Interview mit Jan Kunath „Anständig sein“

Schon früh begann die Rewe Group, systematisch an der Umsetzung von Nachhaltigkeitszielen zu arbeiten. Vorstandsmitglied Jan Kunath über Möglichkeiten und Grenzen nachhaltiger Unternehmensstrategien, die Schwierigkeit, Kunden dabei mitzunehmen, – und die Plastiktüte.

Montag, 10. Oktober 2016 - Management
Nicole Ritter
Artikelbild „Anständig sein“
Bildquelle: Carsten Hoppen

2010 hieß es noch Stakeholder-Forum, heute heißt es Dialog-Forum. Wie hat sich das Verhältnis zu den Anspruchsgruppen verändert?
Jan Kunath: Anfangs war die Situation, dass wir überhaupt erst mit den Stakeholdern ins Gespräch kommen mussten. Das Verhältnis zwischen Handel und NGOs war damals so, dass es eigentlich kein Verhältnis gab. Wir wollten erst einmal anständig sein und uns messbar machen für diejenigen, die sich selbst für geeignet hielten, dies zu tun. Erst dann haben wir uns in den Dialog getraut mit anderen Organisationen, Kunden und auch Lieferanten. Das war erst möglich, als wir mit dem Thema ein gewisses Selbstbewusstsein erreicht hatten und wussten: Was wir sagen, das hat auch Bestand. Wir können es absichern und wissen, wenn wir bestimmte Dinge einfordern oder mit antreiben, wie heute die Initiative Tierwohl, dann haben wir das auch glaubwürdig entwickelt. Wir haben dann ab einem bestimmten Punkt auch zusammen mit den Stakeholdern den Dialog mit den Kunden begonnen, als sie selbst mehr mit ihnen ins Gespräch kommen und öffentlich werden wollten.

Würden Sie sagen, Sie sind jetzt schon richtig weit und können zufrieden nach Hause gehen?
Wenn wir den Ansatz von 2008 nehmen, als Alain Caparros und Manfred Esser aktiv geworden sind, dann sind wir weit gekommen. Mit der Zeit hat sich aber auch der Anspruch weiterentwickelt. Es wäre fatal, wenn wir glauben würden, wir wären mit dem Thema fertig.

Theoretisch scheint das Thema nachhaltiger Konsum heute in den Köpfen angekommen zu sein. Und wenn Sie Ihre Zahlen betrachten?
Unsere ursprüngliche Idee, die CO2-Emissionen um 30 Prozent zu senken, hatten wir nach zwei Jahren erreicht, also viel schneller, als wir erwartet hatten. So kann man sehen, was in Zahlen erreichbar ist. Was noch nicht unbedingt zu den Zahlen führt, die man sich wünschen würde, ist, dass das Thema auch bei den Kunden ankommt. Wir haben zuvor schon viel für die Umwelt getan, aber für die Sortimente kam es erst sukzessive dazu.

Wenn ich mir den aktuellen Rewe-Prospekt ansehe, habe ich nicht den Eindruck, dass das Thema eine nennenswerte Rolle spielt.
Das stimmt. Wenn wir allein den Bio-Anteil nehmen: Der wächst nicht mehr signifikant. Ein bestimmtes Level ist erreicht, Bio ist in bestimmten Warengruppen gut vertreten. Wo, das hängt ganz stark davon ab, wie hoch der Preisabstand zur konventionellen Ware ist. Und so haben wir auch über den Bio-Bereich hinaus Themen, die stark davon abhängig sind, wie weit der Verbraucher bereit ist, dafür auch zu bezahlen. Wenn wir jetzt einen konkreten Handzettel ansprechen, dann haben wir in der KW 33 bei Penny eine Nachhaltigkeitswoche gehabt, in der er auch ganz klar darauf ausgerichtet ist. Das machen wir dreimal im Jahr. In der aktuellen Woche haben wir auf den gleichen Seiten bei Penny den Schwerpunkt Italien – da erreichen wir mit den Produkten sehr viel mehr Kunden. Worauf ich hinaus will: Wenn wir das ganze Jahr über bei Penny Naturgut-Produkte bewerben würden, wäre das nicht nur sterbenslangweilig, sondern vom Sortiment her stark begrenzt, und wir müssten uns darüber grämen, dass wir damit längst nicht so viel Umsatz erreichen.

Pioniere

Rewe Vorstandsmitglied Jan Kunath verantwortet den Unternehmensbereich Nachhaltigkeit und leitet den Discounter Penny. Für ihr Nachhaltigkeitsengagement wurde die Rewe Group mehrfach ausgezeichnet.