Nahversorgung On und Off auf dem Lande - Nahversorgung: Teil 2

Das Thema Nahversorgung gewinnt wieder an Bedeutung, auch auf politischer Ebene. Gleichzeitig breitet sich der Online-Handel aus und kann die Versorgung in ländlichen Regionen und Stadtteilen auf ganz neue Beine stellen.

Montag, 15. Mai 2017 - Management
Dieter Druck
Artikelbild On und Off auf dem Lande - Nahversorgung: Teil 2
Bildquelle: Getty Images,

Auch Thomas Dörfelt, Geschäftsführer der LHG in Eibelstadt, beobachtet in der Region einen weiteren Abschmelzungsprozess im kleinflächigen, selbstständigen LEH. Insbesondere fänden potenzielle Nachfolger heute in Zeiten einer Vollbeschäftigung leichter gut bezahlte Jobs in anderen Branchen. Auch die seit Januar gültigen „Grundsätze zur ordnungsmäßigen Führung und Aufbewahrung von Büchern, Aufzeichnungen und Unterlagen in elektronischer Form sowie zum Datenzugriff (GoBD)“ hätten viele demotiviert. Sie sähen sich gezwungen, hohe Investitionen zu tätigen, die keinen Image-Gewinn bedeuten, sondern als staatliche Schikane empfunden werden. Es sei zu befürchten, dass das diskutierte „Kassengesetz“ die Kleinen noch mehr gängele: „Warum misstraut der Staat vor allem denjenigen, die oft kaum über die Runden kommen?“, fragt Dörfelt. Und er fordert auch, dass Beratung und Fördermittel nicht nur beim Start fließen, sondern auch Coaching-Maßnahmen fortlaufend in bestimmten Abständen angeboten werden.

Positiver Gegentrend sind aus seiner Sicht die auf bürgerschaftlicher Initiative basierenden Dorfläden: Sie breiteten sich immer mehr aus und hätten zum großen Teil Erfolg. Das Wir-Gefühl sei hier ein wesentlicher Erfolgsfaktor. Nur sei das auf dem Land oftmals leichter zu wecken als in anonymen Stadtteilen.

Vor sieben Jahren startete Tegut das Konzept „Das Lädchen für alles“ , auf dessen Basis Nahversorgungsmodelle umgesetzt werden. „Die Grundversorgung mit guten Lebensmitteln aus der Region ist uns wichtig und dass die Lädchen den Anwohnern als Treffpunkt dienen“, erläutert Knut John, Verantwortlicher für das Tegut-Format, der das Konzept mit aus der Taufe gehoben und über die Jahre weiter entwickelt hat. Heute sind es 30 Lädchen, davon sieben inhabergeführte mit selbstständigen Kaufleuten. Hinter den anderen stehen lokale sowie soziale Betreiber wie z. B. die AWO, das Berufsbildungswerk Hessen, das Christopherus-Werk Erfurt, Thüringerwald Stiftung oder Aufwind. Dort arbeiten auch Menschen mit Handicap, und es wird ausgebildet. Wirtschaftliches Ziel ist, dass der soziale Betreiber eine „schwarze Null“ schreibt. In Langenfeld bei Erlangen und in der Nähe von Jena kommen in diesem Jahr zwei weitere Standorte dazu.

Betrieben wird das Nahversorgerkonzept ab 200 qm Verkaufsfläche aufwärts und mit einem Angebot von rund 4.200 Artikeln. Der Kunde findet dort die gleichen Sortimentsbausteine wie im klassischen Tegut-Markt, natürlich entsprechend kleiner. Dabei gelten die gleichen Preise wie in den Supermärkten. Ein weiterer essenzieller Baustein sind Dienstleistungen. wie z. B. Post- und Bankenservices, Paketdienste und Reinigungsannahme.

„Der Onlinehandel wird bei der Nahversorgung ein Größeres Gewicht bekommen.“
Knut John, Tegut

Das „Lädchen für alles“ findet sich sowohl auf dem Land als auch in Stadtquartieren. Je nach Kaufkraft sollten in ländlichen Regionen im engsten Umkreis in der Regel mindestens 1.500 Menschen leben. In Südhessen, ausgestattet mit höherer Kaufkraft, reichen unter Umständen auch 1.000. In einkommensschwächeren Gebieten etwa in Thüringen braucht es mehr als 2.000.

Marburg, Schweinfurt und Eschwege sind Beispiele für städtische Lagen. In Eschwege ist das Lädchen im Zentrum der 20.000 Einwohner zählenden Stadt der einzige Lebensmittelanbieter.

Nicht erst seit der Kooperation mit Amazon denkt man bei Tegut weiter. Der Online Verkauf von Lebensmitteln werde auch die „kleine dörfliche Welt“ in den kommenden Jahren verändern, ist John überzeugt. Vieles deute daraufhin, und bei Tegut beschäftige man sich damit. Auch die Politik sei im Thema drin. Der Online-Handel werde bei der Nahversorgung in den kommenden Jahren ein größeres Gewicht bekommen, offen sei heute nur die Frage des Wie.

Andere Einschätzungen gehen davon aus, dass sich Online-Konzepte noch lange Zeit auf Ballungsräume konzentrieren werden und erkennen derzeit keine „nennenswerten Initiativen“ in ländlichen Regionen. Aber das kann sich ja ändern!