Innovative Marken Top oder Flop?

Die Anzahl neuer Produkte, die auf den Markt kommen, steigt. Neue Konsumentenbedürfnisse und Lebensweisen bieten auch weiterhin viel Potenzial für Innovationen.

Donnerstag, 07. November 2013 - Management
Tobias Dünnebacke
Artikelbild Top oder Flop?
1990: Meister Proper Essig-Kraft: Meister wurde von einer Agentur in Chicago unter dem Namen Mr. Clean entwickelt. 1990 schaffte es die Variante Essig-Kraft in die HIT-Liste.

Jedes Jahr überflutet eine unüberschaubare Menge an neuen Produkten den Markt. Nicht alle Neuheiten treffen dabei den Verbrauchergeschmack und bestehen den Test der Zeit. Ein Blick in die Vergangenheit zeigt: Wirkliche Innovationen hat es in der Lebensmittelbranche schon lange nicht mehr gegeben. Als z. B. 1955 auf der Anuga zum ersten Mal in Deutschland Tiefkühlkost vorgestellt wurde, war dies eine bahnbrechende Neuerung. Fortan sollten TK-Produkte wie Fischstäbchen und Spinat unser Konsumverhalten nachhaltig und bis in die heutige Zeit prägen. Tiefkühlkost war eine wirkliche Innovation, etwas Neues und in dieser Form noch nie Dagewesenes.

Auch heute noch zeigt sich die Lebensmittelindustrie hoch dynamisch und innovativ. So registrierten die Marktforscher von IRI Information Resources (IRI) im ersten Halbjahr 2013 knapp 5.600 neue EANs (European Article Number) in 32 Warengruppen. Aber zur Wahrheit zählt auch: Nicht jede Neuheit der Lebensmittelindustrie ist gleich innovativ. Große, unsere Konsumgewohnheiten verändernden Quantensprünge hat es in den vergangenen Jahren nicht mehr gegeben. Die Boston Consulting Group, eine international tätige Beraterfirma, ermittelt alljährlich die weltweit innovativsten Unternehmen. Die Namen, die die vorderen Plätze einnehmen: Apple, Google, Facebook und Microsoft. Innovativ ist, was Bits und Bytes bewegt. Und die Lebensmittelindustrie? Als einziger Hersteller unter den Top 25 rangiert Coca-Cola immerhin auf Platz 17. Was die Unternehmen aber abseits von Ranglisten viel eher ärgern dürfte, ist, dass die Floprate für neu eingeführte Produkte hoch ist. Die teilweise sehr aufwendige Marktforschung, bei der die Bedürfnisse der Konsumenten möglichst treffsicher ermittelt werden sollen, scheint Grenzen zu haben. Die hohen Investitionen in Forschung, Entwicklung sowie das Marketing stellen immer auch ein Risiko dar.

Durch den HIT, die alljährliche Befragung des Handels zum Thema Neuprodukte, hat die LEBENSMITTEL PRAXIS einen guten Überblick über die Innovationsdynamik der Branche und die Artikel, die zumindest beste Voraussetzungen hatten, ein Klassiker zu werden und dies auch geschafft haben. Ein Blick in das Archiv zeigt, dass auch bei den Händlern Coca-Cola am besten abschneidet. Ganze 13-mal wurden seit 1987 die Marken des Softdrink-Herstellers von den Entscheidern im Handel zu den wichtigsten Neuheiten gewählt. Überhaupt ist die Warengruppe der Alkoholfreien Getränke (AfG) auffällig häufig vertreten. Neben Coca-Cola holte zum Beispiel auch Eckes-Granini hohe Platzierungen. Mit Neuerungen wie Hohes C Heimische Früchte gilt das Unternehmen mit Sitz in Nieder-Olm zu einem der kreativsten Saftproduzenten in Deutschland. Im AfG-Markt am meisten Staub aufgewirbelt haben in den vergangenen Jahren die Energy-Drinks, angetrieben durch den unangefochtenen Marktführer Red Bull, der die Kategorie seit der Einführung in den frühen 1990er- Jahren prägt.

