Einkauf Im Dialog

Vereine wie Greenpeace und Foodwatch bestimmen immer stärker die Warenbeschaffung des Handels.

Donnerstag, 07. April 2011 - Management
Caroline Berger
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„Darf ich überhaupt noch irgendetwas etwas essen?" Diese Frage dürften sich Verbraucher immer häufiger stellen. Denn die Liste der Lebensmittel, die durch Skandale in Verruf geraten sind oder aus ethisch-ökologischen Gründen nicht verzehrt werden sollten, wird immer länger. Eier? Zu gefährlich, Dioxin! Kabeljau? Auf keinen Fall, überfischt! Mais? Besser nicht, genetisch verändert! Zu den fleißigsten Listenschreibern gehören die so genannten NGOs, die Non-Governmental Organizations, das heißt Nichtregierungsorganisationen wie Greenpeace oder Foodwatch liefern Verbrauchern regelmäßig neue Gründe, manche Lebensmittel oder bestimmte Produkte zu meiden. „Bedingt durch ihre Kampagnenfähigkeit wirken NGOs meinungsbildend auch auf breite Bevölkerungsschichten, sicher auch im Hinblick auf deren Konsumverhalten", sagt Kai Falk vom Handelsverband Deutschland (HDE, Geschäftsführer Kommunikation und Nachhaltigkeit).

Dementsprechend konsequent verfolgen Handelsunternehmen die Veröffentlichungen der Interessengemeinschaften. Sie sind „eine wichtige Quelle, wenn es darum geht, Chancen und Risiken für das Unternehmen sowie relevante gesellschaftliche Trends frühzeitig zu erkennen", sagt Moritz Zumpfort von der Metro. Und auch Norma-Chef Gerd Köber bestätigt: „Gerade neu veröffentlichte Erkenntnisse der NGOs geben uns oft wertvolle Unterstützung im Hinblick auf die Ausrichtung unserer Beschaffungs- und Sortimentspolitik."

Zudem geben NGOs auch Rückmeldung darüber, wie sie ihre „Tipps" umgesetzt sehen: So belohnt Greenpeace zum Beispiel Handelsunternehmen, die eine verantwortungsvolle Einkaufspolitik bei Fisch und Meeresfrüchten betreiben, mit einem guten Platz in ihrem alljährlichen Supermarkt-Ranking. Norma rangierte bisher immer ganz weit vorne: „Mit unserem Konzept ‚Transparente Fischerei' setzen wir ein Zeichen im Lebensmittelhandel und freuen uns natürlich, wenn dies von Greenpeace honoriert wird."

Die Gunst der NGOs sei für das Unternehmen aber nur ein „positiver Nebeneffekt" der sonst ausschließlich auf die Kunden ausgerichteten Einkaufspolitik, sagt Köber. Er erkennt aber an: „Norma konnte sich seit der ersten Veröffentlichung der Greenpeace Studie im Jahr 2007 über eine Vielzahl von positiven Meldungen der Kunden freuen."

An der Metro-Group sind die ersten Rankings auch nicht spurlos vorbeigegangen. Wegen des schlechten Abschneidens des Unternehmens seien die Prozesse im Bereich Fischeinkauf intern kritisch hinterfragt worden und der Hauptkritikpunkt von Greenpeace werde derzeit nachgebessert.

Im Gegenzug weist Zumpfort aber darauf hin, dass auch das Ranking optimiert werden könne: „Es wurde weder zwischen international und national tätigen Handelsunternehmen, noch zwischen Eigenmarken und Industriemarken differenziert. Andere für die Handelsbranche wichtige Vorgaben wie Gesetze, anerkannte wissenschaftliche Veröffentlichungen oder Ansätze anderer NGOs lässt das Ranking zudem unberücksichtigt."

Übers Ziel hinaus?

Dass manche NGOs Fakten gelegentlich außer Acht lassen, sie sogar verfälschen oder laut Köber „mit unrealisierbaren Forderungen über das Ziel hinausgeschossen wird", belastet das Verhältnis zwischen NGOs und Handelsunternehmen. „Manche NGOs wollen mit ihren Kampagnen vor allem Geld verdienen oder Projekte refinanzieren. Man gewinnt den Eindruck, sie seien mehr an Skandalen, weniger an Lösungen interessiert", sagt HDE-Geschäftsführer Falk.

Damit riskieren sie aber ihren guten Stand, wie der Politikwissenschaftler Lutz Schrader zu bedenken gibt: „Die NGOs werden ihre ‚Macht' nur bewahren (...), wenn sie ihren Wurzeln, ihrer sozialen Basis und ihrem Selbstverständnis treu bleiben. Sollten sie dem Druck und der Versuchung der Macht und des Profits nachgeben (...) werden sie nicht nur ihre Seele, sondern auch ihre Glaubwürdigkeit und Wirksamkeit verlieren." Der Autor des Buches „NGOs – eine neue Weltmacht?" hält den Einfluss von NGOs auf Verbraucher aber generell für begrenzt: „NGOs dringen kaum durch. Sie können Diskurse verstärken, auf der Welle der Empörung mitreiten, sie aber nicht aus dem Stand auslösen."

Ihr wichtigster Verbündeter seien die Medien. Erst eine Flut an Schlagzeilen, errege bei Bürgern Aufmerksamkeit – allerdings auch nur kurzzeitig. Das kann auch Edeka-Kaufmann Konrad Kreuzberg bestätigen. Wenn irgendwo ein kleiner Bericht stünde, habe das keinen Einfluss auf seine Abverkaufszahlen. Erst bei einem massiven Auftritt an negativer Presse sei ein negativer Einfluss bemerkbar. Aber „alles ist irgendwann wieder aus den Köpfen raus", so der Koblenzer. Dennoch stellt er ein zunehmendes Informationsbedürfnis bei seinen Kunden fest. Regelmäßig würden sie sich über die Herkunft von Lebensmitteln erkundigen.

Dass sich immer mehr Menschen intensiv mit Themen rund um Lebensmittel beschäftigen, stellt auch Foodwatch-Pressesprecher Martin Rücker fest. Mit dem steigenden Interesse lasse sich allerdings auch der Vorwurf entkräften, die Organisation suche sich regelmäßig angebliche Missstände, um im Gespräch zu bleiben und so Spenden zu ergattern. Vielmehr erhalte Foodwatch monatlich allein mehrere Dutzend Themenvorschläge und Anregungen von Verbrauchern. „Verbraucher machen sich Gedanken, sie gehen nicht bei jedem Schritt kritiklos mit, sie wollen überzeugt werden. Wenn wir das nicht leisten können, dann haben wir da keine Unterstützung. Insofern werden wir mit dem, was wir machen, regelmäßig inhaltlich überprüft."

Die Erfahrungen der Rewe Group mit NGOs sind laut Martin Brüning mehrheitlich positiv gewesen. Das Unternehmen befinde sich in einem permanenten aktiven und konstruktiven Dialog mit verschiedenen NGOs, die ein „wichtiges Sprachrohr für öffentliche Interessen und Kundeninteressen" darstellten. Im Einzelfall könne es sogar dazu kommen, dass ein Produkt infolge einer Veröffentlichung aus dem Sortiment genommen wird.