Round-Table: Gütesiegel Onlineshops Wie im Fahrstuhl

Ein Gütesiegel für einen Shop ist wie eine Prüfplakette im Fahrstuhl: Es ist selbstverständlich und vermittelt dem Kunden Sicherheit. So der Tenor eines Roundtable-Gesprächs von LP, BusinessHandel und wichtigen Branchenvertretern.

Montag, 07. November 2016 - Management
Andrea Kurtz
Artikelbild Wie im Fahrstuhl
Gastgeber EHI: Julian Wirtler erläuterte, welche Fallstricke Shopbetreiber übersehen.

Wer einen Online-Shop führt, sollte ein Gütesiegel vorweisen können. Für die viel diskutierten Onlineshops für Lebensmittel gilt das erst recht. Und wer eine Neugründung plant, ist gut beraten, sich an den Qualitätskriterien zu orientieren, die Siegel-Organisationen wie ‚EHI Geprüfter Online-Shop’, Tüv Data cert oder Trusted Shops vorgeben. Im Roundtable-Gespräch erläuterten Thorsten Scharmacher und Julian Wirtler vom EHI, Sabrina Mertens vom ECC Köln, Roland Appel von der Initiative D21, Stephanie Schmidt und Josephine Schmitt vom Bundesverband E-Commerce und Versandhandel (bevh), Oliver Prothmann vom Bundesverband Onlinehandel (BVOH) sowie Jost Vielhaber vom Sanitärfachhändler Reuter und Hartmut Deiwick von der Versandapotheke Aponeo, was Ihnen das Siegel im Verkauf bringt. Moderatorin Andrea Kurtz musste bei diesem knapp zweistündigen Gespräch nur gelegentlich eine Frage einwerfen. An dieser Stelle ein großes Dankeschön an das EHI in Köln, das uns diesen kommunikativen Raum zur Verfügung stellte.

Andrea Kurtz: Was bringt ein Gütesiegel einem Onlineshop?
Hartmut Deiwick: Es ist ein Vertrauensbringer: Unsere aktuellen Zahlen zeigen zwar, dass von den 10.000 Besuchern auf unserer Webseite im Monat nur rund 130 auf das Gütesiegel klicken, aber wir sehen, dass es wahrgenommen wird. Rund 185 klicken auf das Siegel der Stiftung Warentest, das halten wir fast für wichtiger. Beide sind Teil des vertrauenschaffenden Umfelds, in dem wir uns präsentieren möchten. Wir sind von Trusted Shops und dem EHI zertifiziert. Wenn ein Kunde auf die Zeichen klickt, kommt er auf deren Seite und kann uns auch dort bewerten.

Stephanie Schmidt: Das vertrauensbildende Element kann ich für unsere Händler im bevh voll und ganz bestätigen. In einer Studie mit der D21 hat sich schon vor Jahren gezeigt, dass Kunden auf Siegel achten und rund 76 Prozent diese Siegel auch kennen. Rund ein Drittel unserer Händler trägt z. B. das Gütesiegel EHI Geprüfter Onlineshop, das zeigt schon das große Interesse der Branche.

Sabrina Mertens: Was sieht der Kunde denn, wenn er beispielsweise auf das Stiftung Warentest-Zeichen klickt?
Deiwick: Bei der Stiftung Warentest sieht er sofort unseren Firmengründer, den Apotheker Konstantin Primbas, mit der entsprechenden Urkunde. Auch das schafft Vertrauen. Inhaltlich interessiert das den Kunden sicher weniger, aber zeigt uns, dass wir mit Siegel wahrgenommen werden.

Kurtz: Die Anzahl der Klicks ist es also nicht, was schätzen Sie denn dann an den Siegeln?
Deiwick: Die Verlinkung zu den Kundenbewertungen ist sehr nützlich. Das ist wie bei Amazon, auch dort erfährt man über diese was der Kunde warum gekauft hat. Die Relevanz dieser Informationen wird für alle Händler noch bedeutender werden.

