Round Table Getränke Mehrweg: Flasche leer?

Die schwindende Bedeutung von Mehrweg, Chaos durch immer neue Individualgebinde und ideologische Streitereien um die angeblich beste Ökobilanz: Der Gebindemarkt ist derzeit ein heiß diskutiertes Thema. Höchste Zeit also für die Lebensmittel Praxis, Vertreter von Industrie und Handel zum klärenden Gespräch nach Neuwied zu bitten.

Donnerstag, 23. Juni 2016 - Management
Tobias Dünnebacke und Susanne Klopsch
Bildquelle: Carsten Hoppen

Inhaltsübersicht

Ausser bei Bier befindet sich die Mehrwegquote trotz Einwegpfands im freien Fall. Ist Mehrweg ein Auslaufmodell?
Karl Tack: Nein, denn Mehrweg-Glas wird sich dauerhaft behaupten. Bei Mineralwasser gibt es eine hohe Affinität zu Glas, und wir haben in Deutschland 220 Brunnen und eine regionale Struktur wie weltweit in keinem anderen Land. Darum wird das Gebinde in der Region weiter bestehen. Wir haben das Tal der Tränen bereits durchschritten und wachsen in diesem Bereich wieder. Das Mehrwegsystem ist auch nachweislich nachhaltig, so lange es regional betrieben wird. Überregional ist es der letzte Stumpfsinn.

Marcus Macioszek: Der Gesamtmarkt ist heute schon recht einweglastig. Allerdings beobachten wir im Qualitätssegment, dass 40 Prozent der Konsumenten Mehrweg-Käufer sind, weitere 20 Prozent setzen auf beide Systeme. Jedes Gebinde hat seine Funktion. Das gilt auch für kastengebundene Mehrwegsysteme. Wir investieren auch weiter in Glas und PET, beispielsweise mit einem Individualgebinde im modernen, leichten 6er-Kasten.

Heiner Bevers: Wir werden ein breites Sortimentsportfolio bekommen, das stark verwendungsgetrieben ist. Jedes Segment wird seinen Markt suchen, das gilt auch für die Kiste. Im Vergleich zu anderen Märkten haben wir hier ein unübliches Konsumvolumen. Die Kiste hat eine Vorratsfunktion und somit Vorteile für Handel, Hersteller und Konsumenten. Und was im Keller steht, wird auch getrunken. Das kann ich aus eigener Erfahrung als Vater von zwei Jungen bestätigen.

Schluss mit den Ideologischen Grabenkämpfen!
Wofgang Hinkel, Ball Metall

Wolfgang Hinkel: Regional bleibt Mehrweg wichtig und richtig, aber über weite Distanzen hat Einweg klare ökologische Vorteile. Abseits dieser ideologischen Debatte wird aber der Konsument entscheiden: Da spielt auch die soziodemographische Entwicklung eine Rolle. Wir werden mehr ältere Menschen haben, welche diese schweren Glas-Kisten eben nicht mehr schleppen wollen oder können.

Michael Glück: Dem Kunden ist die ideologische Debatte weitgehend egal. Den interessiert es nicht, ob die Flache geschreddert wird oder durchläuft. Und wir bieten alles an, egal ob es Glas, PET oder Tetra Pak ist. Tendenziell beobachten wir drei Käufer-Gruppen: Die markentreuen Käufer, die Glas-Käufer und die Preissensiblen, denen Verpackung und Marke eigentlich egal sind, Hauptsache billig.

Was halten Sie von einem stärkeren gesetzlichen ‧Einfluss?
Karl Tack: Die Diskussion um eine bessere Kennzeichnung zeigt: Die ideologische Debatte ist noch nicht vorbei. Man möchte Einweg nach wie vor diffamieren. Was mir daran nicht passt: Ich müsste auf meine Zweiweg-Flaschen Einweg schreiben, was faktisch nicht richtig ist. Wir hätten uns schon damals die staatliche Einflussnahme mit dem Einwegpfand nicht bieten lassen dürfen. Da waren die selbst ernannten Gutmenschen an vorderster Front. Die haben massiv in die freie Marktwirtschaft eingegriffen.

Mehrweg-Glas wird sich dauerhaft behaupten,
Karl Tack, Rhodius

Heiner Bevers: Da muss ich widersprechen. Wir hatten in der Vergangenheit eine Sozialisierung der Entsorgung und eine Kapitalisierung des Verkaufs. Aus meiner Sicht war dieser Zustand nicht auf lange Sicht haltbar.

Wolfgang Hinkel: Wir brauchen keine politische Einflussnahme. Die Industrie regelt das selbst, denn Ökologie und Ökonomie schließen sich heute nicht mehr aus. Die Getränkedose ist heute ein High-Tech-Produkt, das über die Jahre immer leichter geworden ist, wodurch z. B. der Ausstoß an CO2-Äqvivalenten deutlich gesenkt werden konnte. Und ganz wichtig: Wir produzieren keinen Müll (wie einige behaupten), sondern Lebensmittelverpackungen. Heute gehen 99 Prozent der Getränkedosen zurück in den Wertstoffkreislauf. Daraus werden z. B. Fensterrahmen, Motorblöcke oder auch wieder neue Dosen produziert.

Ferner gibt es mittlerweile eine Selbstverpflichtung zur Kennzeichnung von Getränkeeinwegverpackungen!

Beim Thema Individualgebinde sind die Hersteller Täter und Opfer.
Heiner Bevers, Tomra