, das Landwirtschaft, Wissenschaft und Wirtschaft ­verbindet. Das gemeinsame Ziel: wegweisende konkrete Projekte zu entwickeln, die den Wandel zu einer nachhaltigen deutschen Landwirtschaft mitgestalten.

Norman Lüdke, Einkaufsleiter bei Edeka Brehm, betont, dass alles, was es in Brandenburg gibt, auch von dort bezogen wird. Der regionale Anteil im Unternehmen schwankt im Jahresverlauf stark: Im Durchschnitt liegt er bei etwa 15 Prozent, in der Hochsaison werden bis zu 25 Prozent erreicht. Um die regionale Versorgung sicherzustellen, hat Edeka Brehm viele eigene Lieferanten, mit denen direkt verhandelt wird.

Herausforderungen für Landwirte

„Die deutsche Landwirtschaft leistet Großartiges bei der Versorgung aller und über die gesetzlichen Mindeststandards hinaus. Aber es bleibt eine Herausforderung, die Produkte aus der Region zu den Menschen zu bringen“, sagt Heiko Terno, Landwirt und Vizepräsident des Bauernbundes Brandenburg, zu den aktuellen Problemen. Ganz oben auf der Wunschliste von Landwirt Terno steht politische Unterstützung, um wieder Rechtssicherheit bei Baugenehmigungen zu bekommen. Landwirte investieren eigenes Kapital und gehen Risiken ein, um Lebensmittel zu produzieren. Werden Bauge­nehmigungen ständig angefochten, kommen die Landwirte in Sachen Tierwohl nicht weiter, so Terno. Ein einmal gebauter Stall sollte 25 Jahre Bestandsschutz haben, ohne dass ständig neue Anforderungen gestellt werden. „Es gibt so viel Potenzial in der Region – wir verschwenden hier nur unnötig Ressourcen durch Zeitverlust.“

Hier geht es zu den Gewinnern, Nominierten und ihren Konzepten: Regional-Star 2025

Von veränderten Rahmenbedingungen berichtet Sebastian Kühn, Geschäftsführer der Eberswalder Wurst (EWN). Vor sechs Jahren hatte das Unternehmen die Idee, eine regionale Wertschöpfungskette für Schweinefleisch in der Hauptstadtregion ­aufzubauen. Doch seitdem haben sich die Rahmen­bedingungen verschlechtert. Der größte und einzige Schweineschlachthof Brandenburgs in Perleberg wurde verkauft, heute werde hier nur noch etwa ein Drittel der Schweine geschlachtet. Inzwischen gehört die EWN der Familie Tönnies. „Das war eine wohlüberlegte Entscheidung. Es gab keinen zukunftsorientierten Spielraum mehr“, sagt Kühn. Der Geschäftsführer übergab sein Projekt „100 Prozent regional“, das Tierwohl und Regio­na­lität verbindet, an den Schlachthof Weißenfels in Sachsen-Anhalt, der von der Tönnies-Gruppe betrieben wird. Das regionale Schweinefleisch aus dem Projekt „100 Prozent regional“ wird nun als 100 Prozent regionale ostdeutsche Wertschöpfungskette auf zahlreiche Rewe-Märkte in ganz Ostdeutschland ausgeweitet. „Der Begriff ‚Region‘ oder ‚regional‘ muss realistisch und verbraucherorien­tiert definiert werden. Wir wollen nicht mehr von der engen Region Berlin-Brandenburg sprechen, sondern von der Region Ostdeutschland“, sagt Sebastian Kühn.

Kaufverhalten wird vom Preis bestimmt

Leider wird das Kaufverhalten vieler Verbraucher immer noch vom Preis bestimmt, wie Elisabeth Promberger berichtet. „Wir wissen, dass die Inflation die Kunden preissensibler gemacht hat. Unsere wöchentliche Befragung von 1.000 Kunden zeigt, dass 70 Prozent auf den Preis achten und nur 30 Prozent bereit sind, für nachhaltige, klimafreundliche Produkte mehr auszugeben“, so Promberger. Gleichzeitig wünschen sich 70 bis 80 Prozent der Kunden regionale Produkte. Das ist oft ein Widerspruch. Hier gilt es, die Vorzüge regionaler Produkte transparent zu kommunizieren. Die Rewe Süd hat zum Beispiel im letzten halben Jahr beim Rindfleisch auf Haltungsstufe drei umgestellt. Es sei wichtig, die Vorteile klar darzustellen, damit die Kunden auch bereit seien, dafür mehr zu bezahlen.

Wie wichtig ein fairer Preis ist, weiß auch Prof. Dr. Thomas Vogler, Professor für Handelsmarketing an der THI Business School Ingolstadt. „Ohne regionale Arbeit gehen bäuerliche Strukturen verlo­ren, und das wäre ein großer Verlust. Deshalb muss der Verbraucher bereit sein, für diese Produkte mehr zu bezahlen.“

Auch Norman Lüdke hat eine deutliche Veränderung des Einkaufsverhaltens festgestellt. Doch Edeka Brehm arbeitet schon lange mit seinen regionalen Partnern zusammen. „Wir legen großen Wert darauf, unseren Kunden transparent zu machen, wer hinter den Produkten steht. Es geht darum, dass die Kunden eine Beziehung zu den Produzenten aufbauen können.“ Storytelling sei ein Erfolgsfaktor für das Unternehmen, so Lüdke. „Erzählt eure Geschichten, seid persönlich, stellt Bezüge her – dann funktioniert es.“

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