Exklusiv Top 30 des deutschen LEH

Der Verkauf von Kaiser‘s Tengelmann hat zweifelsohne im vergangenen Jahr die Gemüter bewegt. Doch wie hat sich der deutsche Lebensmittel-Einzelhandel insgesamt entwickelt? Exklusiv in der LP: aktuelle Marktdaten von Nielsen TradeDimensions sowie Einschätzungen von Handelsexperten.

Donnerstag, 09. März 2017 - Management
Lebensmittel Praxis
Artikelbild Top 30 des deutschen LEH

Exklusiv und zum ersten Mal in dieser Form betrachten wir in der Lebensmittel Praxis die Marktdaten der Top 30 Unternehmen des Lebensmittel-Einzelhandels in Deutschland. Der deutsche Markt gilt als hoch konzentriert – und er ist es auch. Die Top 5 (siehe Grafik auf der nächsten Seite) teilen sich mehr als drei Viertel des Umsatzes im Markt. Dennoch gibt es Bewegung, wie Gudrun Craighead von Nielsen TradeDimensions, wo die Daten erhoben werden, erklärt. So bleibt es dennoch spannend. Was passiert mit den Filialen von Kaiser‘s Tengelmann? Kann der stationäre Handel bei den rasanten Entwicklungen des E-Commerce mitziehen? Wer sind Gewinner, wer Verlierer der Marktbewegungen? Wir haben zwei Experten nach ihrer Meinung jenseits der Daten gefragt, welchen Weg der deutsche Lebensmittel-Einzelhandel nehmen wird. Die Einschätzungen von Martin Fassnacht, Professor an der WHU Vallendar, und Kai Hudetz vom IFH Köln, lesen Sie auf den folgenden Seiten.

Zur Methodik
  • Das Ranking der größten deutschen Unternehmen des Lebensmittelhandels basiert auf Zahlenmaterial von Nielsen TradeDimensions, Frankfurt.
  • Von Nielsen TradeDimensions geschätzte Umsätze sind mit Stern* gekennzeichnet.
  • Ausgewiesen werden im Inland getätigte Bruttoumsätze (inklusive MwSt.)
  • Bei Unternehmen, die nur Nettoumsätze publizieren, wurde auf Brutto hochgerechnet.
  • Die Erlöse von Edeka und Rewe beinhalten die Umsätze des angeschlossenen selbstständigen Einzelhandels (SEH).
  • Bei Unternehmen, deren Geschäftsjahr zum 30. Juni oder 30. September endet, wurden die Umsätze 2015/16 dem Kalenderjahr 2016 zugeordnet.
Und sie bewegt sich doch

Es ist Bewegung in der deutschen Handelslandschaft. Auch wenn das Wachstum der Top 30 verhalten war: Vieles hat sich verändert.

Die Bewegung im deutschen Handel zeigt sich zum einen in der Aufteilung der Kaiser’s-Tengelmann-Standorte und zum anderen im Joint Venture zwischen Coop und Rewe. Das Jahr 2016 stand noch ganz im Zeichen der Vorbereitung. Die strukturellen Änderungen zum Ende des vergangenen Jahres werden erst in den Umsätzen 2017 deutlich werden und die Marktanteile von Edeka und Rewe sich entsprechend entwickeln. Strukturell bleibt es also auch 2017 spannend. So ist eine strategische Allianz zwischen Budnikowsky und Edeka geplant, der Drogeriehändler verlässt damit Markant. Mit der Kooperation zwischen Edeka und Budnikowsky ist die warengeschäftliche Zusammenarbeit im Drogeriemarktsortiment anvisiert. Gibt das Bundeskartellamt grünes Licht, wird dies das Know-how und die Verhandlungsposition von Edeka in diesem Sortimentsbereich erweitern. Budnikowsky verspricht sich im Gegenzug im hart umkämpften Drogeriemarkt positive Auswirkungen auf die Wettbewerbssituation. Während Markant Budnikowsky in Richtung Edeka verabschieden muss, erhält sie mit Netto Nord Zuwachs aus eben jenem Umfeld. Das Unternehmen kooperierte noch bis zum Jahresende im Einkauf mit Edeka und wird ab April zu Markant stoßen.

Metro will sich bis zur Jahresmitte 2017 in zwei rechtlich unabhängige Unternehmen teilen: einen Lebensmittelspezialisten und eine Gesellschaft für Konsumelektronik. Mit dieser Neuausrichtung soll der Fokus auf die Kernkompetenzen gelegt werden. Betrachtet man die Entwicklung der letzten Jahre gesondert, so zeigt sich, dass der Bereich der Konsumelektronik wachsen konnte. 2016 erwirtschaftete Metro hier einen Umsatz von 12,3 Mrd. Euro und konnte somit im Vergleich zum Vorjahr 3,3 Prozent zulegen. Der Lebensmittelbereich der Metro zeigt sich dagegen bereits seit mehreren Jahren rückläufig und erreicht 2016 knapp 14 Mrd. Euro Gesamtumsatz, was einem Rückgang von 1,6 Prozent entspricht. Der Zukauf von Rungis Express im Februar 2016 konnte diese Entwicklung nicht ausgleichen.

Auch bei Bünting zeigt sich der Umsatz 2016 rückläufig. Während das Unternehmen 2015 noch 2,1 Mrd. Euro Umsatz ausweisen konnte, sank er im Folgejahr um 4,5 Prozent. 2017 steht daher auch in Leer eine strukturelle Neuausrichtung an. Mit dem Ende der hauseigenen Elektroniksparte Telepoint wird Bünting seinen Fokus wieder auf den Lebensmittelbereich setzen. Hier steht vor allem die Rentabilität des Filialnetzes, welches 2015 durch die Übernahme von Jibi und Coma erheblich erweitert wurde, auf dem Prüfstand.

Nach Jahren des Wachstums muss Alnatura 2016 erstmals einen Umsatzrückgang ausweisen. Dieser fällt mit 0,5 Prozent zwar moderat aus, zeigt sich jedoch im Kontext der noch bis vor zwei Jahren zweistelligen Wachstumsraten des Unternehmens in einem etwas anderen Licht. Der Grund für diesen Rückgang ist im Geschäft mit Handelswaren zu suchen und resultiert aus dem Konflikt mit dm um Eigenmarken und Markenrechte.

Diese Entwicklungen bestätigen erneut den Trend zur Konzentration, der bereits seit Jahren in der Branche zu beobachten ist. Während im Lebensmittelhandel also weiterhin Edeka und Rewe klar an der Spitze stehen und sich auch unter den Verfolgern keine tiefgreifenden Veränderungen ergeben haben, bleibt der Markt alles andere als ruhig.