Interview mit Alain Caparros „Rewe ist sexy“ - „Rewe ist sexy“ Teil 2

Als „Marktplatz der Seele“ definiert Rewe-Vorstandschef Alain Caparros den Supermarkt von morgen. Damit und noch einigen Ideen mehr geht er kämpferisch in die sicher kommenden Auseinandersetzungen – vor allem angesichts des Deals von Kaiser’s Tengelmann und Edeka.

Dienstag, 12. April 2016 - Management
Sonja Plachetta
Artikelbild „Rewe ist sexy“ - „Rewe ist sexy“ Teil 2
Bildquelle: Insa Hagemann

Was heißt das konkret?
Auf Sortimentsebene müssen wir Trendthemen wie Bio, vegetarisch, vegan und Convenience mitgehen und unsere Bedientheken sowie den Service stärken. Bei der Differenzierung spielen auch unsere selbstständigen Kaufleute eine wesentliche Rolle. Sie füllen ihre Märkte mit Leben, wie wir das mit Marktleitern nur schwer erreichen können. Sie meistern die schwierige Aufgabe, effizient zu sein und gleichzeitig zu individualisieren. Daran müssen wir auch in der Regie arbeiten. Deshalb testen wir jetzt erstmals in einigen Filialen, unseren Marktleitern ähnliche Freiheiten zu lassen, wie sie Selbstständige haben. Der Marktleiter darf z. B. seine Mitarbeiter selbst einstellen, und er kann Sortimente und Preise mitgestalten. Wir müssen in Zukunft ganz lokal arbeiten, um erfolgreich zu sein.

Die Individualisierung, von der Sie sprechen, gilt bei der Edeka seit Langem als Erfolgsrezept. Die Edeka-Kaufleute haben auch meist mehr Freiheiten als Rewe-Kaufleute. Wollen Sie das ändern?
Rewe-Kaufleute haben prinzipiell die gleichen Freiheiten wie Edeka-Kaufleute. Wir haben unsere Kaufleute z. B. verstärkt in regionale Entscheidungsprozesse integriert. Es ist aber so, dass es die Rewe in der heutigen Form erst seit rund zwölf Jahren gibt und dass wir nach der Übernahme von Leibbrand stark regiegetrieben waren. Wir haben in den vergangenen Jahren mehr als 260 selbstständige Kaufleute neu dazu gewonnen. Heute führen 1.060 Rewe-Partnerkaufleute selbstständig mehr als 1.300 Märkte. Und wir sehen durchaus noch weiteres Potenzial in der Privatisierung. Dafür brauchen wir weitere gute Kaufleute. Aber wir müssen realistisch bleiben. Wir können nicht in wenigen Jahren aufholen, was Edeka in mehr als 100 Jahren geschafft hat.

VITA

Alain Caparros ist seit Ende 2006 Vorstandsvorsitzender derRewe Group. Vor der Rewe hatte der gebürtige Franzose und studierte Betriebswirt Führungspositionen bei Yves Rocher, Aldi Frankreich und der Schweizer Bon appétit Group inne. Sein Vertrag bei Rewe endet Ende 2018.

Welchen Einfluss hat der Online-Handel auf Ihr Geschäft?
Ich weiß nicht, wohin die Reise geht. Aber wir beschäftigen uns mit solchen Fragen wie, ob unsere Flächen noch adäquat sind oder ob wir in Zukunft z. B. noch Windeln verkaufen werden oder ob sich die Verbraucher diese Produkte lieber liefern lassen. Oder auch damit, was wir machen, wenn Amazon Fresh mit aggressiven Preisen an den Markt geht. Wir dürfen Amazon nicht unterschätzen. Amazons Innovationskraft ist einmalig. Deshalb müssen wir unsere Testkultur ausbauen. Dabei ist auch klar, dass von zehn Tests vielleicht nur einer oder zwei erfolgreich sein werden. Auch eklatante Misserfolge gehören dazu.

Welche zum Beispiel?
Made by Rewe war ein Flop. Wir dürfen uns davon aber nicht entmutigen lassen, denn wir dürfen keinen Zug verpassen.

Welche der innovativen Konzepte, die Sie aktuell testen, sind aus Ihrer Sicht am vielversprechendsten?
Innovationen im Handel haben eine kurze Dauer, weil sie schnell von Wettbewerbern kopiert werden. Den Unterschied können wir nur durch zusätzliche Services und die Art und Weise, wie wir mit Kunden umgehen, erreichen. Die Innovation liegt also wie gesagt in der Personalisierung und in der Atmosphäre, die wir schaffen. Der Supermarkt von morgen ist der Marktplatz der Seele, ein Stück Heimat für die Kunden. Wir müssen die Konsumenten nicht nur zufriedenstellen, sondern sie begeistern.

Wie wollen Sie das erreichen?
Wir müssen die Gehälter der Mitarbeiter weiter verbessern, das ist der Basisfaktor für Motivation und für die Möglichkeit zu emotionaler Bindung. Es muss aber etwas hinzukommen: Die Arbeit bei uns muss sinnstiftend sein, sie soll einem größeren Zweck dienen – z. B. unseren Nachhaltigkeitszielen. Nur wenn beides gegeben ist, können unsere Mitarbeiter die Kunden wie Gäste behandeln. Daran arbeiten wir intensiv. Wir haben z. B. ein Recruitment Center gegründet, um gute Mitarbeiter aufzubauen. Ein weiteres Ziel ist es, dass es keine Unterschiede mehr gibt zwischen Mitarbeitern in Regiemärkten und im SEH. Alle selbstständigen Kaufleute müssen ihre Mitarbeiter durchgängig auf ein faires Lohn- und Gehaltsniveau bringen. Viele sind da bereits vorbildlich unterwegs. Eine faire Gehaltsstruktur ist für mich in den nächsten Jahren eines der wichtigsten Themen.

Wie soll der Marktplatz der Seele aussehen?
Ich habe lange in der Kosmetikbranche bei Yves Rocher gearbeitet. Dort haben wir nicht nur auf die Produkte, sondern auch auf Dienstleistung gesetzt. Die Kosmetikerinnen haben die Frauen nicht nur behandelt, sondern sie haben ihnen vor allem zugehört, und die Frauen sind zufrieden nach Hause gegangen. Das müssen wir im Supermarkt auch schaffen. Wir müssen ein Treffpunkt werden, wo sich Menschen wohl fühlen und deshalb gerne dorthin kommen. Persönliche Ansprache wird fundamental wichtig sein. Deswegen brauchen wir Gastro-Konzepte und Produkte mit Alleinstellungsmerkmalen.

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