Ausbildung Kampf um Azubis

Personalentwickler im Dauerstress: Wie gelingt es, Ausbildungsstellen mit geeigneten Kandidaten zu besetzen? Ein Stimmungsbild.

Donnerstag, 24. März 2011 - Management
Heidrun Mittler
Artikelbild Kampf um Azubis
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Hurra, sie hat wieder Zwei an der Angel: Rosemarie Keilholz, die im Metro Cash-&-Carry-Markt Nürnberg-Buch unter anderem für Ausbildung zuständig ist, hat wieder einmal einen Tag auf einer regionalen Börse verbracht. Dort hat sie mit vielen jungen Menschen gesprochen und versucht, diese für den Einstieg in den Handel zu begeistern. Die engagierte Kauffrau (ausgezeichnet als „Ausbilder des Jahres") ist meist auf taube Ohren gestoßen: Trotz aller Mühen ist das Image der Branche schlechter als beispielsweise das von Banken oder Versicherungen. Von Ausnahmen abgesehen, suchen die Schulabgänger, die aufgrund ihrer Zeugnisse die Wahl haben, ihr Glück lieber am warmen Schreibtisch als an der zugigen Kasse.

Harte Konkurrenz: Mark Schifferer, er managt bei den Aktiv-Märkten Gebauer die Ausbildung, spricht von einem regelrechten „Kampf um die Azubis". Manchmal müsse man besondere Anreize setzen: etwa ein Darlehen für den Führerschein oder gar die Übernahme der Kosten desselben, wenn man einen Hoffnungsträger verpflichten wolle.

Schon der Ausdruck „Recruiting" (Rekrutieren), der bei Personalsuche geläufig ist, zeigt, wie militärisch ernst die Suche nach dem Nachwuchs ist. Bei Gebauers hat man gut lachen: Die Schwaben sind nicht nur „Ausbilder des Jahres 2010" in der Kategorie selbstständiger Handel, sondern haben noch weitere Auszeichnungen für ihr Engagement eingeheimst. Mit dem Ergebnis, so Schifferer, dass man aktuell die gleiche Anzahl von Bewerbungen wie in den Vorjahren erhalte – aber von Schulabgängern, die aufgrund der Zeugnisse viel besser geeignet scheinen. Schifferer: „Die Erfolge wecken Neugierde. Der 'Ausbilder des Jahres' hat Kandidaten bewegt, sich überhaupt im Handel zu bewerben."

Chancen verpasst: Einzelhändler aber, denen jetzt erst die Ernsthaftigkeit der Lage bewusst wird, haben leider verloren. Stellvertretend für viele Selbstständige und Filialleiter spricht Roswitha Vogl, die mit ihrem Mann vier Geschäfte im Bonner Raum betreibt, von einem „riesigen Problem", das aktuell und sicher auch in den nächsten Jahren auf sie zukommt. Personalberater Jürgen Panke bestätigt das ganz nüchtern: „Der Lebensmittelhandel hat es versäumt, seine Attraktivität herauszustellen", stattdessen lange Zeit „wie ein Maikäfer auf dem Rücken gelegen". Wie schade, so Panke weiter, schließlich ist der „Einzelhandel die einzige Branche, wo man mit Fleiß und Einsatz, aber ohne akademische Ausbildung ein gutes Gehalt erreichen kann".

In den Handelszentralen haben die Alarmglocken schon vor 15 Jahren geläutet, als die Statistiker auf den demographischen Wandel aufmerksam machten. Daraufhin wurde Ausbildung überall ins Visier genommen, zahlreiche Maßnahmen ins Leben gerufen. Davon profitiert der heutige Nachwuchs. In der gesamten Branche, angefangen vom Discounter bis zum SB-Warenhaus, haben Azubis heute die Chance, für eine Woche oder auch zwei einen Markt verantwortlich zu führen – Motivation für die jungen Menschen, gleichzeitig Suche nach potenziellen Führungskräften seitens der Arbeitgeber. Theaterspielen, gemeinsame Exkursionen zu Wettbewerbern, Austauschprogramme mit ausländischen Händlern – das alles und noch viel mehr steht heute auf dem Programm engagierter Lehrlinge. Für schwächere Azubis gibt es Unterstützung in Form von regelmäßigem Nachhilfe-Unterricht und gezielte Prüfungsvorbereitungen.

