E10 Tank oder Teller?

E10 soll den sowieso schon vorhandenen Druck auf die Lebensmittelpreise verschärfen. Alles nur Polemik oder sind wirklich Preissteigerungen zu erwarten?

Donnerstag, 07. April 2011 - Management
Artikelbild Tank oder Teller?
Bildquelle: creative collection

Da gibt es nun auch in Deutschland den ersten Biosprit – und keiner will ihn haben. Nicht nur das, Institutionen, Verbände und Industrie laufen Sturm gegen seine Einführung. Von einem „Marketing-Desaster" ist die Rede, von „ethischer Unvereinbarkeit mit der Nahrungsmittelproduktion" oder von „Missachtung der Verbraucher". Vor allem aber wird der Bio-Kraftstoff mit einer Erhöhung der Lebensmittelpreise in Verbindung gebracht. Wird er wirklich bald nicht nur an den Zapfsäulen für Entrüstung sorgen, sondern auch im Supermarkt? E10 besteht zu 10 Prozent aus Ethanol (daher der Name), das aus Pflanzen gewonnen wird, und zu 90 Prozent aus normalem Benzin. Für die Herstellung des Bio-Kraftstoffs E10 werde eine große Menge Getreide benötigt, das in der Landwirtschaft als Nahrungs- und Futtermittel fehle, so die Kritik.

Der Getreidenährmittelverband betrachte die zunehmende Verwendung von landwirtschaftlichen Rohstoffen für den Einsatz im Energiebereich, die zu einer entsprechenden Einschränkung der Verfügbarkeit für die Herstellung von Nahrungsmitteln führt, mit Sorge, sagt dessen Sprecherin Richeza Reisinger. Unmittelbar und zunehmend spürbar würden auch die massiven Flächenausdehnungen für Getreide für die Bioenergieerzeugung.

Das kann sich durchaus in Preiserhöhungen im Lebensmittel-Einzelhandel niederschlagen. Die jedoch „werden in den einzelnen Warengruppen unterschiedlich ausfallen. Welche Preissteigerungen zu erwarten sind, ist letztlich das Ergebnis individueller Verhandlungen. Wir gehen davon aus, dass die Verbraucherpreise für Lebensmittel in diesem Jahr um ca. 3 Prozent steigen werden", sagt Sabine Eichner von Bundesvereinigung der Deutschen Ernährungsindustrie.

Denn „die Nutzungskonkurrenz zwischen Energie und Lebensmittel, wie wir sie bei Weizen, Roggen, Braugerste, Mais gegenwärtig erleben, wird deutliche Auswirkungen auf die Wareneinstandspreise der Ernährungsindustrie haben. Angesichts der Bedeutung dieser Rohstoffe an den gesamten Produktionskosten tragen die Hersteller bereits jetzt erhebliche Kostensteigerungen. Diese müssen über den Handel an den Verbraucher weitergegeben werden, um die Existenz der Unternehmen nicht zu gefährden." Deswegen fordere die Ernährungsindustrie, dass Agrarrohstoffe vorrangig zu Ernährungszwecken einzusetzen sind. „Auch die Bioenergie muss sich letztendlich dem Markt stellen, eine dauerhafte staatliche Unterstützung darf es nicht geben, vor allem nicht zu Lasten der Verbraucher, die dafür auch in Form höherer Lebensmittelpreise zur Kasse gebeten werden."

Auch beim HDE erwartet man Preissteigerungen, allerdings werden die nach Meinung des Handelsverbandes eher moderat ausfallen. „Wenn die Anbauflächen von Lebensmitteln knapper werden, könnte es auch Auswirkungen auf die Preise am Weltmarkt geben", erklärt Ulrike Hörchens vom HDE. „Dass sich dies dann nicht 1:1 in den Lebensmittelpreisen zeigen wird, verdanken die Verbraucher dem funktionierenden Wettbewerb im Einzelhandel, der den Preisanstieg bei Lebensmitteln dämpft."

Allerdings wird auch nach Preiserhöhungen im LEH Nahrungsmittel in Deutschland noch günstig sein. Aus mehreren Gründen. Betrachtet man allein die Preise für Nahrungsmittel, liegt Deutschland im EU-Vergleich im Mittelfeld. Hier sind die Preise ähnlich hoch wie in Frankreich und dem Vereinigten Königreich. Gegenüber fast allen anderen west- und nordeuropäischen Ländern sind sie deutlich günstiger. Weniger teuer als in Deutschland sind Lebensmittel in einigen südeuropäischen Ländern (Spanien, Portugal und Griechenland) und in den osteuropäischen Ländern. Hinzu kommt: „Die Verbraucher in Deutschland wenden im EU-Vergleich mit 11 Prozent einen geringen Anteil des zur Verfügung stehenden Haushaltsbudgets für Lebensmittel auf", ergänzt Eichner. Und 2010 sind die Lebenshaltungskosten und die darin enthaltenen Nahrungsmittelkosten mit jeweils etwas über 1 Prozent nur leicht angestiegen.

Die Handelskonzerne wollten sich übrigens ausdrücklich nicht zu möglichen Preiserhöhungen im LEH äußern.