Nachhaltigkeit „Die wichtigste Entscheidung ist, was wir alles nicht machen“

Die Basic AG macht in ihren Bio-Supermärkten vor, wie der Handel Verbrauchern Nachhaltigkeitsbotschaften eindrücklich vermitteln kann. Auf welche Themen sich die Münchner fokussieren und warum sie sich der Expansionseuphorie der Wettbewerber nicht anschließen, erklärte Vorstandschef Stephan Paulke.

Freitag, 09. Oktober 2015 - Management
Bettina Röttig
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„Während andere viel Zeit investieren und Ressourcen verschwenden, um Nachhaltigkeitsberichte auf Papier zu drucken, engagieren wir uns lieber aktiv.“

Herr Paulke, wie nachhaltig ist Ihr persönliches Konsumverhalten?

Stephan Paulke: Das ist gar nicht leicht zu beantworten. Dazu müsste man erst definieren, was im täglichen Konsum Nachhaltigkeit genau bedeutet. Auch in der Bio-Branche fahren die meisten Lkw noch immer mit Diesel. Wir entwickeln uns aber weiter, sind auf dem Weg, nachhaltiger zu agieren. Das gilt für basic wie auch für mich persönlich. Mein basic-eigener Konsumanteil ist sehr hoch, so viel kann ich Ihnen sagen. Ich bin aber kein Vegetarier, sondern genieße, wenn ich Fleisch esse, die Fleischqualität, die wir verkaufen.

Man sagt, je mehr Bio-Produkte angeboten werden, umso eher erwarten Kunden, dass sich das Unternehmen aktiv engagiert, z. B. im Bereich des Umwelt- oder Klimaschutzes. Was tun Sie bei Basic?

Für mich gilt immer: Mit jeder Entscheidung im Leben beantworten wir die Frage, was oder wer wir sind. Bei Basic ging es von Anfang an nicht um den Schein, darum, was irgendwo in einem Bericht steht. Während andere heute viel Zeit investieren und Ressourcen verschwenden, um Nachhaltigkeitsberichte auf Papier zu drucken, engagieren wir uns aktiv, unterstützen u. a. Projekte der GLS Zukunftsstiftung Entwicklung, zuletzt ein Brunnenbau-Projekt in Kenia. Unsere Leidenschaft für Nachhaltigkeit kommt an verschiedenen Punkten besonders zur Geltung.

An welchen konkret?

Beispielsweise rund um das Thema Mikroplastik in Kosmetika. Ein absoluter Schwachsinn, der die Frage aufwirft: Was machen die Unternehmen nur mit uns? Irgendwann landet das Zeug auf unserem Teller, nachdem es in Flüsse und Meere gelangt ist und von Krebsen und Fischen aufgenommen wurde. Wir haben hierzu viele Informationen gesammelt, unsere Mitarbeiter geschult und sind daran, das Thema auch plakativ in den Märkten für den Kunden greifbar zu machen. Schauen Sie gerne selbst, was übrig bleibt, wenn Sie konventionelle White-Zahncremes oder Peeling-Duschgel in einen Teefilter geben und auswaschen.

Überprüfen Sie Ihre Lieferanten in Bezug auf eine nachhaltige Wirtschaftsweise?

Wir befragen unsere Lieferanten schon in den Listungsgesprächen zu ihren Nachhaltigkeitsaktivitäten, fragen dabei z. B. gezielt nach deren eigenen Maßnahmen zur Verbesserung der Artenvielfalt und der Bodenqualität auf den von ihren Aktivitäten betroffenen Flächen. Eine Maßnahme des Lieferanten im Bereich der Verbesserung der Bodenqualität kann z. B. die Umstellung von zusätzlichen Flächen aus konventioneller Produktion sein. Ein anderer Themenbereich ist die Verwendung von erneuerbarer Energie: Zertifizierter Naturstrom ist in ausreichender Menge und zu vertretbaren Kosten verfügbar und sollte aus unserer Sicht von unseren Lieferanten grundsätzlich immer eingesetzt werden.


Was tun Sie bei Basic, um Ihre Kunden darin zu unterstützen, nachhaltiger zu konsumieren und zu agieren?

