Interview mit Renate Künast „Mit dem Einkaufskorb Politik machen“

Das Interesse der Menschen am Thema Ernährung wird weiter wachsen. Sagt Renate Künast, Vorsitzende des Ausschuss Recht und Verbraucherschutz im Bundestag.

Freitag, 27. Juni 2014 - Management
Reiner Mihr
Artikelbild „Mit dem Einkaufskorb Politik machen“
Bildquelle: Santiago Engelhardt

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Das Vertrauen der Menschen in die Lebensmittelwirtschaft ist gering, sagt Renate Künast im LP-Gespräch. Hier hätten die Unternehmen eine klare Bringschuld. Transparenz und Öffentlichkeit seien Voraussetzung für eine Veränderung.

Frau Künast, sind Lebensmittel in den vergangenen Jahren sicherer oder weniger sicher geworden?
Renate Künast: Einerseits sind sie sicherer geworden, andererseits haben wir globale Warenströme mit dem Ergebnis neuer Probleme.

Was sind derzeit die größten Probleme?
Unter der Massentierhaltung leiden nicht nur die Tiere, sondern sie bringt eine Vielzahl an Folgeproblemen für Umwelt und Mensch mit sich. Unsere Böden und unser Wasser sind durch die Massentierhaltung massiv belastet. Resistente Keime können für die Gesundheit der Menschen zu großen Risiken führen. Auch die Herstellung hoch verarbeiteter Lebensmittel kann Probleme mit sich bringen, wie den Einsatz von Zusatz-, Konservierungs- oder Farbstoffen, von denen wir nicht endgültig wissen, was sie auf lange Sicht im Körper bewirken.

Relativ neu in der Branche und intensiv diskutiert sind Nanopartikel...
... ja, in einer hoch entwickelten Produktion werden auch die Hilfsstoffe immer effektiver und komplizierter. Was diese auch in einer Langzeitbetrachtung bewirken, kann heute keiner definitiv sagen. Deshalb sollte hier das europäische Prinzip der Kontrolle und Zulassung greifen.

Das sogenannte europäische Vorsorgeprinzip wird jedoch durch die Verhandlungen über das Freihandelsabkommen TTIP gerade faktisch in Frage gestellt.
Ich setze darauf, dass die europäische Errungenschaft des Vorsorgeprinzips nicht aufgegeben wird und die EU-Kommission kein Abkommen eingeht, das die körperliche Unversehrtheit der Menschen gefährdet.

Der Eindruck entsteht aber, wenn man von Genfutter, Chlorhühnern, Klonfleisch und ähnlichem liest...
Das größte Problem ist noch ein anderes. Wenn internationale Konzerne künftig Klage vor privaten Schiedsgerichten erheben können, weil von gewählten Parlamenten beschlossene Entscheidungen ihre Gewinnchancen schmälern, ist das noch viel problematischer. Das heißt, dass wir Gefahr laufen, unsere politischen Entscheidungen künftig über Schadensersatzzahlungen erkaufen zu müssen oder – aus Angst vor einer Klage erst gar nicht mehr entscheiden. Damit wird das Grundgesetz ausgehebelt, wenn nämlich das Grundrecht auf Eigentum über das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit gestellt wird.

Der Einfluss darauf erscheint beschränkt...
Mittlerweile ist eine neue, kräftige Bewegung entstanden, die sich mit dem Thema Lebensmittel sehr intensiv befasst. Die Erzeugung unserer Lebensmittel ist zu einem wichtigen Thema der Umweltverbände geworden. Denn Lebensmittelproduktion und -handel haben direkte Auswirkungen auf Umwelt, Klima, Tierschutz. Da entsteht gerade ein breites neues Bewusstsein, das zu großen Veränderungen führen wird.

Aber im Supermarkt kaufen die Kunden doch vor allem nach dem Preis ein?
Veränderungen brauchen Zeit. Vor rund zehn Jahren haben die Vollsortimenter begonnen, sich über Regionalität, Saisonalität, Frische und hochwertigere Produkte von den Discountern qualitativ abzugrenzen. Das zunehmende Bewusstsein über Herstellung, Qualität und Umweltfolgen von Lebensmitteln sollten Lebensmittelhersteller und -handel als große Chance verstehen.

Umweltpolitik mit Messer und Gabel?
Ja natürlich, denn mit den Produkten, die ich täglich kaufe und esse, beeinflusse ich unmittelbar Umwelt, Natur und Klima. Ich nenne das: „Mit dem Einkaufskorb Politik machen“. Das Interesse der Menschen an der Qualität von Lebensmitteln nimmt zu. Hier entsteht eine neue Szene – zwar erst am Anfang – aber sie wird dem Thema auf lange Zeit eine hohe Aufmerksamkeit verschaffen und ist international zu sehen.

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