Thorsten Scharmacher: Es geht in erster Linie darum, dem Kunden Sicherheit zu vermitteln. Auch wenn diese Sicherheit diffus zu sein scheint. Aus Sicht des Onlineshops kann man ein Gütesiegel, stark vereinfacht, mit einem technischen Prüfsiegel im Fahrstuhl vergleichen. Man steigt ein, sieht eine Prüfplakette und fühlt sich sicher. Der Benefit für alle Beteiligten ist unbestreitbar und zwar unabhängig davon, dass nur die wenigsten Menschen die Plakette genauer unter die Lupe nehmen.

Deiwick: Trotzdem wenden sich die Kunden an uns direkt. Wir hatten noch keinen Fall, bei dem ein Kunde über den Anbieter des Gütesiegels gegangen wäre.

Scharmacher: Es spricht absolut für Aponeo, dass bisher alle Probleme direkt mit dem Kunden geklärt werden konnten ohne, dass das Beschwerdemanagement zum Einsatz kommen musste. Es ist natürlich für alle Beteiligten der richtige Weg, dass sich der Online-Shopper bei Problemen zuerst direkt an den Shop wendet. Unser Gütesiegel versichert dem: „Wenn sich das Problem im persönlichen Kontakt mit dem Händler nicht lösen lässt, helfen wir Dir unbürokratisch.“ Dann finden wir gemeinsam mit dem Händler schnell eine Lösung, mit der alle Beteiligten zufrieden sind“.

Oliver Prothmann: Tun Kunden das?
Scharmacher: Ja, wir lösen pro Jahr über 2.500 Beschwerdefälle und helfen so, die Kundenzufriedenheit wiederherzustellen. Wie im stationären Handel gilt dabei: Probleme können nicht nur bei kleinen, sondern auch bei sehr großen Händlern mal vorkommen. Immer wenn dort etwas nicht weiter geht, kommen wir ins Spiel und vermitteln unbürokratisch und schnell. Unser Ziel ist, dass der Händler weiter Lust auf diesen Kunden und der Kunde weiter Lust auf diesen Shop hat.

Julian Wirtler: Die von uns zertifizierten Händler animieren wir natürlich auch dazu, immer ein bisschen mehr zu bieten, als sie eigentlich tun müssten, um den Kunden zufrieden zu stellen. Wir würden zwar nie sagen, ein Shop ohne Gütesiegel kann kein Top Shop sein, aber eine jährliche Nachprüfung durch einen Gütesiegelanbieter ist auf jeden Fall sehr nützlich.

Deiwick: Unser Anwalt, der mit uns sämtliche Rechtsprozesse unter die Lupe nimmt, hat bestätigt, dass wir längst mit unseren Qualitätssicherungen über die Gütesiegel-Anforderungen hinausgehen. Das ist gerade in unserer Branche sicher ein großes Asset. Vielleicht ist das eine Anregung für Sie, Herr Scharmacher und Herr Wirtler, auch die Siegel weiter zu entwickeln.


Scharmacher: Die Weiterentwicklung unserer Services ist permanenter Bestandteil unserer Arbeit. Der Austausch mit den Händlern ist ja ein wesentlicher Grundpfeiler für unserer Instituts. Und: Ein Gütesiegel muss per Definition über die gesetzlichen Anforderungen hinausgehen. Deswegen können unsere Händler auch immer ganz entspannt sein, wenn neue gesetzliche Regelungen kommen. Viele gesetzliche Änderungen waren schon lange vor Inkrafttreten proaktiv Bestandteil unserer Prüfkriterien. Dafür sorgt schon unsere Zusammenarbeit mit dem bevh. Und natürlich tauschen sich Betreiber EHI-zertifizierter Shops mit uns vor dem Einsatz neuer Tools aus. Da geht es z. B. um die Nutzung von Google Analytics, Gewinnspiele oder Facebook Connect.

Roland Appel: Die enge Zusammenarbeit mit den Datenschützern hat uns auch in Bezug auf die Fragen der Nutzung von Verbraucherdaten einen Vorsprung verschafft und so können die Händler sicher sein, dass sie mit einem Siegel rechtlich alles richtig machen.

