Interview mit Alain Caparros - Rewe „Emotionalität und Erlebnis werden noch wichtiger" - Weitere Fragen

Wie der Supermarkt der Zukunft genau aussehen wird, weiß niemand. Aber Rewe-Chef Alain Caparros hat eine Vision.

Donnerstag, 18. April 2013 - Management
Reiner Mihr und Sonja Plachetta
Artikelbild „Emotionalität und Erlebnis werden noch wichtiger" - Weitere Fragen
„Wir leben in einer verru?ckten Welt – der Handel ist die Hauptstadt.
Bildquelle: Mugrauer

Was planen Sie bei der Sortimentsoptimierung?
Weg vom Mainstream, Wir müssen uns besonders um die Profilierungssortimente kümmern, ohne die Preiseinstiegsartikel zu vernachlässigen. Punkten könnten wir mit unserer Frische-Kompetenz im Online-Bereich. Ware aus einer Fleisch- oder Fischtheke wird bisher kaum online bestellt. Eine Chance könnte sein, stationär und online komplementär zu spielen. Wir können nicht jeden Wein im Laden vorrätig haben, aber der Mitarbeiter kann darauf hinweisen, dass dieser Wein bei uns online erhältlich ist. Da kommen noch viele Herausforderungen auf uns zu. Und Visionen zu entwickeln, die sich auch auszahlen, macht mir persönlich sehr viel Spaß.

Angesichts vermehrter Lebensmittelskandale scheint es einen schleichenden Vertrauensverlust bei den Verbrauchern zu geben. Reichen Ihre Bemühungen in Sachen Nachhaltigkeit aus, um dem entgegenzuwirken?
Die Verbraucher hinterfragen bewusster, was sie genau essen. Das Produkt soll hochwertig, bio und am besten noch nachhaltig sein, aber auch preiswert. Das ist die Quadratur des Kreises. Wenn der Preis alles diktiert, verleitet das Menschen mit krimineller Energie zum Betrug, wie beim als Rindfleisch deklarierten Pferdefleisch gesehen. Dagegen können wir nichts tun. Der Handel ist hier stets der Dumme. Wir haften juristisch für unsere Produkte, aber wir können nicht in mehr als 15.000 Märkten jedes Produkt prüfen. Fakt ist, dass die Glaubwürdigkeit des Handels nachlässt. Rewe und Penny sind die Einzigen, die für Eigenmarken nur noch deutsches Rindfleisch verwenden werden. Niemand folgt uns in dieser Aussage – wegen des höheren Preises.

Wenn der Preis alles diktiert, was kann der Handel tun, um Glaubwürdigkeit wieder zu steigern?
Wir haben keine andere Möglichkeit, als vermehrt auf lokale und regionale Lebensmittel zu setzen. Qualität wird sich irgendwann auch im Preis niederschlagen, aber das ist ein langwieriger Prozess. Wir müssen bedenken, dass 53 Prozent der Kaufentscheidungen allein über den Preis getroffen werden. Und dabei gibt es keine klare Logik, denn der Kunde ist ein lebender Widerspruch. Derselbe Mensch, der wegen 5 Cent Preisunterschied für die Butter den Laden wechselt, gibt 3,50 Euro für einen Cappuccino beim Italiener aus. Das heißt: Wir leben in einer verrückten Welt – der Handel ist die Hauptstadt.

Machen Sie sich angreifbar, wenn Sie über ein eigenes Label wie Pro Planet versuchen, Ihre Glaubwürdigkeit zu steigern?
Wir machen Nachhaltigkeit aus Überzeugung, deshalb nehmen wir in Kauf, auch zur Zielscheibe zu werden. Dafür brauchen wir starke Nerven. Dass wir das Thema Nachhaltigkeit wirklich leben, prägt auch unsere Mitarbeiter. Wir prüfen z. B. die Lebensläufe unserer zukünftigen Führungskräfte auch auf den Nachhaltigkeitsaspekt hin. Man spürt sofort, ob jemand sich mit dem Thema identifiziert, auch wenn er sich zuvor noch nicht dafür engagiert hat. Das ist ein Kraftakt im Unternehmen, aber wenn uns das gelingt, schwappt es auch auf die Kunden über. Und darauf arbeiten wir hin.

Lohnt sich das?
Im Moment haben wir mit diesem Thema nicht nur eine Vorreiterrolle, sondern hin und wieder auch Nachteile: Wir haben höhere Kosten, und wir sind angreifbar. Aber wir bleiben dabei. Das ist eine Investition in die Zukunft. Und ich bin verhalten optimistisch, dass das Thema Nachhaltigkeit beim Verbraucher irgendwann in seine Kaufentscheidung einfließen wird. Im Moment haben wir diese Kultur allerdings noch nicht erreicht.

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Bild öffnen Eine gesunde Mischung aus Kultur, Gastro und Handel – so stellt sich Rewe-Chef Alain Caparros den Supermarkt der Zukunft vor. (Bildquelle: Mugrauer)
Bild öffnen „Wir leben in einer verru?ckten Welt – der Handel ist die Hauptstadt.