Interview mit Manfred und Jens Gebauer Instinkt und Intelligenz

Es gibt Eigenschaften, die im Prinzip jedem, besonders aber Kaufleuten zum Erfolg verhelfen können. Sehen kann man das am Beispiel von Edeka Gebauer mit derzeit sieben Standorten und Sitz in Göppingen.

Dienstag, 14. März 2017 - Management
Reiner Mihr
Artikelbild Instinkt und Intelligenz
Bildquelle: Viktor Smidt

Manfred und Jens Gebauer, die dort die Geschäfte führen, repräsentieren diese besonderen Eigenschaften. Ein Gespräch über 50 Jahre im Einzelhandel, ein Jubiläum, aber auch die Zukunft.

Anfang Mai 1967
Der junge Marktleiter Manfred Gebauer steht in seinem vor kurzem eröffneten Markt in der Göppinger Rembrandtstraße und überlegt: Wie gewinne ich mehr Kunden? Er lässt seine Mittagspause sausen und fährt mit dem Mini-Transporter ins nahegelegene Remstal, lädt den Wagen mit am Morgen frisch geernteten Erdbeeren voll, fährt zurück und verkauft die Erdbeeren direkt von der Ladefläche des Autos. Die Kunden reißen ihm die top-frischen Früchte buchstäblich aus den Händen. Das macht er dann in der Saison täglich.

Anfang März 2016
Jens Gebauer steht vor dem neu zu eröffnenden Gebauer’s Markt in Salach, der siebten Filiale des Unternehmens. Er geht nochmal alles durch: Solarmodule, intelligente Wärmerückgewinnung. Fußbodenheizung, Betonkernaktivierung, Eisspeicher, hocheffektive Anlieferung, kurze Wege zu den Abteilungen, Ladendesign mit heller freundlicher Holzoptik, Sortiment … und vor allem: motivierte Mitarbeiter. Passt. Die Eröffnung kann kommen. Instinkt und Intelligenz.

Manfred Gebauer: In den neuen Markt sind 50 Jahre Erfahrung – kombiniert mit neuesten Erkenntnissen – eingegangen. Der ist schon ziemlich komplett. Für den Kunden natürlich topmodern mit erstklassigem Sortiment. Aber so richtig Spaß macht mir, was der Kunde gar nicht sieht: Wir sparen richtig Energie. Über 600 Solarmodule liefern Energie, die Abwärme der Kühlgeräte wärmt den Fußboden. Und vor allem: der Eisspeicher. Er fasst 230.000 l. Damit speichern wir Energie, entziehen sie aber auch. Bedeutet: Im Winter heizen wir den Markt, im Sommer kühlen wir ihn.

Jens Gebauer: Da kommt der Maschinenschlosser durch. Dabei wolltest Du doch gar nicht Kaufmann werden …

Manfred Gebauer: Nee, ich musste ja bei meinem Vater arbeiten. Der hatte seit 1955 einen Lebensmittelladen, Bedienung natürlich, lose Ware. Da hab ich als Junge nur geschleppt und getragen – das war gnadenlose Handarbeit. Das wollte ich nicht machen. Deshalb hab ich erst mal bei Boehringer in Göppingen Maschinenschlosser gelernt.

Jens Gebauer: Davon ist bis heute eine Menge geblieben. Wenn irgendwo ein Scharnier klemmt, musst erst mal der Vater nachsehen…

Aber irgendwie muss ja dann der Kaufladen doch gelockt haben…
Manfred Gebauer: Mein Vater hat sich halt durchgesetzt. Aber ehrlich: Man konnte damals gutes Geld verdienen. Preisbindung, Industrie-Vergütung. Das waren Zeiten ...

Jens Gebauer: Aber es war schon klassische Wertschöpfung. Du hast in großen Mengen Milch eingekauft, portioniert, Spanne drauf und dann verkauft.

Manfred Gebauer: Ganz so einfach war‘s nicht. Ich hab erstmal viel lernen müssen. Beim Vater. Beim Metzger, ich bin auch zur Fachschule nach Neuwied gefahren und hab Kurse besucht. Ich habe drei Abschlüsse: Maschinenschlosser, Kaufmannsgehilfe und Bilanzbuchhalter! Und ich wollte mein eigenes Geschäft. Das erste war ein 35 qm großer Milchladen in Göppingen. Den hatte der Vorgänger runtergewirtschaftet. Am 1. Juli 1966 habe ich übernommen. Der Laden hatte mal 25.000 Mark Umsatz im Monat gemacht, der Vorgänger war bei 8.000 Mark gelandet. Da wollte ich es allen zeigen. Ein Jahr später war ich bei über 30.000 Mark.

Wie haben Sie das geschafft?
Manfred Gebauer: Ich denke, dass ich etwas aus der Metallbranche mitgebracht habe: Präzision, genaues und sorgfältiges Arbeiten, vor allem aber auch ein ausgesprochenes Qualitätsdenken. Die besondere Kundenorientierung gehörte damals einfach dazu – es wurde ja noch bedient.

Jens Gebauer: Ich würde aber behaupten, dass wir Qualitätsdenken, Kundenorientierung und genaues Arbeiten bis heute bewahrt haben. Noch heute gibt es den Erdbeer-Express mit tollen Früchten, mittlerweile aber auch einen SpargelExpress. Nehmen Sie unsere Zusammenarbeit mit regionalen Erzeugern. Das hat mein Vater vor 50 Jahren begonnen, heute arbeiten wir mit der landwirtschaftlichen Gärtnerei, Bauern, Winzern, Rinder- und Schweinezuchtbetrieben genauso zusammen wie mit dem Schlachthof oder der Destillerie aus der Region.

Für Manfred Gebauer geht’s von da an eher bergauf. Die heute älteste Filiale eröffnete 1967 in der Rembrandtstraße in Göppingen. 1981 entstand Gebauer’s Frische-Center in der Dieselstraße in Göppingen. 2005 kam die Filiale in Filderstadt-Bonlanden dazu, die bisher größte Gebauer’s und erstmals außerhalb des Stammgebiets. Weitere Filialen stehen in Geislingen (1989), Süßen (2004) , Eislingen (1995) und Salach. Gebauer ist einer der erfolgreichsten Kaufleute der Edeka-Gruppe, in verschiedenen Ämtern hat er den Verbund mit geprägt, zusammen mit Jörg Hieber, Adolf Scheck und anderen hat er maßgeblich die heutige Edeka Südwest – über diverse Zwischenstationen – geformt. Als seinen größten Erfolg betrachtet Manfred Gebauer die Fusion der Edeka Baden-Württemberg, einer Fusion „ohne Not, rein aus strategischen Gründen“. Jens Gebauer stieg 2002 ins Geschäft ein und teilt sich heute die Geschäftsführung mit seinem Vater.