Andrea Kurtz: Deckt sich das mit Ihren Erfahrungen, Herr Vielhaber?
Jost Vielhaber: Ich sehe mehrere Funktionen eines Siegels. Für den Verbraucher hat das Siegel eine orientierende Funktion. Für den Shopbetreiber hat ein Siegel beziehungsweise der Prozess zur Erlangung eine strukturierende Funktion. Gerade für Shops, die neu am Markt sind, wachsen wollen oder noch Potenzial bei der Professionalisierung haben, ist dies sehr wichtig. Denn das Verfahren, sich selbst einem Qualitätsprozess zu unterziehen, bringt einen Händler enorm weiter.

Deiwick: Vor allem kann ich alle Abteilungen gut einbeziehen, das war für uns sehr zielführend.

Appel: Ich kann das nur bestätigen. Die vier Mitglieder unseres Gütesiegelboards (EHI Geprüfter OnlineShop, Trusted Shops, Internet Privacy Standards – Datenschutz Cert, TÜV SÜD Safer Shopping – Anmerk. der Redaktion) haben beispielsweise dafür gesorgt, dass in den Shops ein funktionierendes Beschwerdemanagement eingeführt wurde. Nur in den seltensten Fällen landet doch einmal ein Kunde bei uns, um sich übergeordnet zu beklagen. Und diese kann man fast unter der Kategorie Spinner einsortieren, denn wenn sich jemand beschwert, dass er nach drei Tagen noch keine Rückerstattung seines Kaufpreis bekommen hat, kann man ihm auch nicht mehr helfen.

Kurtz: Gerade kleine Shops profitieren von einem Gütesiegel und dem dazugehörigen Prozess?

Appel: Ja. Die Gründer lernen die Grundsätze des Verbraucherrechts, bekommen – wie beim EHI-Siegel – überhaupt erst die Grundausstattung des Shop-Betriebs, mit der sie arbeiten können. Das reicht von ordentlicher Buchführung oder dem Management von Kundenanfragen bis, wie beim EHI oder Trusted Shops, zu einem ausgeklügelten Beschwerdemanagement.

Scharmacher: Start-ups haben ja oftmals keine eigenen Rechtsabteilungen oder personelle Ressourcen, die sie für die rechtlichen Anforderungen an Shops aufbereiten können. Deswegen helfen die Siegel hier besonders. Gleichzeitig nutzt rund die Hälfte der größten Versender das EHI-Siegel – weil auch sie die dahinterliegenden Prozesse und Services schätzen.

Mertens: Hatten Sie Probleme bei der Implementierung?

Vielhaber: Wir sind jetzt zwölf Jahre am Markt und die ersten Schritte in diesem Strukturprozess waren schon fordernd. Jetzt aber macht es uns gar keine Mühe mehr, diese Struktur zu leben, uns jedes Jahr neu zu überprüfen und dabei immer besser zu werden.

Josephine Schmitt: Über welche Kriterien stolpern denn viele Händler?

Wirtler: Nun, über alles, was rechtlich kompliziert ist. Das gilt für die Fragen des Datenschutzes oder für den Widerruf. Doch dort, wo der Gesetzgeber Anforderungen sehr streng oder präzise definiert, müssen wir dem als Siegelherausgeber natürlich in der Zertifizierungspraxis entsprechen.

Oliver Prothmann: Gab es denn schon mal einen Zeitpunkt an dem Sie meinten, ich brauche das Siegel nicht mehr?

Vielhaber: Nein, denn wir sehen immer, dass es trotz seiner sekundären Funktion geholfen hat, am Markt gut zu bestehen. Gerade weil wir aus einem reinen B2B-Markt kamen und im Konsumentengeschäft neu waren. Für unser Wachstumsgeschäft war der Siegelprozess extrem hilfreich.


Schmitt: Für viele Shops ist es aber doch auch der Bezahlprozess, der mit Hilfe eines Siegels strukturierter wird, nicht wahr?

Vielhaber: Auf jeden Fall, das halte ich gerade bei den kleinen Shops für sehr wichtig. Auch in unserem Aufbauprozess gab es den Moment, wo es in Sachen Zahlungssicherheit ohne das Siegel nicht gegangen wäre.

Mertens: Welche Siegel halten Sie beim Thema Zahlungssicherheit für nützlich?
Vielhaber: Trusted Shops, TÜV SÜD Safer Shopping würde ich nennen.