Den Kunden umfassend an die Hand zu nehmen ist eine sehr schwierige Aufgabe, allein schon aufgrund der Vielfalt an wichtigen Themen und deren Komplexität. Antibiotikaresistenz ist ein Beispiel, artgerechte Tierhaltung ein anderes. Das Transportieren von vielen Informationen überfordert schnell – sowohl neue Mitarbeiter als auch Kunden. Wir suchen uns daher bestimmte Themenfelder heraus, arbeiten mit einer reduzierten Zahl an Botschaften, setzen diese jedoch aufmerksamkeitsstark um. Um unsere Mitarbeiter zu diesen Problematiken noch besser schulen zu können, haben wir unsere Personalentwicklung personell weiter verstärkt. Darüber hinaus beschäftigen wir uns u. a. mit dem Thema „Tüten“: Natürlich haben wir auch Papiertaschen. Hier mussten wir aber auch erst mal nach der richtigen suchen, die 15 kg aushält – auch im November-Nieselregen. Noch haben wir bei Obst und Gemüse keine biologisch abbaubaren Tüten, aber wir haben auf Tüten umgestellt, die au s Zuckerrohr hergestellt werden und vollständig recyclebar sind. Grundsätzlich bestätigt sich immer wieder, wer sich mehr mit Bio beschäftigt, geht auf eine Reise und wird nach und nach seinen Bio-Konsum intensivieren.

Diese Reise müssen Sie genauer erklären...

Bei interessierten Bio-Kunden geht es um einen Erkenntnisprozess, die Beziehung des Kunden zu Bio ’reift’ sozusagen. Obst und Gemüse beispielsweise können Sie als „Einstiegsdroge“ sehen, hier ist für jeden schnell verständlich, wo die Unterschiede zwischen konventionellem und Bio-Anbau liegen. Je mehr man sich dann mit der Ware beschäftigt, und mit Themen wie Glyphosat, das nach aktuellen Studien in den Städten bereits 7 von 10 Menschen im Körper haben, desto häufiger entscheidet man sich für Bio-Lebensmittel und nachhaltige Konsumgüter bis zu Warengruppen wie Waschmittel und Textilien. Daher sind auch die Umsatzanteile von Nonfood an den länger etablierten basic-Standorten höher als an neu eröffneten.

Im Aufbau regionaler und vegetarisch-veganer Angebote war der Bio-Fachhandel Pionier. Jetzt treibt der konventionelle Lebensmittel-Einzelhandel die Trends mit viel Trommeln voran. Lassen Sie sich die Butter vom Brot nehmen?

Eine berechtigte Frage. Im Grunde wollen Sie wissen, ob dies dem Fachhandel seine Daseinsberechtigung raubt. Das wurden wir schon gefragt, als Bio plötzlich über die Discounter vertrieben wurde. Wie damals ist auch diesmal das Gegenteil der Fall. Mit einem Marktanteil von 4 Prozent ist die Bio-Branche nach wie vor in der Nische. Jede Bemühung, den Markt größer zu machen, hat dem Fachhandel bisher geholfen.

Das heißt, auch Basic profitiert von einer steigenden Nachfrage in diesen Trend-Segmenten...

Absolut, der Absatz legt zu. Die Art des Konsums drückt den Zeitgeist aus, das fördert unsere Weiterentwicklung. Die Zahl der Menschen, die sich stärker dafür interessieren, wie und wo Produkte und Lebensmittel hergestellt werden, und die Zahl derer, die wissen, was gut ist, wird weiter zunehmen. Und die beste Lösung finden sie im Bio-Fachhandel.

Beim Thema nachhaltiger Ladenbau machen Rewe und andere vor, wie grüne Supermärkte aussehen können. Wo stehen Sie hier?

Auf diesem Gebiet haben wir noch Nachholbedarf, sind aber dran. Das gilt z. B. für Themen wie LED-Beleuchtung und CO2-Kühlung.


In Bezug auf die Filialexpansion sind Sie bisher nach dem Motto „Qualität vor Quantität“ vorgegangen. Die Wettbewerber geben jedoch richtig Gas. Setzt Sie das unter Druck?

Ganz und gar nicht. Ich war aber auch noch nie gut im Angst haben. Was wir gerade erleben, ist eine Expansionseuphorie, die meiner Meinung nach im Einzelfall noch zu Wachstumsschmerzen führen wird. Aber die Wettbewerber haben natürlich andere Strukturen. Wir schauen auf uns. Neue Standorte zu finden, ist für uns ein wichtiges Thema. Das Ziel ist unverändert: zwischen null und fünf neuen Filialen pro Jahr. Wir führen in unseren Märkten 12.000 Artikel, sind damit der größte Bio-Vollsortimenter, haben viel höhere Investitionen in unsere Läden als der Wettbewerb. Wir müssen daher wählerischer sein als andere in Bezug auf die Standorte. Sie können sich die Suche so vorstellen wie die Jagd auf einen Zwölfender. Es gibt nur ganz wenige davon, und vielleicht sehen Sie auch ein Jahr mal keinen. Wachstum funktioniert aber auch ohne Flächenexpansion.

Zum Beispiel über Ihr Depot-Geschäft. Wie viele sind es mittlerweile im LEH?

Rund 400, Tendenz steigend.