Aber auch andere Warengruppen setzten in den vergangenen Jahren Akzente. So war keine Marke häufiger in den Top-Ten der HIT-Befragung vertreten als Maggi. Seit 25 Jahren bietet die Marke praktische Hilfestellung in der Küche, wie die verschiedenen Variationen zu Maggi Fix zeigen. Auch Schwartau, Dr. Oetker und Persil waren seit der ersten HIT-Befragung jeweils achtmal vertreten.

Bei Eis konnten sich vor allem Mövenpick und Magnum als innovative Marken profilieren. Mövenpick hat mit seinen Eiskreationen schon zehnmal auf dem Siegertreppchen gestanden, mit dem Konzept „Unser Eis des Jahres“. Magnum konnte die Handelsjury viermal überzeugen. Dass Handel und Verbraucher in naher Zukunft auf ein solch vielfältiges Angebot an Neuheiten verzichten müssen, ist nach den Ergebnissen von IRI nicht abzusehen. Eher im Gegenteil. Das erste Halbjahr 2013 war laut den Meinungsforschern geprägt durch eine deutlich höhere Anzahl von neuen Produkten als im Vorjahreszeitraum. Körperpflege und Kosmetik, die Warengruppen mit dem größten Innovationszuwachs, weist in diesem Jahr 417 zusätzliche Neuprodukte im Verhältnis zum Vorjahr auf.

Überzeugende Ergebnisse liefern auch die Produkte aus dem Back-Bereich. Besonders die Warengruppen TK-Backwaren/Süßgebäck und die Dauerbackwaren überzeugen im ersten halben Jahr mit guten und vor allem konstanten Umsatzergebnissen der Neuprodukte. Den größten Umsatzanteil von Neuprodukten im ersten Halbjahr gibt es laut IRI in der Warengruppe Babynahrung und -pflege. Auch mit neuen Schokoladen-Varianten können Handel und Industrie viel Umsatz machen.

Zur Wahrheit gehört aber auch: Nicht nur die Anzahl neuer Produkte ist gestiegen, sondern auch die Floprate. Die Definition, ab wann ein Produkt gefloppt ist, ist nicht immer einfach, jedoch kann man spätestens von einem Misserfolg sprechen, wenn die entsprechende Marke nicht mehr verkauft wird. Eine solche Erfahrung bleibt auch den innovativsten Unternehmen nicht erspart. So erlebte Coca-Cola mit der Markteinführung von The Spirit of Georgia hierzulande einen Flop. Auch Ritter Sport konnte mit der Bio-Range der Schoko-Tafeln nicht den gewünschten Erfolg erzielen.

Bilder zum Artikel

Bild öffnen 1987: Persil Phosphatfrei – Tenside, die den Schmutz aus der Wäsche lösen, belasten die Gewässer. Für Persil Phosphat finden die Forscher einen Austauschstoff: Zeolith A (Sasil).
Bild öffnen 1990: Meister Proper Essig-Kraft: Meister wurde von einer Agentur in Chicago unter dem Namen Mr. Clean entwickelt. 1990 schaffte es die Variante Essig-Kraft in die HIT-Liste.
Bild öffnen 1994: Berentzen Saurer Apfel: Die wichtigste Innovation des Unternehmens, die Mischung von Korn mit Apfelsaft, geht auf das Jahr 1976 zurück. Aber auch später, wie 1994, gewinnt Berentzen die HIT-Auszeichnung mit der Variante Saurer Apfel.
Bild öffnen 2007: Coca-Cola Zero – Eine wirkliche Innovation erkennt man daran, dass sie massenweise nachgeahmt wird. Demnach ist Coca-Cola mit der Zero-Variante ein echter Coup gelungen.
Bild öffnen 2011: Mühlen Würstchen – 2011 wurde die Rügenwalder Mühle für die transparente, wiederverschließbare Verpackung, aus der sich die Würstchen einfach entnehmen lassen, ausgezeichnet.