Prothmann: Bringt ein Siegel denn mehr Kunden?
Appel: Es schafft Vertrauen und das brauche ich, wenn ich als Shop-Betreiber keine Marke habe und nicht bekannt bin. VW oder Bayer brauchen kein Gütesiegel, die kennt jeder. Natürlich kauft niemand in einem Shop, weil er ein Gütesiegel hat. Aber in dem Moment, in dem es Beschwerden gibt, wird das Gütesiegel zur Rückversicherung und schafft Rechtssicherheit.

Deiwick: Ja, und der Marketingeffekt des Siegels ist ja auch da. Unser Geschäft sind eben Vertrauen und Sicherheit.

Kurtz: Und wenn ich auf einem Marktplatz wie Amazon, Ebay oder Locafox verkaufen will? Kann ich mich mit Siegel dort abheben?

Appel: Es ist auf jeden Fall eine gute Entscheidung, eine Zertifizierung hilft jeder Unternehmensstruktur und sei es eine ISO 9001. Ein kleiner Händler kann das aber nicht leisten, das geht nur über ein Siegel.

Deiwick: Wir haben bei Amazon kein Gütesiegel, denn wir wissen, wir sind hier inzwischen als Marke gut bekannt und arbeiten mit Kundenbewertungen.

Mertens: Existieren nicht zu viele Siegel oder schwarze Schafe?

Appel: Ja leider. Deutschland ist ja sehr siegelgläubig und deswegen gibt es auch solche Auswüchse wie „garantiert deutscher Shop“. Das ist natürlich Unsinn. Deswegen arbeiten wir mit der Verbraucherzentrale und dem Bundeswirtschaftsministerium zusammen und empfehlen eines unserer Siegel, auch wenn das etwas kostet.

Scharmacher: Der Versuch neue Siegel im Markt zu etablieren ist eher rückläufig. Weitere Siegel, insbesondere mit fragwürdiger Prüftiefe, bringen den Beteiligten beim Online-Shopping auch keine Mehrwert, sondern tragen eher zur Verwirrung durch Vielfalt bei. Wenn man auf die EHI Top 1.000 Händler schaut, haben die alle mindestens eins, meist sogar schon zwei Siegel. Die Shopbetreiber nähern sich dem Thema Vertrauen von mehreren Seiten und nehmen es auf jeden Fall sehr ernst. In der Praxis sehen wir allerdings, dass maßgebliche Händler sich auf die Kombination ausgewählter und renommierter Siegel beschränken; in der Regel genau die, die wie das EHI-Siegel von der Initiative D21 anerkannt sind und sich dort auch überprüfen lassen.

Mertens: Hierin liegt aber ein grundlegendes Problem, zumindest wenn man die Kundensicht betrachtet. Die Siegellandschaft wird immer vielfältiger, die Strahlkraft der einzelnen Siegel verwässert. Man kann diesen Prozess auch im Lebensmitteleinzelhandel beobachten: Die Vielzahl an Bio-Siegeln, die zum Teil auch von einzelnen Händlern lanciert werden, führt zur Verwässerung jedes einzelnen Siegels.

Kurtz: Verlieren Siegel also ihren Wert für den Konsumenten?

Mertens: Ja, der Wert für den Kunden sinkt insgesamt. Dies ist aber nicht nur in der Fülle der Siegel begründet, sondern insbesondere auch in der zunehmenden Bedeutung von Kundenbewertungen, Testberichten, Blogs & Co. Ältere Kunden schauen sicher mehr auf Gütesiegel als junge, onlineerfahrende Online-Shopper. Die Heavy-Online-Shopper, die mindestens wöchentlich online kaufen und mindestens 50 Prozent ihrer Einkäufe - ohne Lebensmittel - online erledigen – aktuell übrigens rund 13 Prozent aller Online-Shopper in Deutschland – fühlen sich aufgrund ihrer hohen Shoppingerfahrung sicher, sie vertrauen auf ihr eigenes Urteilsvermögen und achten entsprechend weniger auf Gütesiegel. Und auch Influencer wie Blogger gewinnen zusätzlich an Bedeutung. Dabei nehmen Kunden sehr genau wahr, wenn Sponsorings von Unternehmen dahinter stehen. Beauty-Bloggerin Bibi (Bibis Beauty Palace) berichtet unter anderem über ihre Erfahrungen mit Produkten von dm. Sie hat allein bei YouTube rund 3,8 Mio. Fans – ihr Einfluss dürfte unbestritten sein.