Das alles unterstützt, bringt aber noch nicht die erhoffte Trendwende, insbesondere in Regionen, wo das Ausbildungsangebot über den Handel hinaus attraktiv ist. Da nutzt nur eines: Strategien, mit denen man neue Zielgruppen erschließen kann.

Senioren-Azubis: Noch größere Nachwuchssorgen als der Lebensmittelhandel haben Großbäckereien wie K & U, eine Tochter der Edeka Südwest. Vertriebsleiter Winfried Fletschinger weiß, dass er „aus der Jugend nicht mehr das Potenzial bekommt", um seine Lehrstellen speziell in der Produktion zu besetzen. Die Alternative: K & U bildet „Senioren-Azubis" aus, das sind bewährte Mitarbeiter (älter als 25 Jahre), die bei vollem Lohn ausgebildet werden. Fletschinger weiß: „Ohne Fachleute geht es nicht." Eine ähnliche Initiative hat übrigens schon zuvor Martina Walter, Edeka-Kauffrau aus Schöneiche bei Berlin, ergriffen: Sie hat lang gedienten Mitarbeiterinnen eine Ausbildung zur Verkäuferin ermöglicht – und das zum großen Teil aus eigener Tasche finanziert.

Ausbildung mit Kind: An ein „heißes Eisen" hat sich die Personalentwicklung der Real-SB-Warenhäuser gewagt. Das Unternehmen bietet seit einigen Jahren Frauen mit jungen Kindern eine Ausbildung in Teilzeit an. Hannelie Bohnes, Hauptabteilungsleiterin Personalentwicklung, bestätigt, dass das Konzept funktioniert. Die Geschäftsleiter in den SB-Warenhäusern seien meist zuerst einmal skeptisch, weil die jungen Mütter nur 30 Stunden pro Woche arbeiten würden. Doch im Gegenzug zeigten diese dann vollen Einsatz bei der Arbeit – eben, weil sie so bessere Betreuungsmöglichkeiten für ihre Kinder haben und sich ihre gesamte Lebenssituation verbessert.

Diesem Beispiel folgen nun anderen Handelsunternehmen, wie beispielsweise die Rewe West (siehe Interview). Allerdings macht man damit aktuell „erste Erfahrungen", wie Friedhelm Scholz betont, Leiter Personalentwicklung bei der Rewe Markt GmbH, Region West.

Nase im Wind: Scholz setzt auf eine weitere Neuerung, den Azubi-Scout. Junior-Referentin Katharina Kempka soll neue Kontakte zu Schulen und Schülern knüpfen. Die 21-Jährige kommt bei den Schülern gut an, sie kann „auf Augenhöhe" vermitteln, welche Anforderungen der Arbeitgeber Handel hat. Sobald man potenzielle Interessenten erst einmal zum Schnupperpraktikum einladen kann, wird die Rekrutierung einfacher: Dann können die Kaufleute mit ihrem gesamten Team zeigen, wie abwechslungsreich und anspruchsvoll eine Ausbildung im Lebensmittelhandel sein kann.

Die simple Lösung, über die niemand offen spricht: Abwerben bei der Konkurrenz. Discounter Aldi wirbt zum Beispiel offensiv damit, welche guten Leistungen seine Azubis bei den Prüfungen erreichen. Nur Verkäufer/-innen mit einem guten Notendurchschnitt bekommen dort die Möglichkeit, das dritte Ausbildungsjahr zum Kaufmann/-frau anzuhängen. Die Kandidaten aber, die das Notenziel knapp verfehlen, wechseln gern das Unternehmen, um ihre gewünschte Ausbildung zu bekommen.

High Potentials: Je besser die jungen Menschen ausgebildet sind, desto interessanter werden sie für die Wettbewerber. Gerade um die so genannten High Potentials wird mit harten Bandagen gekämpft. So nennen die Personalabteilungen diejenigen, die sie künftig in Führungspositionen sehen. Alle großen Handelsunternehmen bieten ausgefeilte, duale Studiengänge an, während dieser Zeit verdienen die Auszubildenden/Studenten ein ordentliches Gehalt. „Wir müssen extrem aufpassen, damit unsere BA-Studenten nicht abwandern", weiß eine Trainerin, die nicht zitiert werden möchte. Die High Potentials „werden von der Konkurrenz mit Kusshand genommen". Die Ablösesumme von 15.000 Euro und mehr zahlen die Firmen, „ohne mit der Wimper zu zucken".

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