Auch Edeka-Kaufleute zählen hier zu Ihren Depot-Kunden. Der jüngste Deal der Edeka-Zentrale mit Alnatura dürfte Ihnen nicht geschmeckt haben. Hat diese Entscheidung Einfluss auf Ihre Strategie und Zusammenarbeit z. B. mit der Edeka?

Eine Marke entsteht durch Erlebnisse. Das Markenerlebnis von Basic, das wir erzeugen, ist nicht zu vergleichen mit Alnatura. Alnatura ist nach meinem Verständnis ein preis- und discountorientiertes System. Im Moment liefern sich Alnatura und dm einen Preiskampf, haben mit Reiswaffeln für 65 Cent einen neuen Tiefpreisrekord aufgestellt. Uns geht es dagegen um ein wertschöpfendes System. Basic wurde gegründet mit dem Ziel, einen professionellen, zeitgemäßen, gut geführten Supermarkt zu schaffen. Wir investieren z. B. sehr viel mehr in den Ladenbau. Das schafft ein anderes Markenerlebnis. Wir streben mit unserer Marke auch keine Ubiquität an. Bio wird nicht überall gleich nachgefragt. Wir müssen uns auch nicht um die Wertevernichtung im konventionellen LEH bewerben. Unsere Partner haben kein Problem mit zu geringer Wertschöpfung, und das soll so bleiben. Zudem bemühen wir uns zu leisten, was zu leisten ist. Das bedeutet auch, dass wir es möglichst vermeide n z. B. Produkte oder Rohwaren aus China zu importieren, wenn sie in Europa verfügbar sind. Einige Anbieter importieren Hirse aus China, wir nicht.

Wird es eine neue Partnerschaft zwischen Basic und der Rewe geben?

Es gab seit längerer Zeit keine Gespräche hierzu.

Wo liegen weitere Wachstumsfelder für Basic?

Der Lebensmittelhandel und die Gastronomie wachsen immer stärker zusammen. An dieser Herausforderung arbeiten wir, aktualisieren unser Bistro-Konzept. Aber auch der Online-Handel ist ein wichtiges Thema für uns. Letzteres betrachten wir als ein strategisches Thema. Noch ist der Online-Handel mit Lebensmitteln ja im Vergleich zu UK hierzulande noch in den Kinderschuhen. Aber ich bin davon überzeugt, irgendwann wird es laufen. Und dann müssen wir unsere Hausaufgaben gemacht haben. Da sind wir dran. Der technische Relaunch ist bald abgeschlossen, die Kennzeichnung ist bereits entsprechend der Vorgaben der LMIV online.

Wie groß ist das Sortiment? Umfasst es auch Frische?

Im eigenen Online-Shop führen wir aktuell 4.700 Artikel, allerdings ausschließlich aus dem Trockensortiment. Logistische Lösungen mit drei Temperaturzonen sind noch sehr eingeschränkt verfügbar.

Die wichtigste Hausaufgabe ist im Online-Handel für Lebensmittel die taggleiche Lieferung. Wie schnell sind Sie?

Wir arbeiten mit DHL, daher sind wir noch nicht die Schnellsten in der Lieferung. Damit können wir aber gut leben. Für mich ist die wichtigste Entscheidung, was wir alles nicht machen, denn das schafft Freiraum für die wichtigen Dinge, die wir dann richtig gut machen. Wir können nicht in allem Pionier sein. Wir warten in diesem Fall lieber ab, bis das richtige System da ist. Auch das Thema Selfscanning haben wir z. B. bisher nicht umgesetzt. Hier glauben wir nicht, dass wir durch dieses Angebot mehr Kunden von uns überzeugen. Wir sind für viele Themen offen, aber es muss zu uns passen.

Die BASIC AG

■ Gründung der Basic AG: 1997
■ Jahresumsatz 2015 (Plan): 140 Mio. Euro (zweistelliges Plus)
■ Anzahl Mitarbeiter: ca. 1.000
■ Filialzahl: 35 (bis Ende 2015)
■ Durchschnittliche Verkaufsfläche: 800 qm
■ Artikelzahl in den Märkten: rund 12.000
■ Artikelzahl online: rund 4.700
■ Anzahl Depots im LEH: rund 400

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Bild öffnen Botschafter: Um mehr Verbraucher von Bio zu überzeugen setzt Stephan Paulke auf eine klare Kommunikation und die Visualisierung wichtiger Kernbotschaften auf der Fläche.
Bild öffnen „Während andere viel Zeit investieren und Ressourcen verschwenden, um Nachhaltigkeitsberichte auf Papier zu drucken, engagieren wir uns lieber aktiv.“
Bild öffnen Profilierung über Frische: Basic-Märkte punkten mit Bedienungstheken für Fleisch, [...]
Bild öffnen [...] Wurst und Käse sowie begehbaren Kühlhäusern für Obst und Gemüse. (Quellen: Hangen)