Deiwick: Davon sind wir bei Aponeo auch überzeugt. Wir sehen derzeit, dass viele Kunden auf die Live-Bewertungen gehen, um sich rückzuversichern. Ob die Zahl der Kaufabbrüche bei uns vom Gütesiegel abhängt, kann ich nicht sagen.

Schmidt: Das kann ich nicht unbedingt bestätigen. Unsere Zahlen zeigen nämlich, dass 60 Prozent der 16 bis 29 Jährigen ein Gütesiegel wichtig ist. Bei den älteren Personen sind es sogar 69 Prozent.

Appel: Es hat sich auch gezeigt, dass rund 60 Prozent der Kaufabbrüche kurz vor dem Bezahlen passieren, weil dem Kunden irgendetwas im Shop missfällt. Ich bin davon überzeugt, dass hier ein Gütesiegel helfen kann. Außerdem wissen wir ja inzwischen, dass Kundenbewertungen auch gefälscht sein können. Das passiert ja selbst Ebay.

Scharmacher: Den größten Nutzen erreichen Shops durch die Kombination und das Zusammenspiel der richtigen vertrauensfördernden Maßnahmen: Gütesiegel, Kundenbewertungen, Blogger, Testberichte etc. Das alles zusammen bringt einen Onlineshop nach vorn. Der Mix macht‘s!

Kurtz: Könnten Sie eigentlich auch die Produktsicherheit beziehungsweise -qualität prüfen?

Appel: Nein, das können wir nicht. Wir können nicht nach verdorbener Ware forschen oder nach kaltem Essen bei einem Lieferdienst. Wir haben aber einen ersten Schritt gemacht und mit dem Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Verbraucherschutz vereinbart, dass diese Behörde Online-Händler vor Ort prüfen kann. Wenn also ein Händler, der Lebensmittel verkauft, bei uns zwecks Gütesiegel anfragt, wird er an das Bundesamt weitergereicht.

Wirtler: Wenn einer unserer Shops Lebensmittel verkauft, bekommt er die Zertifizierung erst und nur dann, wenn er bei der für die Kontrolle von Lebensmittelhändlern zuständigen Behörde registriert ist. Vorher nicht. Um das zu gewährleisten arbeiten wir mit dem Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit, BVL zusammen. Internet-Gütesiegel prüfen allerdings Shops und Prozesse, nicht die einzelnen dort angebotenen Produkte, für die je nach Gattung eine Vielzahl spezieller rechtlicher Vorgaben existiert.

Kurtz: Gibt es denn inzwischen auch ein europäisches Siegel, dass mir auch bei grenzüberschreitenden Geschäften hilft?

Scharmacher: Wir haben zusammen mit unserem Partner bevh und dem europäischen Dachverband Emota das European Trustmark maßgeblich mit ins Leben gerufen. Rund 10.000 Shops sind von dem europäischen Siegelanbieter-Netzwerk zertifiziert und auf der Seite europeantrustmark.eu zu finden. EHI zertifizierte Shops sind aufgrund des auf europäischer Ebene abgestimmten Kriterienkatalogs (Stichwort Compliance) autorisiert nicht nur das EHI-Siegel, sondern auch das Europa-Siegel European Trustmark zu verwenden.

Prothmann: Dennoch wird uns das Europa-Thema weiter begleiten. Denn es gibt fast gar nichts an einheitlichen Regelungen, die dann auch überall umgesetzt würden. Das Widerrufsrecht beispielsweise ist überall verschieden. Und Deutschland ist natürlich besonders streng, hier kommt es unter Umständen schon auf ein falsches Komma in den AGBs an. Ich erlebe bei meinen Händlern, dass diese davon oft komplett überfordert sind und sich dann um ein Problem kümmern, wenn es auftritt. Darin sind Händler ja extrem gut.
Deiwick: Das kann ich bestätigen.

Scharmacher: Und die Verbraucher ticken in den EU-Ländern auch anders. In Frankreich zum Beispiel haben Kunden kaum Interesse an konkreten Lieferzeitfenstern oder same-day-delivery.

Kurtz: Wo kommen den ihre weitesten Kunden her?

Vielhaber: Wir haben schon eine relevante Exportquote, in die Schweiz, nach Frankreich, aber auch nach UK. Sogar aus Rumänien wurde bestellt. Diese Geschäfte wickeln wir per Vorkasse ab. Die Anforderungen an unser internationales Geschäft nehmen zu. Deswegen ist für mich der vielzitierte Binnenmarkt, bei dem aber an 80 verschiedenen Stellen rechtliche Schrauben verstellt werden können, auch derzeit nicht existent.

Schmitt: Lohnen sich also Aufwand und Kosten?
Scharmacher: Keine Frage. Ein Prüfzeichen wie das EHI-Siegel bietet ja zusätzlich zur gründlichen jährlichen Prüfung weitere wichtige

Benefits: Der Service des EHI hilft einerseits den Aufwand für die rechtssichere Gestaltung zu minimieren und gleichzeitig unterstützt das Siegel den Händler dabei aus Besuchern Kunden zu machen. Denn in der Prüfung fallen immer wieder auch Kaufhindernisse auf, auf die wir den Händler hinweisen. Einige unserer Kunden beurteilen das Verhältnis von Aufwand und Nutzen noch pragmatischer: wenn das EHI-Siegel hilft, auch nur eine kostenpflichtige Abmahnung zu verhindern und die aufwändige Recherche zu Anforderungen im Online-Shop entfällt, rechnet sich das Siegel schon. Natürlich berechnen Händler die Zertifizierungsgebühren wie jede andere Ausgabe mit dem spitzen Bleistift. Es geht um die Leistung, die ein Siegel abliefert. Gerade deswegen melden uns die Händler auch permanent zurück, wenn sie Änderungsbedarf oder entsprechende Ideen für die Weiterentwicklung haben. Das Prinzip ‚Aus der Praxis für die Praxis‘ ist zentrale Philosophie im EHI Retail Institute.

Schmidt: Die gesetzlichen Anforderungen für Online-Händler steigen ja jedes Jahr. Denken Sie nur an die Regelungen zur Vertragssprache. Bei all diesen haarigen Dingen kann sich ein Händler auf seinen Siegelgeber verlassen. Das gilt gerade in Hinblick auf neue europäische Regelungen, die auf uns zukommen.

Shakti Milan Bags: Spannende Gründung

Oliver Prothmann nahm am Gespräch nicht nur als Präsident des BVOH teil. Denn auch er führt privat einen Onlineshop und stand gerade vor der Entscheidung, ein Gütesiegel einzuführen. Aus dem sozialen Engagement, das er und seine Frau Kerstin seit 2014 in Nepal leisten, ist inzwischen Shakti Milan Nepal, ein Shop für Taschen aus recycelten Reissäcken und für Accessoires aus Baumwolle, entstanden. Die beiden Prothmanns haben mit einer Gruppe von Frauen das Nähund Design- Unternehmen Shakti Milan gegründet, helfen bei der Unternehmensführung und sorgen jetzt hierzulande für den Verkauf. Das tun sie derzeit stationär auf Festen oder Märkten sowie online (www.shaktimilan. com). Oliver Prothmann war nach dem Round Table überzeugt und wird nun die Einführung eines Siegels für seinen Shop angehen. „Ich hatte vor dem Gespräch nicht so gesehen, wie sehr die Einführung eines Siegels hilft, die eigenen Unternehmensprozesse zu organisieren“, sagt er. Und auchdie Hilfestellung in rechtlichen Fragen wie gegen Abmahnungen hält er für sehrwichtig. „Dafür würde ich auch die Kosten in Kauf nehmen“, so sein Fazit. Aller-dings ist er noch versucht, ein Fair- Trade-Siegel anzustreben, das passender wäre.

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Bild öffnen Ein Siegel hilft, den eigenen Shop aufzubauen, profitablezu machen und schafft Rechtssicherheit: Das meinten die Teilnehmer des Round Table- Gespräches fast unisono.
Bild öffnen Gastgeber EHI: Julian Wirtler erläuterte, welche Fallstricke Shopbetreiber übersehen.